Von Johannes Zang

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Johannes ZangSo nah und doch so fern: Ausreichende Wasserversorgung in den besetzten Gebieten (See Genezareth)

Er konnte viele Geschichten über ungleiche Wasserverteilung erzählen. Der deutsche Hydrogeologe Clemens Messerschmid hat auch das Wort »Hydroapartheid« geprägt. Den Wasserverbrauch der mittlerweile über 600.000 israelisch-jüdischen Siedler im besetzten Westjordanland bezifferte er so: »für ihre illegale Landwirtschaft über 13.000 Liter pro Kopf und Tag«.

Messerschmid, der über den Wassersektor Palästinas promoviert hatte, pflegte die Wasserproblematik seit dem Sechstagekrieg 1967 mit »Militärbesatzung« zu charakterisieren. Das Militärregime herrschte seitdem mit Erlassen. Gleich der erste nach der Einnahme verfügte Militärerlass – Nr. 92 – »deklariert das gesamte Wasser Palästinas als israelisches Wasser«, so der Hydrologe. Für Messerschmid war die »Annexion des gesamten Wassers de facto zwei Monate nach Kriegsende abgeschlossen«.

1997 für ein deutsch-palästinensisches Wasserprojekt der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) erstmals nach Palästina gekommen, war er im besetzten Westjordanland von der Stadt Dschenin bis nach Hebron als »Wasserschmid« oder »Wassermann« bekannt. Auf die Frage: Wie viele Brunnen durften Palästinenser seit 1967 im westlichen, größten Aquifer bohren, um mit ihrem eigenen Wasser die rasch wachsende Bevölkerung zu versorgen? antwortete Messerschmid: »null«. Er wehrte sich vehement gegen den Begriff »Wasserkrise« und sprach statt dessen vom »stabilen Notstand, weil wir an das eigene Wasser unter unseren Füßen nicht herandürfen«.

Messerschmid forschte nicht nur, er installierte auch Wassertanks für Bauern, schrieb Gutachten, beriet Doktoranden an der Universität Birzeit, der palästinensischen Hochschule nördlich von Ramallah, tourte mit Vorträgen durch die BRD oder arbeitete mit deutschen Stiftungen an Wasserprojekten. Am 8. Februar starb er 58jährig in Ramallah an einem Herzinfarkt. »Fassungslos, traurig und wütend« zeigte sich die deutsch-israelische Schauspielerin und Friedensaktivistin Nirit Sommerfeld. Sie nennt ihn einen »aufrechten, kämpferischen Wasserexperten und wahrheitsbesessenen Wissenschaftler«. Von ihm lernte sie, dass in Ramallah mehr Regen fällt als in Berlin, und dass der Wassermangel ein »Wassermythos« ist. »Wir begriffen, warum der Jordan-Fluss austrocknet, wenn die Wüste auf israelischem Staatsgebiet ›zum Blühen‹ gebracht wird«, so Sommerfeld.

Für Georg Stein vom Palmyra-Verlag war Messerschmid »ein einzigartiger Kenner der absolut ungerechten Wasserpolitik Israels den Palästinensern gegenüber«. In Erinnerung bleiben werde »sein langjähriges Eintreten für die gerechte Sache Palästinas«. Dass Messerschmid, der sich mit »hohem persönlichen Engagement für bessere Lebensverhältnisse für die palästinensische Bevölkerung einsetzte, so plötzlich nicht mehr da ist«, ist auch für die Palästina-Initiative Region Hannover »unfassbar«. Als Augenöffner hätten die Mitglieder der Initiative den Wasserfachmann erlebt, bewundert hätten sie seinen »Mut, die Menschenrechtsverletzungen klar zu benennen und anzuklagen«.Laut Messerschmid ist Palästina »das einzige Land der Welt, in dem die sogenannte blaue Revolution nicht stattgefunden hat« – die systematische Erschließung von Grundwasser mittels Bohrungen ab den 1950er Jahren in den Ländern des globalen Südens. Nur in Palästina sei das verboten.

Der Hydrogeologe Clemens Messerschmid ist im Februar 2023 im Alter von 58 Jahren verstorben.