Heute bin ich noch einmal zu dem Ort zurückgekehrt an dem meine Reise vor genau vier Wochen begann: Zu Daher`s Weinberg und dem „Tent of Nations“. Die Nacht von Sonntag auf Montag habe ich zum Abschied nochmal bei den Mukarkers in Beit Jala geschlafen. Ich hatte geplant Nicola, Faten und Kamal, als kleinen Dank für die großzügige Gastfreundschaft, in ein Restaurant einzuladen…hatte ich vor. Nicola das stolze Familienoberhaupt hat „den Spieß“ umgedreht: er hat zu meinen Ehren eine Grillparty veranstaltet und seinen im Haus lebenden Bruder nebst Ehefrau und auch die Schwester von Faten geladen. Nein ich bräuchte nicht für sie tun, ich sei Freund der Familie, ja für ihn wie ein Bruder…was soll ich da sagen.
Nach einem wie immer tollen Frühstück bin ich – mit 10 Gläsern beste Aprikosenmarmelade, von Nicolas erstellt, bepackt- mit dem Taxi bis zum Roadblock am Rande des Weinbergs gefahren. Mit dem Taxi vor allem auch deshalb, weil der Taxifahrer Adib, der mit seinem Wagen vor dem Hause Mukarkers steht, mich schon häufig gefragt hatte, ob ich nicht mit ihm fahren will. Ich bat ihn mich am Nachmittag dort am Roadblock wieder abzuholen, zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnend was ihm gleich wiederfahren wurde. Ich werde zu Schluss des heutigen Blog berichten.
Auf dem Weinberg wurde ich von Daher und den mir bekannten Volontären Anke, Bernadette und Jonathan mit viel Hallo begrüßt. Die Freude über die mitgebrachte Marmelade war groß, das erste Glas wurde bei der morgendlichen Frühstückspause direkt geöffnet.
Ja und dann begegnete ich ihm persönlich – Daoud Nassar- nicht ganz zum ersten Mal, denn ich hatte ihn bei seiner letzten Vortragsreise in Königswinter erlebt und dort kurz begrüßt. Die Freude war auf beiden Seiten das wir uns endlich persönlich kennen lernen konnten. Dabei war auch seine Frau Jihan, Mutter ihrer drei gemeinsamen Kinder, die ihn bei seinen vielfältigen Aktivitäten hier sehr unterstützt und vor allem das Frauenbildungsprojekt eigenständig betreut.
Insgesamt hatte ich heute genügend Zeit mit Daoud über die Entstehung, Entwicklung des Projektes, aber auch seinen Visionen zum „Tent of Nations“ zu sprechen. Ich gehe in meinem heutigen Blog nur auf einige wenige Aspekte ein und werde wenn ich zu Hause bin etwas zum Frauenprojekt, zum Sommercamp und vor allem zu seinem Plan für Kinder und Jugendliche im Rahmen eines Projektes in Verbindung mit den Schulen in Bethlehem die Möglichkeit hier auf dem Weinberg etwas praktisches und identitätsstiftendes für das spätere Leben zu erlernen, schreiben.
Letztlich will Daoud hier auf dem Weinberg, auf seinem Grund und Boden nur in Frieden leben und arbeiten. Er hat aber in den mehr als 20 jährigen Auseinandersetzung mit der israelischen Militärverwaltung verstanden, das seine Familie ein -für die Israelis sehr begehrtes, in einer aus Sicherheitsaspekten gesehen herausragendes Lage, befindliches Landstück besitzt. Bis heute hat sicherlich aus diesem Grund kein Gericht ein abschließendes Urteil gefällt.
Der Bescheid der ihm vor einigen Wochen (siehe auch in der Titelleiste Aktuell-landeinnahme) ist einer der Nadelstiche, wie auch die Militäraktion vor einigen Wochen am Roadblock, die ihm und seiner Familie deutlich machen soll, wir sind immer hier, wir haben hier das Sagen…Es soll mürbe machen…: Gegen den aktuellen Bescheid hat sein Anwalt widersprochen. Bis zu einer Entscheidung kann es dauern: ein Jahr, 10 Jahre.
Ich erfuhr das es hier und da schon mal Kontakt zu den „Nachbarn“ gegeben hat. So habe ihn mal ein Ehepaar aus Newe Daniel der am nächsten liegenden Siedlung besucht. Die wussten nicht das er nicht an das wasser- und Stromnetz angeschlossen ist oder das ihm seit Jahren droht das Land zu verlieren. Ein Gegenbesuch ist allerdings fast unmöglich, zum einen bedarf es einer Erlaubnis der israelischen Behörde, aber selbst wenn er diese hätte, wer es für die israelische Familie sehr schwierig ihren anderen Nachbarn zu erklären das sie Besuch von Palästinensern hat. Ich erfuhr aber auch,dass ein anderer Siedler ihm beim Bau der Kompost-WC mit Rat-und Tat und Materialien geholfen hat. Ganz kleine und bescheidene Ansätze zur Verständigung finde ich.
Um drei Uhr kam ich dann wie verabredet zum Roadblock, Adib war bereits mit seinem Taxi da, kam aber direkt aus dem Taxi mit einer verzweifelten Miene. Was war passiert. Als er zurückgefahren ist hat ihn etwa 500m von hier entfernt ein Zivilfahrzeug der israelischen Polizei angehalten und ihm – ich weiß heute Abend noch nicht genau warum, einen Strafzettel von 1.000 Schekel ausgestellt, zahlbar innerhalb von 4 Wochen. Adib hatte mir am Vormittag noch voller Freude über die Fahrt mit mir -erzählt das er so an einem Tag wenn das Geschäft gut läuft etwa 150 bis 200 Schekel verdient.
Wie man sich denken kann gibt es wenig Möglichkeiten des Einspruches, die Gefahr dass es noch teurer wird ist groß. Wenn er nicht zahlt gibt es Mahnzuschläge und er läuft in die Gefahr seine Taxi-Lizenz zu verlieren. Adib war total verzweifelt und von mir schwer zu trösten. Ich habe dann bei mir gedacht, vielleicht hatte es so sollen sein das ich gestern kein Geld für einen restaurantbesuch ausgegeben brauchte. Als kleine Linderung habe Adib 500,-Schekel gegeben. Ich habe nachher noch mit Daoud gesprochen. Er will auch nochmal mit Adib sprechen, dabei auch den Grund erfahren der auf dem Strafzettel stehen muss.
Mit diesem so deprimierendem Erlebnis, was so die ganze Willkür der Besatzungsmacht Israel und das Ausgeliefertsein der Palästinenser zeigt, habe ich dann am Abend wieder die „Seiten gewechselt“ und bin zum Dormtio.Kloster zurückgekehrt.
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