– wenn plötzlich Soldaten in ihrem Obstgarten erscheinen, mit Planierraupen Ihre Bäume entwurzeln und mitten durch Ihr Grundstück eine 8 m hohe Mauer oder einen mit Starkstrom gesicherten, hohen und dichten Zaun errichten würden, so wie es in Bethlehem und anderen Orten der besetzten palästinensischen Gebiete geschehen ist und geschieht?
– wenn sie von Soldaten aus Ihrem Haus vertrieben und dann Angehörige einer anderen Religionsgruppe einziehen würden, so wie in der Jerusalemer Altstadt mehrere palästinensische Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden, in die dann jüdische Siedler einzogen, um Jerusalem araberfrei zu machen?
– wenn von Ihrem Dorf zweidrittel der umgebenden landwirtschaftlichen Nutzfläche entschädigungslos enteignet und mit einem militärisch gesicherten hohen Zaun abgetrennt und alle friedlichen Protestdemonstrationen (die von den Besatzern als gewaltfreier Terrorismus bezeichnet werden) mit Tränengas und Schußwaffen brutal unterdrückt würden, so wie es in den palästinensischen Dörfern Bilin und Nilin geschehen ist und weiterhin geschieht?
– wenn sie sich in Ihrem Land nicht mehr frei bewegen könnten, sondern überall Straßensperren errichtet würden, die sie nur mit besonderer, aber nur selten erteilter Genehmigung passieren dürften, so wie es den Palästinensern ergeht?
– wenn ihnen eine Baugenehmigung für die Schaffung von mehr Wohnraum für Ihre Familie verweigert wird, um die Vermehrung Ihrer Bevölkerungsgruppe zu verhindern, aber den Mitgliedern einer illegal eingewanderten privilegierten Bevölkerungsgruppe auf entschädigungslos enteignetem Land großzügige Baugenehmigungen erteilt werden, so wie es in den besetzten palästinensischen Gebieten der Fall ist?
– wenn ihr Haus einschließlich ihres gesamten Hausrats mit Planierraupen zerstört würde, weil ein Hausbewohner eine Straftat begangen hat oder deren nur verdächtigt wird, so wie das immer wieder mit Häusern von Palästinensern geschieht?
– wenn ihrer hochschwangeren Frau an einem Straßenkontrollpunkt die Weiterfahrt zu einem Krankenhaus verweigert wird, ihre Frau ihr Kind unter den Augen der mitleidlosen Soldaten am Straßenrand zur Welt bringen muß und das Kind mangels ärztlicher Versorgung dann stirbt, wie es immer wieder an den israelischen Kontrollpunkten in den besetzten Gebieten vorkommt?
– wenn ihre Kinder wegen einer oft wochenlangen Ausgangssperre nicht zur Schule gehen und auch nicht vor dem Haus spielen dürfen, weil sie sonst erschossen werden, wie es immer wieder in den Palästinensergebieten vorgekommen ist?
– wenn ihr Mann oder ihr Vater plötzlich verhaftet, in ein anderes Land verschleppt und ohne die Angabe von Gründen und ohne Anklage monate- und jahrelang durch sogenannte Verwaltungshaft inhaftiert wird, so wie es Tausenden Palästinensern ergeht?
– wenn ein Krankenhausbesuch von der Mitarbeit mit einem Geheimdienst zwecks Ausspähung ihrer Mitmenschen, die dann oft der Ermordung durch den Geheimdienst zum Opfer fallen, abhängig gemacht wird, so wie es immer wieder bei schweren Erkrankungen von Palästinensern geschieht?
– wenn sie durch eine Besatzungsarmee Ihrer Freiheit, Ihrer Lebensgrundlagen, Ihrer Eigentums- und Menschenrechte sowie Ihrer Würde beraubt würden, so wie die Palästinenser in den von Israel völkerrechtswidrig besetzten Gebieten?
Ja, wie würden sie dann reagieren? Würden sie sich dann widerspruchslos mit so einer zerstörerischen Lebenssituation abfinden oder auch zu gewalttätigen Mitteln greifen, wenn friedliche Mittel erfolglos bleiben und die internationale Staatengemeinschaft nicht nur tatenlos zuzieht, sondern die völkerrechtswidrig handelnde Besatzungsmacht sogar politische und finanziell unterstützt? Wahrscheinlich würden Juden dann genauso handeln, wie jetzt die Palästinenser und wie sie es schon vor und im Zuge der israelischen Staatsgründung getan haben, obwohl sie in keiner vergleichbaren Situation wie die heutigen Palästinenser waren, sondern sich nur von den Engländern bei der Judaisierung Palästinas behindert fühlten. Näheres können Sie meinem Text: „Wer brachte des Terrorismus nach Palästina“ entnehmen.
Der frühere israelische Ministerpräsident und heutige Verteidigungsminister Ehud Barak sagte auf die Frage des israelischen Journalisten Gideon Levy, was er getan hätte, wenn er als Palästinenser geboren worden wäre: „Ich wäre einer terroristischen Organisation beigetreten. (I would have joined a terrorist organisation).
Siegfried Ullmann Oktober 2015