„Ich lernte Menschen nicht mehr als Menschen wahr zu nehmen“

Am Donnerstag hatte ich die Gelegenheit mit einer, von Vertretern der  israelischen Gruppe „Breaking the Silence“ geführten Tour in das Gebiet südlich von Hebron zu fahren. In meinem Bericht heute will ich mich ausschließlich mit dieser Gruppe ehemaliger Soldaten, deren Aktivitäten und vor allem der Aussagen über  die Erfahrungen und Erlebnisse während ihrer Dienstzeit in den besetzten Gebieten beschäftigen. In einem weiteren Bricht in den nächsten Tagen werde ich auf die Situation der Beduine/Nomaden/Felachen im Gebiet in den Hügeln südlich von Hebron eingehen.
Die Gruppe Breaking the Silence
, zu deutsch Das Schweigen brechen, ist eine 2004 von ehemaligen und aktiven Soldaten der israelischen Streitkräfte (IDF) gegründete Gruppe, deren Ziel es ist, die israelische Gesellschaft über die Aktivitäten der IDF in den besetzten Gebieten zu informieren, indem sie Berichte von Soldaten über ihre Erlebnisse während ihres Dienstes veröffentlicht. Sie hat in Israel und in verschiedenen anderen Ländern Ausstellungen organisiert (u.a. in der Knesset, dem israel. Parlament und auch 2012 in Berlin, siehe unten), hat ein Buch (auch in Deutschland) veröffentlicht, und führt mehrmals im Monat von Jerusalem aus Touren in die besetzten Gebiete durch um dann vor Ort zu erklären  was sie als Soldaten dort  erlebt, was sie getan haben/tun mussten.
www.breakingthesilence.org.il

Mohammed Assad von Breaking the Silence

Begleitet wurde meine Tour gestern von Mohammed Assad, einem 28 jährigen Israeli, dessen Dienstzeit beim Millitär zwischen 2004 und 2007 lag. Insgesamt nahmen etwa 40, meist jüngere Personen mit mir an dieser Fahrt teil. Ich hatte den Eindruck das ausschließlich Menschen die nicht aus Israel stammen –teilweise Mitarbeiter/innen von Unterstützungsorganisationen im Westjordanland wie  zum Beispiel mehrere Teilnehmer/innen von EAPPI- an dieser Fahrt teilnahmen.
Mohammed berichtete das er die Militärzeit früher als ganz normale Lebensetappe für einen israelischen Bürger betrachtet habe. Sein Vater, seine Bruder, viele Mitglieder seiner Familie waren beim Militär. Er hat sich vor Eintritt mit 18 Jahren keine Gedanken gemacht was ihn dort erwartet. Das erste Jahr, der dreijährigen Dienstzeit, diente der militärischen Ausbildung. Es gab keine Ausbildung für die „zivilen“ Aufgaben die ihn dann bei den Einsätzen in den besetzten Gebieten erwarteten.
Nach einem Jahr also dann der erste Einsatz im Westjordanland. „Für mich der erste Kontakt mit Palästinensern“, so Mohammed. Dort wurde dann zunächst alles „trainiert“ Personenkontrollen, Hausdurchsuchungen in der Nacht, Festnahmen. Die Palästinenser seien richtige „Trainingsobjekte gewesen. Am Anfang hätten sie noch Angst gehabt, wäre es ihnen manchmal peinlich gewesen. Diese Unsicherheit habe sich aber schnell gelegt.…, „wir als junge Menschen konnten entscheiden, wann wir in ein Haus einbrechen, ob wir dort jemanden festnehmen, ob wir etwas zerstören. Hinter allem stand neben den „Trainingszwecken“ ,das sie als israelisches Militär „Präsenz“ zeigen und letztlich immer die Begründung Sicherheit für Israel. Irgendwann hat er dann gemerkt das er die Palästinenser nicht mehr als Mensch war nimmt.

interessierte Gruppe


Das war 2005, da hat er sich an Breaking the Silence gewandt und dort seine Erlebnisse geschildert, wie dies mittlerweile mehr als neunhundert andere Soldaten, aller Dienstgrade, getan haben. In einem Prospekt welches wir bekamen waren drei solcher Kurzberichte. Ein Soldaten berichtete von einer Straßenkontrolle bei Hebron: „… das ist oft wie ein Spiel Katze und Maus, du lernst es zu lieben. Die Straße als Bühne, wenn wir dann so einen Truck stoppen, dem Fahrer alle Schlüssel abnehmen, seine Identitätskarte, ihn fesseln, ihm die Augen verbinden, die Luft aus allen Reifen lassen und den Fahrer dann mit in unsere Militärbasis nehmen. Während wir uns dort erfrischen, ausruhen, lassen wir ihn für ein paar Stunden draußen „in der Hitze trocknen“. Dann lassen wir ihn gehen…..“

Virtuelle Führung durch die Ausstellung von Breaking the Silence

Im September 2012 wurde in den Räumen des Willi-Brand-Hauses in Berlin eine Ausstellung der Gruppe gezeigt. 6500 Besucher besuchten die Ausstellung „Breaking the Silence. Zeugnisse einer Besatzung – Israelische Soldaten berichten“. Im Film können Sie sich durch den Aktivisten Nadav Bigelman durch die Ausstellung führen lassen (OmdU).

http://www.medico.de/themen/menschenrechte/nahost/dokumente/virtuelle-fuehrung-durch-die-ausstellung-von-breaking-the-silence/4316/

 

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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