Mehr als nur ein Baum – mehr als nur eine Ernte

Die im Oktober beginnende Olivenernte-Saison ist seit Jahrtausenden ein integraler Bestandteil der Landwirtschaft im Heiligen Land. Etwa die Hälfte der Agrarfläche in den Palästinensischen Gebieten wird für die etwa zehn Millionen Olivenbäume genutzt. Zehntausende Familien sind von den Erträgen der Olivenernte abhängig. Das Oliven pflücken ist darüber hinaus ein soziales und kulturelles Erlebnis, an dem sich so gut wie jeder Palästinenser im Westjordanland beteiligt. Schulkinder bekommen für dieses Ereignis frei, denn der Olivenbaum gilt als nationales Symbol.

80 Millionen Olivenbäume
10 Millionen Olivenbäume

Auch viele Ausländer beteiligen sich an der mehrwöchigen Ernte. Olivenöl stellt je nach Saison einen Anteil von 15% bis 19% an der gesamten landwirtschaftlichen Produktion.

Soweit die Fakten: Gestern war es für mich soweit, ich hatte doch noch die Möglichkeit aktiv einige Stunden bei der Olivenernte zu helfen. Fatima hatte noch einige Bäume auf einem Grundstück nahe Beit Sahur die noch nicht geerntet waren. Überhaupt vertrat die so resolute und oft gegen den Strom „schwimmende“ Fatima die Meinung das es eh besser gewesen wäre die Ernte niht schon Mitte Oktober zu beginnen. Jetzt habe es gut geregnet, die Oliven und auch der ganze Baum ist vom Staub des Sommers gesäubert, auch würden die Oliven durch den Regen noch ein wenig an „Gehalt“ gewinnen. Aber es sei immer das gleiche: von Seiten der Behörden wird ein „offizieller“ Startschuss gegeben. Wenn dann der Erste aus dem Dorf beginnt gibt es bei den Anderen „kein Halten“ mehr. Da setzt dann das „Hirn“ aus, so Fatima, und so sle beginnen mit der Ernte. Wie bereits berichtet, waren die Erträge in diesem Jahr nicht so gut, die Ernte dauerte nicht so lange. Neben dem „normalen“ jährlichen Ertragswechsel, hing die relativ schlechte Ernte auch mit den Stürmen im Januar zusammen, die die Blüten von den Bäumen wehten.

Und so zogen wir zwei los, mit Planen, Eimern aber auch ein wenig Obst zur Verpflegung und Wasser. Ich hatte mir

wie man sehen kann: es waren die die besten und "gepflegtesten" Bäume
wie man sehen kann:
es waren nicht die die besten und „gepflegtesten“ Bäume

vorsorglich auch meine Arbeitshandschuhe mitgenommen, die schon auf dem Weinberg gute Dienste geleistet haben… Zu pflücken waren schwarze (blaue) Oliven, wobei ich von Fatima erfuhr, dass die Farbe nichts mit dem Baum zu tun hat, im nächsten Jahr könnten es auch grüne an diesem Bum sein. Leider waren die Oliven sehr klein, etwa die Größe der bei uns bekannten Blaubeeren. Auch hingen sie an den ersten Bäumen nur vereinzelt, so das es sich gar nicht lohnte, groß die Plane unter den Baum zu legen, es wurde die Oliven nur einzeln gepflückt. Erst beim vierten Baum war dann so etwas wie „Ernten“ angesagt, so das sich das Auslegen der Plane lohnte. Teilweise streifte man nun die Oliven von den Ästchen ab , bog auch schon mal einen Ast zum Pflücken nach unten. Hier und da wurde dann auch ein Ast zwecks „Ausdünnung“ des Baumes ganz abgesägt. Zum Schluss wurde die Plane an den Rändern angehoben die Oliven wurden dann in der Mitte von den Blättern und kleinen Ästchen befreit und in den Eimer geworfen. Gerade diese Aktion war sehr mühselig, müssten doch alle Oliven nochmals „angefasst“ werden.

ergibt 10 l Olivenöl
ergibt 10 l Olivenöl

Ich glaube nach zwei Stunden war der erste Eimer voll:  10l Oliven gibt gepresst etwa 2l Olivenöl. Ich habe jetzt eine Ahnung warum das Olivenöl bei uns so teuer ist…. Im Verlauf des Nachmittags kam mit dem ältesten Sohn von Fatima, Mohammed, eine weitere Hilfe. Nach etwa 4 Stunden wurde es – wie hier üblich- ganz schnell dunkel. Wir hatten etwas mehr als 2 Eimer gepflückt. Eine wirklich mühevolle Arbeit, die von den harten Ästen zerkratzten Arme werden mich noch einige Zeit an dieses besondere Erlebnis erinnern. Meinen Respekt für alle Männer und Frauen, nebst Kindern hier in Palästina, die oft wochenlang mit der Olivenernte beschäftigt sind.  Die geernteten Oliven werden dann noch einige tage ausgebreitet gelagert, bevor sie in eine der mehr als 200 Ölpressen gebracht werden. Gute (dicke) Oliven werden zum einmachen aussortiert. Sie werden mit Wasser, Salz Peperoni und anderen Gewürzen eingelegt.
Soweit meine Geschichte von einer ruhigen aber anstrengenden Ernte. Es gibt aber leider in diesem Land – und die Leserschaft wird es nicht wirklich überraschen- auch die andere Seite….
Wie schon Eingangs beschrieben ist die jährliche Olivenernte für Palästinenser Teil ihres nationalen und kulturellen Erbes. Israelische Einschränkungen sowie die vielfältige Gewalt der Siedler werden daher als Angriff auf ihre Identität wahrgenommen. Oft können die Bauern nicht zu Ihren Feldern da sie in zu „militärischer Schutzzone“ erklärten Gebieten liegen oder weil zwischen seinem Wohnort und seinen Bäumen eine jüdische Siedlung liegt. Laut der UNO liegen etw 30 % des palästinensischen Landes jetzt jenseits der Mauer, (die zum größten Teil) im Westjordanland (d.h. auf palästinensischem) Boden verläuft. Seit rund um das palästinensische Dorf Al Janiya mit seinen 14.000 Einwohnern im besetzten Westjordanland sechs jüdische Siedlungen errichtet worden sind, gibt es regelmäßig Angriffe auf die (palästinensischen) Bauern, Bäume werden entwurzelt Felder abgefackelt. In diesem Jahr sind laut UNO mindestens 7.500 Ölbäume vernichtet oder entwurzelt worden.

 

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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