Erneuter Besuch in der Reifenschule

Ich war zuletzt 2018 an diesem Ort, der wegen dem Kampf um den Erhalt dieser besonderen („Reifen-) Schule der Jahalin-Beduinen weltweit traurige Berühmtheit erlangt hat. Heute nun fuhr ich mit Gregor und seiner Frau nochmals an diesen besonderen Ort, gelegen in der judäischen Wüste am Rande des Highway der Jerusalem mit Jericho verbindet. Die Beduinen sind Ende der vierziger Jahre im Rahmen der Flucht- und Vertreibung der NAKBA aus der Negev-Wüste in die Region um Jericho geflüchtet.

Der Beduinen-Sprecher Eid Abu Khamis Jahalin holte uns in seinen Toyota Pick-up auf einem Parkplatz an der Schnellstraße ab und fuhr die etwa 700 m  zu den sehr einfachen Unterkünften der Beduinen im Dorf Khan al-Ahmar in dem sich auch die Autoreifenschule befindet. 

die aufgestapelten Reifen sind an der Wand der Schule gut zu erkennen

Eid informierte uns auf Englisch, dass der Kampf um den Erhalt der Schule  und damit auch um das ganze Dorf, nachwievor nicht entschieden ist. Nach neuester Info droht ein Abriss in den nächsten Monaten. Das Lager soll am Rande der palästinensischen Stadt Abu Dis (in der Nähe einer Abfallhalde) verlegt werden. Für Eid hätte das zur Konsequenz, das auch alle anderen mehr als hundert weiteren Beduinen-Camps in dieser Region aufgegeben werden müssten, da die Kinder keine Schule mehr hätten. Der jahrzehntelangen heroischen und (bisher dank großer Unterstützung aus dem In- und Ausland) erfolgreichen Kampf gegen die von Israel geplante Zwangsumsiedlung ist also noch nicht gewonnen. Eid selbst war schon in New York und im Deutschen Bundestag. Viele Prominente (u.a. der ehemalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz) waren schon dort im Lager.

Mangels Geldes für eine Schule haben die Beduinen vor Jahren aus alten Autoreifen selbst eine Schule gebaut und die Wände anschließend verputzt. Der Schulbau wurde auch mit Mitteln verschiedener Länder und der EU unterstützt, wie ein Schild an der Schule nachweist. Derzeit gehen 170 Kinder in die Schule von Klasse 1-10. 21 Lehrer:innen sind an der Schule beschäftigt. Sie kommen von weit her, aus den größeren palästinensischen Städten.

Büro der Schulleitung

Dieser Link führt zur Homepage der Jahalin Solidarity, deren Aktivisten seit 2016 den Kampf der Jahalin Beduinen unterstützen. Auf dieser Homepage ist auf der Eingangsseite ein Link zu einem sehr sehenswerter Film „High Hopes“, der den jahrelangen Kampf der Jahalin-Beduinen gegen Ihre Vertreibung zeigt. Die Musik zu diesem Film hat im Übrigen Roger Waters geschrieben, über den ich ja vergangenen Donnerstag, wegen seiner Schwierigkeiten in Deutschland seine geplanten Konzerte durchzuführen, in diesem Blog geschrieben hatte.

Heute „Tag des Bodens“

Der „Land Day“ – „Tag des Bodens“ entstand 1976 als Reaktion auf die Ankündigung der israelischen Regierung, tausende Menschen im Norden von Israel (Galiläa) ihres Landes zu berauben. Tausende Israelis und Palästinenser organisierten damals gemeinsam einen Generalstreik und Proteste, bei denen sechs unbewaffnete Teilnehmer, israelische Palästinenser, von der Polizei getötet, hunderte verwundet und verhaftet wurden.

mit der israelischen Fahne, heute gesehen nahe dem Beduinen-Camp fängt, auch heute noch, die Enteignung des Bodens an.

Die Massenproteste waren damals ein wichtiges Signal für den gemeinsamen Kampf gegen die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung und gegen die reaktionäre Siedlungspolitik der israelischen Regierung. Der „Tag des Bodens“ wird am 30. März weltweit begangen. Dieser Gedenk- und Solidaritätstag hat auch heute, 47 Jahre später,  angesichts der unveränderten Situation von Besatzung, und Landenteignung seine volle Berechtigung nicht verloren.

Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Alle Religionen haben die nötigen Voraussetzungen in ihren heiligen Büchern und in ihrer religiösen Tradition, um eine positive Sichtweise zu entwickeln, die Frieden, Versöhnung und Verständigung fördert. (Rafiq Khoury)

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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