Heute nun an einem Samstag, an dem im benachbarten Jerusalem das jüdische Leben am Schabbat ziemlich zur Ruhe kommt, haben wir uns mit der Gruppe in Palästina aufgehalten. Am Morgen sind wir nur wenige Meter gefahren um eines der drei Flüchtlingscamp hier in Bethlehem „Aida“ anzusehen und die Mauer die unmittelbar an diesem Flüchtlingslager 2003 errichtet wurde in Augenschein zu nehmen welches unmittelbar an der Mauer liegt. Zum Thema Flüchtlinge und zu den Camps in Bethlehem findet ihr Infos an anderer Stell in diesem Blog.
Anschließend haben wir uns zum Weinberg der Familie Nassar begeben.
Den regelmäßigen Leser/innen dieses Blogs brauche ich nicht mehr viel vom Weinberg (dem „Tent of Nations“) erzählen, begleitet er mich doch schon seit meinem ersten Aufenthalt im Frühjahr 2012. An vielen Stellen könnt ihr also etwas über den Weinberg, seine Geschichte und seinem Kampf ums Überleben lesen. Ich möchte mich deshalb in
meinem heutigen Bericht auf die aktuelle Situation in der sich der Weinberg und seine Menschen befinden konzentrieren. Schön war es das Daoud vor Ort war uns sich Zeit nehmen konnte der Gruppe etwas zur Geschichte aber auch zur aktuellen Herausforderung zu erzählen.
Wie dem Blog-Leser bekannt ist wurde die direkte Zufahrt zum Weinberggelände 2002 mit riesigen Steinblöcken für Autos unpassierbar gemacht. Genau an dieser Stelle, etwa 500 m vom Eingang entfernt, wurde nun mit dem Bau einer Toraschule begonnen. Ich habe über diese Pläne schon berichtet. Dies bedeutet zum Einen, dass wieder ein Stück Land den Palästinensern weggenommen wird, es bedeutet aber auch, dass durch den Bau der nächste Streit mit den Bewohnern des unmittelbar daneben liegenden Grundstücks des Weinberges vorprogrammiert ist. Die Bauherren der Toraschule gehören zu den radikalen der Siedler. Die Schule soll den Namen der drei im Juni 2014 entführten und anschließend ermordeten Jugendlichen erhalten. Auch ein klarer Hinweis auf politische Dimension dieses Neubaus. Auch ist zu befürchten, dass aus „Sicherheitsgründen“ diese Zufahrt für die vielen Besucher/innen des Weinberges (2015 waren es mehr als 6.000 Besucher/innen) gesperrt wird.
Und was zieht Daoud aus dieser Entwicklung für Konsequenzen?
Er will das schon lange angedacht und mit vielen Unterstützern des Weinberges diskutierte Bauprojekt einer Schule nun voran bringen.
Es sollen verschiedene Gruppen gebildet werden: eine soll das inhaltliche Konzept der Schule, die für die Themen Nachhaltigkeit, Ökologie und alternative Erneuerung stehen soll, entwickeln. Eine zweite Gruppe soll den konkreten Bauplan entwickeln, während die dritte Gruppe die notwendige politische Unterstützung sichern soll. Daoud ist sich sicher, dass es dem Staat Israel nun nicht mehr möglich ist – wie bisher- einen solchen Bauantrag mit „fadenscheinigen“ Gründen abzulehnen, während 500 m weiter ein Schulneubau genehmigt wurde. Zum Schluss unseres einstündigen Gespräches stellte er unserer Gruppe die „Grundpfeiler“ seines Grundkonzeptes für den Weinberg und das Projekt „gent of Nations“ vor:
„Mit Hass zerstören wir uns selbst. Negative Kräfte müssen in positive Energie umgewandelt werden, wir müssen uns von der Opferrolle verabschieden, müssen aktiv werden. Frieden kann nur von unten aus der Bevölkerung heraus wachsen und ist ein Prozess.“ Schritte zum Frieden sind für Daoud: „Erst müssen wir Brücken der Verständigung bauen. Dann muss es einen Prozess der Versöhnung geben, der allerdings ohne die Gerechtigkeit zu beachten nicht möglich ist“
Im Anschluss an unseren Besuch bei Daoud auf dem Weinberg sind wir noch in die „Prophetenstadt“ Hebron gefahren, sicherlich der „negative“ Höhepunkt unserer Reise, wird hier doch dem Besucher die ganze Dimension der Auseinandersetzung zwischen Israel und Palästina, zwischen Juden und Moslems schmerzhaft vor Augen geführt. Auch über diese Stadt habe ich schon oft berichtet und verweise deshalb auf verschiedene Beiträge in meinem Blog die durch anklicken des Stichwortes Hebron gefunden werden. Heute war es relativ ruhig in dieser oft so unruhigen Stadt und wir hatten deshalb auch die Möglichkeit von der muslemischen und der jüdischen „Seite“ jeweils einen Blick auf das Grab des für alle Religionen gemeinsamen Propheten Abraham zu werfen
Danke für den Blogeintrag. Gerne gelesen aber deprimiert. Wieder wird Land „versiegelt“. Schlimm, wegen des Diebstahls aber noch schlimmer wird die Trockenheit werden. Welch ein
Segen für alle ist da doch die Oase von Dahers Weinberg und die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.
Viele Grüße
Dorit
Lieber Marius, an diesem Tag habt ihr euch ja einiges zugemutet. Erst das AIDA Flüchtlingscamp, dann der Weinberg und schließlich Hebron. Der Besuch des Weinbergs und anschließend die Begegnung mit den Siedlern ist mir nachhaltig in Erinerung geblieben. Die Phantasie der Siedler und der Besatzungsbehörden scheint grenzenlos, wenn es darum geht die Palästnenser im allgemeinen und Familien wie die Nassers im besonderen zu schikanieren.
Auch Hebron ist mir nachhaltig in Erinnerung geblieben. Es war bei unserem Besuch damals eine bedrückende Spannung über der Stadt. Das beklemmende Gefühl wurde durch den Besuch bei Hashem Azzeh und seiner Familie noch verstärkt.
Aber ihr hattet euch ja am Tag zuvor anscheinend sehr entspannt vorbereiten können.
Herzliche Grüße an Michal, unsere tolle Reiseführerin, die jede Diskussion mitgemacht hat und die uns auch das schöne Gesicht Israels gezeigt hat.
Dir und deiner Gruppe noch erlebnisreiche Tage
herzliche Grüße
Günter
Es wird keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben. Und es wird keine Gerechtigkeit ohne Verzeihung geben.
Die Täter müssen zugeben dass Sie
Ein Verbrechen begonnen haben.
Die Bibel ist kein Freibrief für Vertreibung und Apartheid.
Und wir müssen laut sagen, das wir historische Fehler erlaubten ohne an die Zukunft unserer Kinder zu denken.
Hunderten von Fragen müssen noch geantwortet werden.
Wir und die Israelis haben es noch nicht begriffen, das wir eine gemeinsame Heimat haben. Teilweise auch gemeinsame identische Gene.
Um es zu verstehen, sollte man die wahre Historie des Landes und nicht des Volkes lernen.
Lieber Marius, wenn man das Bild von der Baustelle der geplanten Toraschule sieht, könnte man weinen. Ich habe 2013 bei Daoud auf dem Weinberg gestanden und ringsum die Siedlungen gesehen. Daoud und seine Familie sind mutige Menschen, denen man nur immer wieder Kraft und nie versiegende Hoffnung wünschen muss. Aber wie schwer ist das zu erlangen, in dieser unendlich schwierigen Situation.
Danke, dass Du die Botschaft „Wir weigern uns Feinde zu sein“ weiter trägst.
Dazu ein Satz von Vaclav Havel: „Hoffnung ist eben nicht Optimismus.
Es ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut
ausgeht, sondern die Gewißheit, dass etwas Sinn hat –
ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“
Herzliche Grüße von Sabine