Die Geschichte des Weinberges

 

Das herrliche etwa 42 ha große Gelände, mit einem 950 m hohen Hügel hat der Großvater der christlichen Besitzerfamilie Nassar, Daher, ein Landwirt, im Jahre 1916 von einem Bauern aus dem nahe gelegenen palästinensischen Dorf Nahalin gekauft und diesen Kauf, was damals sehr unüblich war, ins Grundbuch eintragen lassen. Dieser Besitz ist mit Dokumenten von osmanischer, britischer, jordanischer und – mittlerweile auch – israelischer Seite belegt.

Der Hügel liegt etwa 950 m über dem Meeresspiegel. Vor dort lässt sich das nach Westen abfallende Plateau des Westjordanlandes überblicken, bei guter Sicht ist das etwa 50 km entfernte Mittelmeer zu erkennen. Als Daher mit seiner Frau und seinen drei Söhnen auf ihr neuerworbenes Land in eine Höhle zog, war Nahalin das einzige Dörfchen weit und breit. Daher und seine Familie begann in den folgenden Jahrzehnten das Land zu bearbeiten. Sie pflanzten Hunderte von Bäumchen: Granatapfel, Mandeln, Feigen, Oliven sowie Rebstöcke.
Obwohl seit 1967, nach dem „sechs Tagekrieg“, das Westjordanland – somit auch der Weinberg- durch Israel besetzt wurde, gab es zunächst keine Schwierigkeiten mit den Besatzern. Allerdings wurde das Land, nach dem die „zweite Generation“ (die Söhne von Daher starben) von der Familie Nassar auch nicht mehr so intensiv genutzt.

In den 80er Jahren kam es zu einer allgemeinen israelischen Bestandsaufnahme der im besetzten Westjordanland landwirtschaftlich genutzten Gebiete. Dabei wurden die Eigentumsverhältnisse nicht überprüft. Der Einfachheit halber gingen die Israelis davon aus das die Grundstücke ohne Eigentümer sind und wurden dann als israelisches Staatsland deklariert. Im Gegensatz zu vielen Palästinensern konnte die Familie Nassar durch diverse Unterlagen nachweisen, dass sie ihr Grundstück im Laufe der Historie unter britischer, jordanischer sowie israelischer Besatzung durchgehend offiziell bei den jeweiligen Behörden registriert hatte und somit ihren Anspruch auf das Land beweisen.

von israelischen Siedlungen umgeben: der Weinberg der Familie Nassar
von israelischen Siedlungen umgeben: der Weinberg der Familie Nassar

Gerichtliche Auseinandersetzung

 

Trotz dieser Nachweise erklärte 1991 Israel einen Teil des Gebietes zu israelischem Staatsland. Seit dieser Zeit wehrt sich die Familie Nassar gerichtlich gegen den widerrechtlichen Anspruch auf das Land. Das Verfahren ist auch heute, mehr als 25 Jahre nach seinem Beginn, noch nicht abgeschlossen und liegt seit Jahren vor dem obersten israelischen Gerichtshof.

 

Seit dieser Zeit muss die Familie Nassar jedes Jahr aufs Neue – bis zum heutigen Tag- um den Erhalt ihren Besitzes kämpfen. Der Weinberg befindet sich in einem sogenannten israelischen Siedlungsblock, dem „Gush Etzion“, der aus 22 Siedlungen mit einer geschätzten Bevölkerung von 70.000 Menschen besteht. Besonders vielen der israelischen Siedlern aus den fünf illegalen Siedlungen, die in Sichtnähe um den „Weinberg“ herum liegen, scheint dieser „Weinberg“ ein Dorn im Auge und ein begehrenswertes Objekt zu sein, dessen sie sich mit allen Mitteln bemächtigen wollen.

 

Neben diesen diversen gerichtlichen Auseinandersetzungen kam es in dieser Zeit immer wieder zu gewaltsamen (oft nächtlichen) Übergriffen der in unmittelbarer Nähe lebenden Bewohner von insgesamt 5 israelischen Siedlungen. Dabei wurden Bäume, Wasserbehälter und Pflanzungen zerstört und Mitglieder der Familie und Besucher mit Waffen bedroht. Im Mai 2014 wurden zuletzt Hunderte Obstbäume und Weinreben zerstört.

1993 haben Israel und Palästina auf Vermittlung der USA die „Oslo-Verträge“ beschlossen. Im Rahmen dieser Vereinbarungen wurde das von Israel besetzte Westjordanland zunächst in drei Zonen (A-B-C) eingeteilt. Die Zone C (62 % des Territoriums) wird ausschließlich von Israel verwaltet. Hier leben auch die meisten Siedler. In der Zone C hat Israel nicht nur die uneingeschränkte Polizeigewalt sondern auch beispielsweise die Verwaltungshoheit über die Baugenehmigungen. Was dies konkret bedeutet hat die Familie Nassar seit nunmehr fast 22 Jahren zu spüren bekommen: Immer wieder wurden Bauanträge für Gebäude, Brunnen oder Zisternen, selbst der Antrag zum Aufbau eines Zeltes, abgelehnt und in der Folge des „unerlaubten“ Bauens bis zum heutigen Tag, Abrissbefehle für Bauten und Einrichtungen auf dem Grundstück ausgestellt.

Die Familie Nassar hat gegen alle gerichtlichen Entscheidungen „gerichtlich“ reagiert: Mit Hilfe von Anwälten hat sie allen Entscheidungen widersprochen. Selbst das „Widersprechen“ solcher gerichtlichen Anordnungen wird der Familie Nassar schwer gemacht: Offizielle Bescheide werden nicht mit der Post zugestellt sondern irgendwo auf dem großen Gelände hinterlegt…

 

„Wir weigern uns Feinde zu sein“…
das Motto hat Daoud Nassar am Eingang zu seinem Grundstück -südwestlich von Bethlehem- auf einen Felsen geschrieben. Von allen Seiten ist das Grundstück, das sein Großvater Daher Nassar 1916 gekauft hat, mittlerweile von israelischen Siedlungen umgeben. Die Geschichte von Daher`s Weinberg ist die Geschichte eines gewaltfreien Einsatzes für Gerechtigkeit und für Versöhnung im Heiligen Land, das Zelt der Völker ist ein Zeichen dafür, dass Frieden und Verständigung möglich ist.

Daher`s Weinberg und seine Umgebung
Wie dieses Grundstück der Familie Nassar sind in Palästina viele Grundstücke aus verschiedensten Gründen von Enteignung bedroht. Die einzige Hoffnung sind Menschen, die auf ihrem Land arbeiten, es bewohnen und somit in der Lage sind, es auf diese Weise mit ihrem Durchhaltevermögen vor Enteignung zu schützen.

Die Familie Nassar setzt alles daran, das Land vor Enteignung zu retten, indem sie dort einen Ort der Begegnung zwischen jungen Einheimischen und internationalen Jugendlichen, das „Tent of Nations“ geschaffen hat. Seit Jahren finden dort internationale Jugendbegegnungen, Workcamp`s, Baumpflanzaktionen, Kinder/Jugendcamp`s, Ausbildungsprogramme (z.B.PC-Kurse für palästinensische Frauen) statt.
Menschen aus aller Welt kommen hier her, um für eine gewisse Zeit als als Freiwillige/Volontäre, dieses einzigartige Friedensprojekt aktiv zu unterstützen.
weitere Infos unter: www.tentofnations.org

1 Kommentar

  1. Hallo Marius hast du Nachrichten von Daoud?? Wir sind in großer Sorge angesichts der, zwar in den öffentlich rechtlichen Medien spärliche, Berichterstattung über die aggressiven Übergriffe von Siedlern im Westjordanland Grüße Anne

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