„Seitenwechsel“

Nach dem Freitag für die Muslime und dem Samstag für die Juden, war heute der Sonntag für die Christen angesagt. Wie schon im vorigen Jahr konnte ich in der Krypta der Dormitio den Sonntagsgottesdienst mitfeiern. Weiterhin ist die Hauptkirche wegen der Renovierungsarbeiten noch nicht für den Gottesdienst nutzbar, auch wenn am vergangenen Dienstag in einer großen Feier, der neue Altar eingeweiht wurde. Aber die Krypta, wo sonst in „normalen“ Zeiten das Abendgebet der Mönche, die Komplet, gefeiert wird, ist, wie ich finde, ein schöner Ausweichort.

Krypta in der Dormitio-Abtei

Zum Nachmittag bin ich, mit Gregor, mit dem palästinensischen Bus „auf die andere Seite“ gefahren. Die nächsten 2 Nächte werde ich im Gästehaus von Talitha Kumi, das am Rande von Beit Jala, in der Westbank liegt, verbringen. In den vergangenen Jahren war ich bereits mehrfach dort untergekommen. Leider hielt der Bus nicht, wie früher immer, in der Nähe des Eingangstores zum Gelände der Schule. Wie mir andere Fahrgäste sagten, ist es der Busgesellschaft seit einiger Zeit, gegen Strafe (500 Schekel) verboten, dort, außerhalb der A-Zone, zu halten. Man muss diese Bestimmung nicht verstehen, sie ist aber ärgerlich, weil jeder/jede Besucher:in des Gästehauses, mehr als einen Kilometer (womöglich mit einem schweren Koffer) zurücklaufen muss.

Vor einigen Wochen hatte ich einen Bericht eines Ökumenischen Begleiters vor EAPPI gelesen, der von einem Kunstwerk berichtete, dass der Künstler Sliman Mansour, hier im Schulgelände der Talitha Kumi Schule angebracht hat.
In arabischer Schrift ist dort ein Wortspiel eingearbeitet, das sich auf den Namen der Schule Talitha Kumi („Mädchen steh auf)“ bezieht: Palästina steh auf!  Die aus Ton modellierte Frau soll die Heimat und auch die Revolution symbolisiere. Die Friedenstaube weist darauf hin, dass Veränderung und Entwicklung gewaltfrei geschehen soll. Ein Relief das Kraft und Hoffnung ausstrahlt.

Sliman Mansour an der Schule Talitha Kumi in Beit Jala;

Schließlich möchte ich noch über eine besondere Kuriosität berichten, die sich derzeit zwischen Israel und Palästina „abspielt“. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden in Israel die Uhren auf die „Sommerzeit“ gestellt, also, wie auch bei uns in Deutschland in der vergangenen Nacht, die Uhr um eine Stunde vorgestellt. Nicht so in Palästina. Wegen des Ramadans verzichtet man hier, bis zu seinem Ende am 21. April darauf die Uhren umzustellen. Begründung: das die Zeit des Fastenbrechens, nicht so spät ist. Nun also können die Muslime hier in der Westbank bereits gegen 18 Uhr die erste Mahlzeit zu sich nehmen, während ihre muslimischen Brüder und Schwestern in Israel und Ostjerusalem noch bis 19 Uhr warten müssen.

Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Was bedeutet Volk? Was bedeutet im Verhältnis dazu Nation?
Was bedeutet im Verhältnis zu beide Nationalismus? (Martin Buber, 1921)

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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