Jerusalem wundervoll, aufregend und zerrissen

Nun bin ich wieder in Jerusalem, der so zerrissenen Stadt. Ich habe ja oft über sie und den Vorgängen in dieser Stadt in meinem Blog geschrieben. Über die schleichende „Übernahme“ von Häusern durch die israelischen Siedler vor allem in der Altstadt und eben in Silwan. Ich habe aber auch über die so unterschiedliche Versorgung der Gebiete im Osten der Stadt berichtet, was Schulen, Kindergärten, die Müllentsorgung, die Straßenbeschaffenheit oder eben die Versorgung mit Wasser angeht.

in Silwan, am Fuße des Al Aqsa Moschee spürt man die schleichende Übernahme palästinensischer Stadtteile durch jüdische Siedler besonders stark

Emad mein palästinensischer Freund hat ja in diesem meinem Blog vor einige Tage in einem Kommentar gefordert, man solle doch den Israelis die gesamte Verantwortung für alle Palästinenser übertragen. Hier in Jerusalem haben sie sich ja nun schon seit 1967 die Verantwortung gewaltsam genommen. Das Ergebnis nach 50 Jahren Besatzung kann sich jeder Besucher selbst vor Augen führen.

unter diesen Kuppeln der Grabeskirche sollte auch heute das „Feuerwunder“ geschehen

Heute war aber ein ganz anderes Thema in Jerusalem an erster Stelle: der Karsamstag der orthodoxen Christen. Rund 350 Mio Orthodoxen Christen in aller Welt schauten heute auf Jerusalem. Hier fand in der Grabeskirche in der Altstadt die über 1.600 Jahre alte Zeremonie der „Liturgie des heiligen Feuers“ statt. Viele orthodoxe Christen wollen live      dabei sein. Die Altstadt glich einer festung, dieses Mal –Gott sei dank- nicht wegen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und dem israelischen Militär. Aber mir wurde von Einheimischen gesagt, dass das Aufgebot an Polizei und Militär in den letzten Jahren immer aufwendiger, ja übertrieben wäre. Vielleicht wird damit ja auch ein politischer Zweck erfüllt.

die Altstadt glich heute einer Festung, vielleicht auh gewollt!?

Wie dem auch sei, man kam in die Altstadt nur über das Jaffa-Gate und dieser Eingang wurde dann auch gegen 12 Uhr geschlossen. Viele der orthodoxen Christen hatten Bündel von Kerzen oder auch keine Laternen dabei. Hiermit wollen sie das für sie heilige Feuer in Empfang nehmen. Ich habe mich vom Ort des Geschehens entfernt gehalten, hatte ich doch schon davon gehört , dass es des Öfteren auch zu Panik und Massenhysterie gekommen war, wenn denn das Feuer entzündet ist. Auch hörte ich davon das sich die armenische Kirche in letzter Zeit wohl kritisch zum „Feuerwunder“ geäußert hat, sehr zum Unwillen der anderen Orthodoxen, die sich „ihr Wunder“ nicht nehmen lassen wollen. Es ist warscheinlich so, wenn die Eltern bei uns dem Kind erklären das es das Christkind nicht gibt, Kinder wollen das nicht war haben.

die Flamme brennt, das „Wunder“ ist wieder geschehen, die orthodoxen Christen sind glücklich
Happy Easter

Aber nun zu einem ernsteren Thema
Sicherlich habt ihr alle die weltweite Aufregung mitbekommen, als der US Präsident Trump im Dezember des vergangenen Jahres verkündete, das er die Botschaft der USA nach Jerusalem verlegen will und damit diese Stadt, die seit 1948 geteilt und seit 1967 durch die Besatzung des Ostteils durch Israel „zwangseingemeindet“ wurde als Hauptstadt von Israel anerkannt hat. Weltweit, bis auf ganz wenige Ausnahmen, wie beispielsweise Honduras ist diese Aktion des Präsidenten der USA auf Ablegung gestoßen.

Die USA wollen nun, wie man hört, ihre Botschaft nun doch viel früher eröffnen als bislang erwartet. Bereits im Mai würden der Botschafter und ein kleines Team in das bisherige Konsulat in Jerusalem umziehen, sagte ein Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Es werde ein Schild angebracht, dass das Gebäude als Botschaft ausweise.

das „alte“ US-Kosulat in Ostjerusalem wurde vor Jahren in den Westteil von Jerusalem verlegt

Eher zufällig bin ich in diesen Tagen an dem amerikanischen Konsulat vorbeigekommen. Ein eher kleines unscheinbares Gebäude relativ zentral in Jerusalem gelegen, vielleicht 1 km von der Altstadt entfernt. In den letzten Wochen gab es Anzeichen dafür, dass der „offizielle“ „Umzug“ der Botschaft am 15. Mai stattfinden soll. Konkret heißt es wahrscheinlich: einige wenige Büros werden wechseln und wie gemeldet das Türschild wird geändert. Das dieser geschichtsträchtige Tag – an dem 1948 Israel seine Unabhängigkeit erklärt hatte, aber eben auch der Tag an dem die Palästinenser seit eben nunmehr 70 Jahre ihren nationalen Gedenktag die NAKBA begehen – für diesen symbolischen Akt vorgesehen ist, zeigt mir einmal mehr, wie rücksichtslos mit den Empfindungen von Milionen Palästinensern umgegangen wird.

das derzeitige US-Konsulat kommt eher „unscheinbar“ daher

Das „Oslo-Abkommen“, dass viele „Politikexperten ja als gescheitert ansehen, hat sich im Übrigen zur „Jerusalemfrage“ wie eben auch zu vielen anderen, für die Palästinenser so wichtigen Fragen nicht geäußert.

Sehr detailliert hat mir Amjad (vor nun schon 2 Wochen in Beit Sahur) bei in unserem Gespräch seine Meinung zu den Oslo-Verträgen erläutert.

Er sieht das ganze Procedere der beiden Oslo-Vereinbarungen wie einen Mietvertrag. Israel ist der Vermieter, die Palästinenser die Mieter. Israel hat alle seine Forderungen durchgesetzt: zum Beispiel Anerkennung durch die PLO oder das Recht der Absicherung der Grenze nach Jordanien. Die Palästinenser haben keine ihrer Forderungen erreicht, wie die Wasserfrage, Rückkehr der Flüchtlinge oder auch Klärung der „Jerusalem-Frage“. Für Amjad gibt es an der derzeitigen Situation zwei Gewinner: der Staat Israel verdient Milliarden an der Besatzung, die „Familienklicke“ um Präsident Abbas die in Palästina das Sagen hat verdient Millionen. Es fehlt also bei beiden Verantwortlichen ein wirkliches Interesse etwas an der derzeitigen Situation zu verändern. Wirklich eine ernüchternde Ansicht.

Es hat in den vergangenen Wochen viele ablehnende und verständnislose Stimmen aus Gesellschaft und Politik zu diesem (einseitigem)Vorgehen der USA bezüglich Jerusalem gegeben. Ich möchte den Leser/innen meines Blogs hierzu einen Auszug einer Erklärung der christlichen Kirchenoberhäupter bekannt geben, die sehr deutlich ist, aber eben auch keinen Einfluss nehmen wird

„Die internationale Gemeinschaft muss eine Lösung finden, um Jerusalem zu einer internationalen und für alle offene Stadt zu machen. Es kann nicht eine Seite sein, die erklärt, dass Jerusalem die Hauptstadt Israels oder Palästinas oder anderer Länder sein soll. Jerusalem muss eine für alle offene Stadt sein! Papst Johannes Paul II. mahnte schon vor Jahren: Wenn es keinen Frieden in Jerusalem gibt, wird der Frieden in der ganzen Welt unmöglich.“

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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