Hoffnungszeichen erscheinen und verschwinden wie Regenbogen

Heute bin ich (mal wieder) „auf die andere Seite“, von Bethlehem nach Jerusalem gewechselt. An der Mauer die Israel und die Westbank trennt, sieht man viele Graffitis. Seit der Errichtung der Mauer sind sie, wie vor allem hier in Bethlehem, künstlerischer Ausdruck des Widerstandes und der politischen Meinungsäußerung. Manche der Graffitis drücken Verzweiflung aus, andere Schmerz und wieder andere Hoffnung. Hoffnung spiegelt auch das Bildnis einer Ikone, auf die mich ein Bericht von Simon, eines der Freiwilligen am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen aufmerksam gemacht hat. Etwas versteckt (rechts vom großen Tor für den Autotransfer am Checkpoint 300) findet man das Bildnis von Maria die sich mit der Hand an die Stirn fasst, als ob sie in großem Schmerz ist. Erstellt wurde das Bildnis 2010 vom Künstler Ian Knowles

die Mauer-Madonna

Simon schreibt in seinem Bericht:

Für den Künstler ist dieser Schmerz das Leiden der Christ:innen vor Ort unter der Besatzung…. Das etwa 20-minütige Gebet am Freitagabend, an dem manchmal nur eine einstellige Anzahl von Personen, manchmal aber auch größere Gruppen teilnehmen, ist nicht spektakulär. Seine Intensität bekommt es viel mehr durch seine Beständigkeit und die Treue der Teilnehmenden seit vielen Jahren. Während des Rosenkranzgebets wird immer wieder Maria angerufen. Das Vaterunser wird gesprochen und zum Abschluss ein Lied gesungen.

Im Arabischen gibt es einen Begriff für diese Form der Standhaftigkeit: „sumud“. Sumud meint dabei keinen heroischen Akt der Befreiung durch Menschen, die unter Unterdrückung leben, sondern die entschiedene Resilienz, dass Aufgeben letztlich keine Option ist trotz täglich erlittenen Unrechts und zum Teil traumatischer Erfahrungen.

Den ganzen Beitrag könnt ihr hier lesen

Bevor ich über den Checkpoint bin habe ich mich nochmal mit Fatima getroffen.

Sie hat sich heute um eine alte Frau gekümmert, der das Hörgerät von ihrem verstorbenen Mann angepasst werden sollte. Es stellte sich heraus, dass diese Frau eine mehr als interessanten Vergangenheit hier in Palästina hat. Seit 1967 (in den Wirren des 6-Tagekriges hat sie begonnen) hat sich die gebürtige Französin, sie heißt Marle‘ne Schultz, um Waisenkinder gekümmert, denen sie mit anderen in der Organisation Christlicher Friedensdienst (cfd) in El Azarie/Bethanien bei Jerusalem ein Heim und eine Familie bot. Ihre Erlebnisse hat sie in einem Buch festgehalten, das 2003 im Lamuv-Verlag erschienen ist: „Die Waisenkinder von Bethanien“.

die 91 jährige Marle’ne mit Fatima

Sie hatte das Buch dabei. Während sie zur Anpassung des Hörgerätes war, hatte ich die Möglichkeit im Buch zu blättern. Eine interessante Geschichte.

Das Buch endete mit einem schönen Text:
Hoffnungszeihen erscheinen und verschwinden wie ein Regenbogen. Der Künstler Sliman Mansour (vom dem ja auch das Relief in Talitha Kuni stammt von dem ich vorgestern berichtete) hat einen Regenbogen festgehalten. Lebenskünstler sind wir, wenn wir es lernen, Hoffnungsschimmer festzuhalten. Herr, lass sie uns sehen, auch wenn Trauer unsere Blicke verschleiern. Lass uns Regentropfen sein dem Dein Licht sich spiegeln kann, damit für andere Zeichen der Hoffnung leuchten können

das Amal-Hoffnungs Bild von Sliman Mansour

Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Nach Frieden und Gerechtigkeit zu streben, ist heute die höchste Berufung der Kirche in Israel-Palästina und zugleich deren größte Herausforderung. (Marc Ellis)

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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