Zwei „besondere“ Menschen in Jerusalem

Ich habe die kleine, aber mutige und willensstarke Frau vor einigen Jahren kennen gelernt. Sie wohnt und arbeitet seit 48 Jahren mitten in der Jerusalemer Altstadt. Sie gehört einem kleinen Schwesternorden an. Ein Freund hatte mir damals gesagt, das dort mitten in der alten Stadt eine Frau lebt und wirkt, die ihre Wurzeln in Düsseldorf hat, so wie ich, und wie ich auch, einen unverkennbar rheinischen Akzent in ihrer Sprache hat. (auch nach 48 Jahren in der Fremde).

Ich habe sie, wie immer wenn ich in Jerusalem bin, vor einigen Tagen besucht. Auch von ihr wollte ich wissen wie sie die derzeitige Lage einschätzt, welche Erfahrungen sie mit 50 Jahren leben unter Besatzung gemacht hat.
Gerne komme ich ihrem Wunsch nach, weder ein Bild von ihr in meinem Blog zu veröffentlichen, noch sie konkret mit Namen zuz nennen.

palästinensische Nachbarn in der Altstadt seit 48 Jahren

Sie erzählte: Als ich 1968 nach Jerusalem kam, war ich noch jung. Ich hatte zwar von der Geschichte und dem Konflikt gehört, hier vor Ort war aber doch alles ganz anders als heute. Wir fuhren ohne Probleme nach Ramallah, Qubeibah oder auch in den Gaza-Streifen. Während wir damals nach Gaza-Stadt 1 ½ Stunden mit dem Taxi brauchten, sind wir heute froh wenn wir überhaupt dort einreisen können. Wir hatten dort lange Zeit auch eine kleine Gruppe Schwester. Vor einigen Jahren sind sie dort weggegangen. Sie konnten das dort „eingesperrt sein“ nicht mehr aushalten. Früher sind wir oft über den (ÖL-) Berg nach Bethanien gefahren. Nachdem dort eine Mauer gebaut wurde müssen wir einen 25 km Umweg nehmen.
Jeden Morgen, wenn ich mit unseren palästinensischen Nachbarn einen Kaffee oder Tee trinke, höre ich von ihren Sorgen. Viele sind hoffnungslos, sie befürchten, das man ihnen alles weg nimmt, die Häuser und das Land. Auch durch den massiven Straßenbau in Ost-Jerusalem wird palästinensisches Land genommen. Ich kann den Menschen hier ja nicht wirklich helfen, aber ich höre ihnen zu, nehme so ein wenig Anteil an ihrem Schicksal. Ich versuche immer so nahe wie möglich an meinen Mitmenschen zu sein, aber manchmal können wir auch nur „neben an“ sein.

Sie sind hier derzeit mit 6 Schwestern. Eine ihrer Schwestern gehört zu der Clown-Initiative „Clowns ohne Grenzen“. Sie besucht – so verkleidet – regelmäßig die Krankenhäuser in Jerusalem und schafft so ein wenig Freude.

Den anderen Menschen den ich hier in Jerusalem immer wieder auch besuche, kennen meine Blog-Leser/innen gut: Reuven Moskovitz

Reuven „in alter Frische“ in seiner WohnungÜber ihn brauche ich nicht soviel erzählen: Reuven steht für unerschrockenes, ungebeugtes Einstehen für Frieden und Gerechtigkeit nicht nur hier in Israel und Palästina. Noch vor einigen Tagen hat er sich mit einem Brief an die „An Organisationen und Personen, die sich um die aktuelle Lage der Welt Sorgen machen“ gewandt. Ich habe den Brief unter meiner Blog-Rubrik „Gastbeitrag“ eingestellt. Er hat seinem Brief auch einen aktuellen Brief, zum selben Thema „Syrien“ des großen (und alten) israelischen Friedenskämpfer Uri Avenery angehangen.

hier gibt es den besten arabischen Kaffee in der Altstadt

So bin ich also gestern zum Hotel „Jerusalem-Garden“ gefahren, wo Reuven mit seiner Frau Varda seit einigen Jahren in der 7. Etage ein Apartment gekauft hat. Ich war bisher nur einmal bei ihm, damals auch nur relativ kurz in seiner Wohnung. Es ist sehr schön und bewegend diesen großartigen Mann, der so viele Menschen, vor allem in Deutschland bewegt, aufrüttelt und inspiriert, einmal in heimischer Umgebung zu erleben. Ich hatte ihm aus der Jerusalemer Altstadt von einem, bei Arabern (aber eben auch bei Reuven) sehr beliebten palästinensischen Kaffeeröster ein Pfund Kaffee (mit Kardamon) mitgebracht. „Sollen wir einen „Schlamm-) Kaffee trinken?“ wollte er von mir gleich wissen, und er machte uns einen leckeren…
Schön war es auch, mit Reuven mal ein wenig „ganz intim“ über sich und seine Familie zu plaudern: über seine zwei Kinder, Enkel und Urenkel
Natürlich (möchte man sagen) bekommt dieser, „ schon in fast biblischem Alter“ befindliche Mann, mit, was aktuell in Deutschland , bezüglich der Gruppen die sich mit kritischen Stimmen zur israelischen Politik äußern, abgeht. Das Vermieter Veranstaltungsräume kündigen um so geplante Veranstaltungen in Berlin und Frankfurt zu verhindern. Gerade in dieser Woche wurde eine große Tagung in der evangelischen Akademie Tutzing „verschoben.“ Dort, am Starnberger See, war eine Tagung mit dem Titel „Nahost-Politik im Spannungsdreieck“ geplant. Gemeinsam mit der Petra-Kelly-Stiftung und der Münchner Evangelischen Stadtakademie hatte die Akademie für 12. bis 14. Mai Vertreter von vier israelisch-palästinensischen Friedensgruppen eingeladen. Mit ihnen wollte sie diskutieren, welche Chancen sich aus deren Engagement für eine Verständigung im Nahost-Konflikt ergeben könnten.

Das Bild hängt bei Reuven: ein Maler hat versucht, ihn in jungen Jahren darzustellen, als er sich selbst das Geigenspiel beigebracht hat.

Reuven, der im nächsten Monat (ab dem 16. Mai) nach Deutschland kommt, würde gerne vor der Akademie eine Protestaktion machen. „Es muss doch einen öffentlichen „Replik“ geben“ meinte er ganz aufgebracht. Er will diesbezüglich mit den Veranstaltern in Kontakt treten.
Überhaupt denkt er nicht daran zu schweigen: „Wenn ich schweige, wer soll dann aufschreien? Nicht nur die Palästinenser auch wir leben hier in einem Getto. Ich kann meine Freunde im 10 km entfernten Bethlehem nicht besuchen“ Seit 1974 kommt er nach Deutschland um seine Friedens-Botschaft zu verkünden. Sie lautet auf den Punkt gebracht:

„Wollt ihr Israel retten – befreit Palästina“


Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Er wird unter den großen Nationen richten und viele Völker zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk mehr wider das andere das Schwert erheben und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie aufschrecken. Denn der Mund des Herrn Zebaoth hat`s geredet.

Aus: Micha 4, 1-5 (Das Buch des Propheten Micha (hebräisch מיכה ) ist eines der prophetischen Bücher des Tanach. Es gehört zu dem Zwölfprophetenbuch.)

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

1 Kommentar

  1. Lieber Marius,
    Liebe Friedensfreunde.
    Fast jedes Jahr seit 1998 reiste ich in die Heimat. In den letzten Jahren nach 2003 ist die Lage von Tag zu Tag schlimmer ja sogar hoffnungsloser geworden.Es gibt scheinbar eine Selbstverwaltung aber keine Kontrolle über Land, Luft und Wasser.
    Nach meiner begrenzten Lebenserfahrung sollten wir uns ernsthaft von der 2 Staatenlösung verabschieden. Wir brauchen einen Staat , indem wir unsere civille Rechte bekommen. Israelis und Palästinenser sollen sich Gedanken machen wie unsere Heimat aussehen wird. Rassentrennung hat keine Zukünft. Kongliktverwaltung was seit Oslo mit Milliarden von Euros hat dazu geführt, dass in Palästina Korruption und Vetternwirtschaft die Straße beherrschen. In Israel böhmt die Waffenindustrie und übriges dort ist Korruption zu spüren.
    Die Besatzung wird nicht von alleine enden.Wir sollen es aktiv beenden.
    Israel kann nicht jüdisch sein und Demokratie sein.
    Die Region versinkt in Chaos und man erwarte nicht aus der Türkei oder Persien oder Arabien.
    Unser Land darf nicht mehr leiden. Dafür haben wir eine gemeinsame Vorgeschichte und sollten wir daraus lernen.
    Ich habe in meiner letzten Reise festgestellt, Frieden braucht nicht nur Straßen und Ministerien, sondern ehrliche Männer wie Mahatma Gandhi.
    Eine letzte Bemerkung als ich gesehen habe wieviel Kraft man dort braucht zum Überleben, war es mir klar warum unsere Gesellschaft eine traditionelle Familiengeselschaft ist, das macht die Bildung einer civille moderne Gesellschaft noch schwieriger.
    Ich wünsche dir eine erholsame Rückreise nach Düsseldorf.

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