Auch heute haben wir wieder (zum 3. Mal auf dieser Reise) Jerusalem besucht. Auf dem Programm stand der Besuch verschiedener religiöser Stätten in der Altstadt:
zum einen den Tempelberg, den die Muslime al-ḥaram aš-šarīf ‚das edle Heiligtum nennen, dann eine Synagoge und zum Schluss die Grabeskirche.
Erstaunlicherweise kamen wir ohne Wartezeit auf den Tempelberg.
Es empfing uns dort eine wirklich entspannte und friedliche Atmosphäre.
Wenn man überlegt, welche Auseinandersetzungen es gerade erst in der letzten Woche dort gegeben hatte, wie dem nachfolgenden Beitrag zu entnehmen ist, erscheint es wie ein Wunder oder es ist eben auch ein wenig „Jerusalemer-Alltag“, wo es neben totaler Anspannung schnell auch wieder Entspannung gibt…bis es wieder eine Anspannung gibt. Nicht umsonst gilt der Tempelberg als einer der umstrittensten heiligen Orte der Welt.
13.03.2019
Wegen Molotowcocktail: Israel schließt vorübergehend Zugang zum Tempelberg
JERUSALEM, 13.03.19 (FJ) – Die israelische Polizei sperrte am Dienstag den Zugang zum Tempelberg vorübergehend, nachdem auf dem Gelände ein Molotowcocktail auf israelische Polizisten geworfen wurde. Ein Beamter wurde aufgrund einer Rauchvergiftung umgehend ins Krankenhaus gebracht, es gab jedoch keine weiteren Verletzten. Zehn Verdächtige wurden festgenommen und nach Angaben der Polizei dauert die Untersuchung des Vorfalls weiter an. Nach dem Angriff wurden die Eingänge gesperrt und die Al-Aksa Moschee geräumt. In den letzten Wochen kam es zu mehreren Konfrontationen auf dem Tempelberg zwischen israelischen Sicherheitskräften und muslimischen Gläubigen.
Spannungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde
Diese Ereignisse begaben sich vor dem Hintergrund der jüngsten Spannungen, welche aufgrund von Israels Verweigerung, Steuergelder an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zu zahlen, entstanden. Der Schritt wurde damit begründet, dass die Gelder für die Bezahlung von Familien inhaftierter Terroristen verwendet werden. Der Präsident der PA, Mahmoud Abbas, sagte, dass dies “ernste Folgen” nach sich ziehen würde. Die israelische Regierung dagegen beschuldigte die Behörde, einen religiösen Krieg zu propagieren.
Unter der palästinensischen Bevölkerung kursierten in den letzten Monaten Gerüchte, Israel wolle einen Teil des Tempelberges beschlagnahmen, um dort jüdische Gebete abzuhalten. Nachdem verschiedene Gruppen und Organisationen die Menschen dazu anhielten, den Tempelberg zu stürmen, schloss die Polizei zusätzlich das Damaskustor und das Löwentor der Altstadt Jerusalems. Auch die Hamas forderte die Palästinenser auf, zum Tempelberg zu gehen, um „die Barrikade zu durchbrechen“.
Israel und Jordanien versuchen die Situation zu entschärfen
Der Tempelberg ist das drittwichtigste Heiligtum der Muslime, jedoch auch die wichtigste religiöse Stätte des Judentums. In den letzten Wochen kam es vermehrt zu Konfrontationen auf dem Tempelberg zwischen israelischen Sicherheitskräften und muslimischen Gläubigen. Aktuell ist es nur Muslimen erlaubt auf dem Tempelberg zu beten. Juden dürfen den Ort zwar besuchen, gehen zum Gebet allerdings an die Klagemauer. Israelische und jordanische Beamte führten Gespräche, um die Situation zu entschärfen. Letzte Woche reisten israelische Beamte zu einem Treffen nach Jordanien und jordanische Beamte haben, nach israelischen Berichten, Jerusalem besucht.
Wie beschrieben heute war es sehr sehr friedlich. Wir konnten die besondere Schönheit des Tempeldomes, die wunderbare Platzanlage, die vielen kleinen Kostbarkeiten die über dem Platz verteilt sind, wirklich genießen.
Anschließend haben wir eine Synagoge besucht, wo uns unsere jüdische Guide Michal perfekt über das jüdische Leben mit über 600 Ge- und Verboten informierte.
In einem Nebenraum saß ein junger Mann, der an einer Thora-Rolle schrieb, mit gestochen scharfen Buchstaben die er mit schwarzer Tusche auf das Pergamentpapier zeichnete. Beeindruckend mit welcher Ruhe und Sorgfalt er arbeitete.
Über den Besuch der Grabeskirche will ich nicht viel erzählen. Wie immer herrschte großer Andrang, die Massen schoben sich durch das verwinkelte riesige Gebäude.
Zum Abend waren wir bei Daoud Nassar zu Hause eingeladen. Er wohnt mit seiner Familie unterhalb der Geburtskirche in Bethlehem mit seiner Frau und insgesamt drei Kindern. Wir wurden auch von seiner Frau Jihan empfangen, die uns im Laufe des Abends nicht nur mit kleinen Köstlichkeiten versorgte sondern auch über ihr Frauenprojekt in Nahalin berichtete. Dort im Dorf, etwa 1,5 km vom Weinberg entfernt, hat sie vor einigen Jahren ein Center errichtet in dem die muslimischen Frauen des Ortes verschiedenen Aktivitäten nachgehen können.
Neben Computerkursen wird auch Englisch gelernt, es wird aus Plastikabfällen, Gebrauchsgegenstände (wie zum Beispiel Taschen) erstellt. Mit diesen sehr vielfältigen Angeboten haben die Frauen die Möglichkeit, außerhalb ihres Hauses sich mit anderen Frauen zu treffen, zu reden und eben auch neue Dinge kennen zu lernen. Anfangs war es sehr schwer, erzählte Jihan, da die Männer in dem sehr konservativen Dorf, es nicht gerne sahen wenn sich die Frauen außerhalb ihres Haushaltes aufhielten. Aber im Laufe der Jahre ist sie dort mit ihren Angeboten akzeptiert.
Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“
Rechtsstaatlichkeit in einem substantiellen Sinn ist für einen demokratischen Staat eine wesentliche Voraussetzung. In zunehmendem Maße höhlte das Siedlungsprojekt den Rechtsstaat aus. (Gershom Gorenberg)
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