70 Tage mit Palästinensern unter Besatzung gelebt – was bleibt

 

ein altes Plakat: aktuell kein Märchen aus Tausend und einer Nacht

Heute heißt es nun für mich mal wieder Abschied nehmen von einem Flecken auf unserer Erde, den ich wie keine zweite Region außerhalb meines Heimatlandes Deutschland, kennen und lieben gelernt habe. Es ist aber auch ein Land/ es sind zwei Länder wo ich vollkommen ratlos bin – wie im Übrigen viele der Menschen die ich hier getroffen habe, Palästinenser und Israelis – wie dieser Konflikt entzerrt und überwunden werden kann.
oder um es mit den Worten von Reuven Moskovitz zu sagen:
„Ich habe keine Hoffnung mehr aber ich habe den Glauben.“

die ganze Welt schaut auf diesen Konflikt: Wegzeichen in Beit Jala

Ich habe vieles in diesen 70 Tagen gesehen, erlebt, gespürt, bin vielen Menschen begegnet, durfte großartige, beeindruckende Aktivisten auf beiden Seiten kennenlernen, die sich mit all ihren Kräften für Frieden und Aussöhnung zwischen Israel und Palästina einsetzen. Ich durfte Fatima „Im Magdolin“      kennenlernen, die in so beeindruckender Art Menschen und deren Familien unterstützt, die mit einer Behinderung leben müssen. Ich hatte aber auch das Glück immer wieder ganz einfachen Menschen zu begegnen, auf der Straße und im Bus, die mich mit ihrer Freundlichkeit stark berührt haben.
Über vieles habe ich in diesem Blog berichten können, vieles habe ich aber auch weggelassen um der geneigten Leserschaft nicht noch mehr an Texten zuzumuten. Gerne komme ich aber bei Jedem/Jeder der mich einlädt vorbei um über meine Erlebnisse zu berichten. Gerne biete ich mich auch an, in größerem Kreis – in der Kirchengemeinde, beim örtlichen Bildungsträger- in einem bebilderten Vortrag über „Palästina heute“ zu berichten.

Blick von Al Qubeibaeh auf Tel Aviv und das Mittelmeer

Da auch mir zu Hause hier und da „vorgeworfen“ wird, ich sei  in meinen Berichten zu einseitig, ja sie hätten manchmal „antisemitische“ Tendenzen, möchte ich meinen Reiseblog für dieses Mal mit einem Beitrag von Rupert Neudeck, dem Gründer der Hilfsorganisationen „Cap Anamur“ und „Green Helmets“ schließen, der aus eigenen Erfahrungen sich zum Thema einseitige Berichte aus Palästina im Frühjahr diesen Jahres wie folgt geäußert hat, und dessen Meinung ich mich voll und ganz anschließen kann:

 

 Rupert Neudeck am 24. Februar 2013 zu dem Vorwurf, er sei in seinem Vortrag in Bad Honnef am 22. Februar 2013 EINSEITIG gewesen.
 „EINSEITIG zugunsten der Rechte und des Lebens der Palästinenser. Ja, was sonst?“

 „Dass mein Vortrag einseitig gewesen sei, ist richtig. Ich stelle mich ganz auf die Seite des Rechts und des Lebens. Ich forderte die Erhaltung des Staates Israel,
der dabei ist, sich selbst zu zerstören.

Wenn der Staat Israel mehrheitlich ein jüdischer Staat bleiben will,
ist es allerhöchste Zeit,
den zweiten Staat Palästina besser heute als morgen entstehen zu lassen.
Israel meint, es habe noch Jahrzehnte Zeit, sich zu entscheiden, ob es ihn noch will.
Das ist grausam falsch.

 Wir Deutsche sind zur Einseitigkeit für die Menschenrechte, für das Leben aller Völker nach dem von uns zu verantwortenden Holocaust mehr verpflichtet als jedes andere Volk der Erde.
Zu dieser Einseitigkeit bekenne ich mich, wo ich gehe und stehe.

 Deshalb ist der Vorwurf, ich sei einseitig gewesen in meinem Vortrag, absolut zutreffend. Ich freue mich über dieses Urteil, denn genau das wollte ich erreichen, dass alle aus dem Saal herauskommen und sagen: Endlich haben wir mal einen ganz einseitigen Appell zugunsten der Menschenrechte gehört,

zugunsten der Rechte der Juden in Israel,
zugunsten der Rechte der Palästinenser in Israel,
zugunsten der Rechte der Palästinenser in der Westbank,
zugunsten der Rechte der Palästinenser im völlig übervölkerten Gazastreifen,
zugunsten der Rechte der Palästinenser in Israels Administrativhaft,
zugunsten der letzten Atemzüge von Samir Issawi,
zugunsten der Palästinenser, die von Siedlern drangsaliert werden,
zugunsten von Palästinensern, die von der Hügeljugend angegriffen werden,
zugunsten der Palästinenser, die weiter in einem besetzten Land leben müssen.

Der Eindruck, dass ich in meinem Vortrag EINSEITIG war, ist goldrichtig.
Einseitig wie die „Rabbis for Peace“,
einseitig wie die „Physicians for Human Rights“,
einseitig wie die israelische Menschenrechtsorganisation B´Tselem,
einseitig wie die Machsom Watch Frauen,
einseitig wie Uri Avnery,
einseitig wie Amira Hass,
einseitig im Aussagen von Martin Buber, der uns immer gelehrt hat:

Nie die Rechte der jeweils anderen, nie die Rechte der eigenen Nachbarn vergessen.“

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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