Gespräch mit der „anderen Seite“

Morgen ist Himmelfahrtstag: dazu passend die deutsch-lutherische Himmelfahrtskirche auf dem Gelände des Auguste-Victoria-Hospital, nahe dem Ölberg

Vor zwei Jahren war ich das erste Mal in Israel. Mein Kollege Wilfried Jahn aus Berlin hatte damals Kontakt zu einem jüdisch geprägten Reiseveranstalter: der Jüdische Nationalfonds e.V. – Keren Kayemeth LeIsrael (JNF-KKL). Der Jüdische Nationalfonds wurde 1901 auf dem 5. Zionistenkongress in Basel ins Leben gerufen. Der Fonds sollte es ermöglichen, durch Spenden von jüdischen Bürgern in aller Welt Land im damaligen osmanischen Palästina zu kaufen, Wüstenstriche, Felslandschaften und ausgetrockneten Boden zu erschließen und zu besiedeln. www.jnf-kkl.de
Die Reise wurde hier in Israel organisiert von Keshet einem israelischen Reiseveranstalter.(www.keshetisrael.co.il ) Geleitet wurde die Reise, an der u.a. viele Schweizer und österreichische Juden teilahmen von einem gebürtigen Schweizer Juden, der seit Jahren in Israel lebt: Moshe Gabay. Mit ihm hatte ich mich heute zu einem Gespräch in seinem Büro verabredet. Ich hatte mir erhofft ihm von meinen Erlebnissen auf der „anderen Seite“ erzählen zu können und seine Einschätzung dazu zu erfahren. Ich hatte ihn vor 2 Jahren als einen politisch sehr interessierten, „geschichtsfesten“, aber auch klare Meinung vertretenden Menschen erlebt.
Nachfolgend, das verständlicherweise, nur gekürzt nach meinen Erinnerungen wiedergegebene gut zwei stündige Gespräch, das für mich letztlich die Erkenntnis brachte, das es unbedingt wichtig ist – so auch für die Reisegruppe die ich im Oktober nach Israel und Palästina führe, beide Seiten zu sehen und zu hören.
von höchstem internationalen Interesse
in einem Jahr sind im Libyen-Konflikt im vergangenen Jahr mit bis zu 50.000 Toten mehr Menschen umgekommen als in der ganzen Zeit seit 1948 im Konflikt zwischen Israel und Palästina auf beiden Seiten. Im Syrischen Bürgerkrieg starben bisher `mit bis zu 20.000 Toten schon genau soviel Menschen wie es in der ganzen Zeit in militärische und zivile Opfer auf Seiten Israel gab. Trotzdem ist der Aufschrei der Welt vergleichsweise viel geringer wenn es Konflikte und Opfer in anderen teilen der Welt gibt.

Flüchtlinge
Auch Juden (etwa 600 000) mussten 1948 aus den arabischen Staaten nach Israel fliehen, haben Haus und Grund für immer, sie haben keinen (UN)-Flüchtlingsstatus bekommen, was bis heute (in der dritten Generation, auch das ist einmalig und nur bei palästinensischen Flüchtlingen der Fall) bei den Palästinensern bedeutet, u.a. keine Miete, keinen Strom, kein Schulgeld, kein Geld für die medizinische Versorgung zahlen zu müssen. Diese Flüchtlinge hat der Israelische Staat integriert. Moshe fragt warum hat die UN den Palästinensern als einzige Nation eine eigene Flüchtlingsorganisation „geschenkt“, alle anderen Flüchtlinge werden weltweit von der Un-Flüchtlingsorganisation UNHCR unterstützt. Moshe war vor einiger Zeit in Jordanien: dort leben aktuell (neben den palästinensischen Flüchtlingen 600 000 irakische Flüchtlinge ohne Flüchtlingsstatus.

Flüchtlingslager in Bethlehem

Hebron
Bis zu dem Massaker 1929 bei dem 67 Juden ermordet und alle anderen vertrieben wurden, lebten viele Juden in Hebron, es war also auch eine jüdische Stadt. Man kann es gut sehen an vielen Häusern die früher Juden gehörten sind noch deren Schriftzeichen zu erkennen. Jetzt leben mal gerade 400 Juden in einer Straße in der Stadt. und er fragt mich auch noch: meinst Du wenn die verschwinden gibt es Frieden?

unten Basar, oben wohnen die jüdischen Siedler, da braucht es ein Netz um Unrat der von oben geworfen wird aufzufangen

Siedlungen
Moshe verweist auf die strategische Lage der meisten Siedlungen, die auf den Bergen liegen, dies bedeute mehr Sicherheit und Schutz für Israel. Was ist wenn es in dem benachbarten Jordanien einen politischen Umsturz gibt, die radikalen „Moslem-Bruderschaften an die Macht kommen. Da ist es gut die Berghöhen besetzt zu haben.

Siedlungen zum „strategischen Schutz“ auf den Berghöhen – hier bei Jerusalem

Soldaten
Er sieht die jungen SoldatInnen oft mit der ihnen gestellten Aufgabe überfordert, aus der Sorge in schwierigen Situationen etwas falsch zu machen, wird leider oft über`s Ziel hinaus geschossen, was in dem schrecklichen Vorfall in Jenin dazu führte das ein Soldat 2005 aus purer Angst, der 11 jährige Ahmed der vor ihm stand, könne ihn erschießen (und dabei nicht die Spielzeugpistole erkannte) und den Jungen erschoss. Dessen Vater hat später die Organe u.a. das Herz einem jüdischen Kindern gespendet. (hierzu gibt es einen sehenswerten Dokumentarfilm „das Herz von Jenin“, in dem der Vater die jüdischen Familien besucht. Er hat u.a. den deutschen Filmpreis 2009 bekommen.)

Soldaten mit Waffe am Chechpoint

die Sache mit dem Brunnen
Zum Schluss erzählte mir Mosche noch eine Geschichte von einem Brunnen. Irgendwo in Samaria war zwischen einer jüdischen Siedlung und einer palästinensischen Ortschaft war im Tal ein Brunnen der seit Jahren nicht benutz, ja zerstört war. Keinen hat es gekümmert. Die Siedler haben sich eines Tages daran gemacht den Brunnen zu reparieren, um den Brunnen wurde ein kleinen Park angelegt. Eine kleine Idylle war entstanden, so meinten die Siedler. Das sahen die Palästinenser aber ganz anders. Es entbrannte großer Streit darüber, das die Siedler es „gewagt“ hatten auf palästinensischem Grund einen Brunnen zu erneuern.
Dabei haben erst die Juden dafür gesorgt das es hier grün wurde, eine wirkliche landwirtschaft gab es früher hier nicht, so Moshe Gabay.

Morgen ist Himmelfahrtstag: dazu passend die deutsch-lutherische Himmelfahrtskirche auf dem Gelände des Auguste-Victoria-Hospital, nahe dem Ölberg
Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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