aus einer Mail von P. Rainer Karmeliterkloster in Straubing/Bayern

17. Februar 2012
Liebe Leser der Info Israel+Palästina,

die vielen von Ihnen bekannte christlich-palästinensische Familie von Daoud Nassar und seinem Projekt „Tent of Nations“ in der Nähe von Bethlehem, das von fünf jüdischen Siedlungen umringt ist, hat am vergangenen Dienstag eine sogenannte „landconfiscation order“ des Staates Israel erhalten. Die Familie fand auf ihrem Land, das der Großvater seinerzeit im Ottomanischen Reich hatte registrieren lassen, drei Zettel der israelischen „Zivilverwaltung“, die vom Wind verweht und nicht persönlich abgegeben wurden, auf dem Grundstück, in Hebräisch. Darin steht geschrieben, dass das Land zum „State land“ erklärt wird.
Durch meine regelmässigen Nachrichten sind Sie vielleicht mit der Situation von Daher’s Weinberg bei Bethlehem ein bisschen vertraut. Die christlich-palästinensischen Familie Nassar besitzt mit allen erforderlichen Dokumenten einen Hügel/Weinberg/landwirtschaftliche Nutzung, der von fünf  jüdischen Siedlungen umringt ist,

Die Nassars sind seit 1991 mit ihrem Fall vor dem israelischen Hochgericht in Jerusalem und kämpfen mit juristischen Mitteln gewaltlos um jeden Meter ihres Grundstücks, das Israel zu Staatsland erklären und für seine Siedlungsprojekt konfiszieren will. Israel hat der Familie in den vergangenen Jahren große Summen, Blankochecks und andere Deals angeboten hat, um in den Besitz des Hügels zu kommen. Die Familie, die derzeit mit 14 Leuten und internationalen Volontären dort lebt, ist seit 8 Jahren von dem normalen Straßenverkehr abgeschnitten, weil Israel einen „Roadblock“ in die Zufahrtsstraße der Nassars gelegt hat. Somit werden die  Besucher gezwungen, zu Fuß ca. 500 Meter zu laufen, bevor sie „Tent of Nations“ erreichen.
Mit dem Auto kann der Hügel von Bethlehem aus nur über die wesentlich längere und viel mehr Zeit beanspruchende Strasse über die Dörfer erreicht werden. Noch, da umfangreiche Ausbaumaßnahmen der jüdischen Siedlungen und nur für die Siedler benutzbare Straßen diesen Weg vielleicht in naher Zukunft unmöglich machen werden.
Die Familie wurde immer wieder von Siedlern attackiert, die aus den gegenüber liegenden illegalen israelischen Siedlungen herüberkommen, um ihren Anspruch auf das Land deutlich zu machen. Vor 5 Jahren gründete Daoud Nassar, der in Deutschland studiert hat, sein Friedensprojekt „Tent of Nations“, das Dialogarbeit und Sommercamps für Kinder aus Bethlehem und Umgebung durchführt. Sein Motto ist“ Wir weigern uns, Feinde zu sein.“

Am vergangenen Dienstag hat Daoud folgenden Brief an seine Freunde und Unterstützer geschickt:

Dear Friends,

Today, the 14th of February at 1.30 PM and as we were working on our land, specifically in the tree of life orchard, we found on three different places , papers with maps signed by the civil administration of Judea and Samaria which is the Israeli military government.

The papers say that we have to stop working on the land specified on the map, because they declared it as a state land. According to them, this land doesn’t belong to us but it is a state land and we are cultivating it. The papers also say that if we want to challenge this order, we can appeal against it within 45 days in front of the military representative office.

It is ridiculous to receive something like that after 21 years of legal battle defending our land and the right to it in front of Israeli courts.

We sent those papers to our attorney in Jerusalem and he is going to appeal against it within the next days.

This is just to inform you about what happened today, please be aware that the situation might get worse, please be prepared in case actions are needed. In the meanwhile, our attorney will appeal against it and we will see what kind of reaction we receive.

We will keep you updated and will inform you about our next steps and how you can help.

Thank you so much for your support and solidarity. Please keep us in your thoughts and prayers.

Blessings and Salaam.

Daoud

Daoud Nassar
Director

Daoud hat also Dienstag, 14.2.2012 eine sogenannte „landconfiscation order“ des Staates Israel erhalten, die bedeutet, dass drei Teile seines Besitzes zu israelischen Staatbesitz erklärt werden.

Aktuell ist heute,  17.2.2012,  folgendes zu sagen, bzw. sollte beachtet werden!

Daoud sagte mir heute am Telefon, dass die Order jetzt nicht umgehenden Handlungsbedarf verlangt, die Lage aber genau beobachtet werden muss. Ebenso ist es wichtig, diese Informationen an Sie, die Leser weiterzugeben und sachlich zu informieren – ohne durch Überreaktionen die israel. „Zivilverwaltung“, das Militär oder die Siedler zu reizen.
Vielmehr ist wichtig, informiert zu sein über das aktuelle Geschehen, um dann,  falls etwas akut passiert, schnell reagieren zu können.

Die drei Daoud’s Weinberg betreffenden Papiere, die das Land zu „ísraelischem Staatsland“ erklären,  tragen das Datum des 14.2.2012 (er hat sie also am gleichen Tag gefunden). Ab diesem Datum wird eine Frist von 45 Tagen eingeräumt, um Einspruch vor dem israelischen Gericht zu erheben. Diese juristischen Schritte werden jetzt wieder gegangen.

Die Schreiben sind in hebräischer Sprache verfasst. In das Formular sind dann per Hand die betroffenen Parzellen eingetragen. In arabischer Sprache gibt es nur drei kurze Passagen, die die Kernaussagen wiedergeben.
Die Papiere der Landenteignung wurden wie immer in solchen Fällen nicht persönlich zugestellt oder übergeben, sondern irgendwo am Rand des Grundstücks an den Zaun geheftet oder mit einem Stein beschwert auf ein Mauerstück gelegt.
Daoud hat seine drei Papiere zufällig am 14.2. bei Arbeiten im hintersten Teil seines Grundstück außerhalb der früheren Weinpresse gefunden.

Täglich wird nun das Gelände nach möglichen weiteren oder neuen Schreiben abgesucht.
Wichtig zu wissen ist auch, dass es sich dieses Mal nicht um den bekannten eingezäunten und täglich bewirtschafteten Teil des Hügels handelt, sondern um zum Weinberg gehörende Landstücke, die außerhalb der Umzäunung liegen – so z.B. außerhalb der früheren Weinpresse in Richtung des Settlements von Neve Daniel, wo vor einigen Jahren 250 Olivenbäume von den Siedlern ausgerissen und dann von den „Europäischen Juden für einen gerechten Frieden in Palästina / Sektion England“ neu gekauft und von ihnen selbst eingepflanzt wurden.

Bei einem Rundgang durch die angrenzenden Grundstücke mit den Voluntären hat Daoud heute ebenfalls eine „landconfiscation order“ gefunden, die ein Nachbargrundstück betrifft.
Natürlich wird der Besitzer dieses Grundstücks informiert, da er auf Grund der „versteckten Vorgehensweise“ bis jetzt noch keine Ahnung hat. Bei dem derzeitig starken Regen und Wind werden diese schnell verweht oder unleserlich, besitzen aber ab sofort ihre Gültigkeit.

Grundsätzlich gilt immer bei solchen Schreiben, wie auch bei der „House-Demolishen-Order“, z.B. in Ostjerusalem: Sie werden nicht persönlich ausgehändigt.
Dies ist die gängige Praxis und Strategie der sogenannten israelischen „Zivilverwaltung“ in den besetzten Gebieten.

Für den Fall, das aktueller Handlungsbedarf bestehen sollte, werden Sie umgehend informiert und um Ihre Unterstützung gebeten.
Vielen Dank für Ihr Interesse!
P.

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