Heute beginne ich mit dem Schreiben meines Tagesberichtes bereits in der Nacht.
Nach dem die letzte Nacht in Arraba wegen der besonderen
Umstände bei der Gastfamilie nur wenig Schlaf erlaubte sind wir recht früh (so gegen 21 Uhr) zu Bett. Dann war hier gestern auch noch die Zeitumstellung. Als ich heute morgen um 2.00 Uhr wach wurde (alte zeit 3 Uhr) fühlte ich mich relativ ausgeschlafen. So sitze ich hier auf einer schönen Dachterrasse, bei angenehmen Temperaturen (22 °C) schaue auf das nächtliche Sanur und höre es auch…ein Konzert von bellenden und heulenden Hunden, kreischenden Katzen und krähenden Hähnen.
Nun haben wir also unsere dritte Gastfamilie kennengelernt, aber
was heißt kennengelernt. Während die erste und zweite Familie noch eine „überschaubare“ Größe hatte, handelt es sich hier in sanur um eine wirkliche Großfamilie: wir hörten das der Gastgeber Bashir von seinen 8 Töchtern und drei Söhnen schon 36 Enkelkinder hat. Gestern am Freitag waren auch viele zu Besuch, wer aber zu wem gehörte wir wissen es nicht. Das Besondere war aber, dass wir im Gegensatz zu den beiden ersten Familien, so gut wie keine Frau zu Gesicht bekamen. Sie leben wohl in einem Teil des Hauses, zu dem uns der Zugang verschlossen blieb.
Da wir ja schon recht früh in Sanur ankamen, bekamen wir auch schon ein leckeres Mittagessen, dass nach dem für die Moslem so wichtigen Freitagsgebet in einem großen Raum gereicht wurde in dem ringsherum Matratzen lagen auf die wir uns setzen konnten. Zur Sitzunterstützung bekamen wir noch Polster für die Arme. Das wieder sehr leckere Essen mit Reis, verschiedenen Soßen, Salat und Hähnchen wurde auf dem Fußboden gereicht. Anschließend gab es wie üblich Kaffee und Tee.
Im Verlauf des Nachmittages kamen weitere Gäste, die wohl alle zur Großfamilie gehörten und die wohl ihren freitäglichen Besuch machten oder die sich einfach mal die zwei Männer aus Germany anschauen wollten Es kamen auch zwei taubstumme Männer aus der Familie die im Verlauf des Nachmittages die Fotos der letzten Wochen in meinem Fotoapparat interessiert anschauten.
Irgendwann am Nachmittag haben wir uns, begleitet von unserem
Guide Saeed und einem jungen Mann aus der Familie, zu einem kleinem Rundgang durch Sanur aufgemacht. Wieder mussten wir viele Hände schütteln, hörten das schon bekannte „Welcome“. An einem Haus kam ein junger Mann uns entgegen, der, wie sich herausstellte, unser Guide für die morgige Etappe sein sollte. Da aber in der vergangenen Nacht seine Tante gestorben war konnte es uns noch nicht sagen ob er morgen mit wandert. Ein Ersatz sei aber gefunden. Er lud uns in das Trauerhaus ein wo hier traditionell die ganze Familie zusammensitzt, natürlich getrennt nach Frauen und Männern. In einem Raum saßen die Männer aus dem Dorf die kondolierten, wir wurden in einen anderen Raum gebeten, in dem wohl die engeren Familienmitglieder mit traurigen Gesichtern saßen. Wir wurden vorgestellt, bekamen Kaffee und Wasser und eine Dattel. Schnell entspann sich hier nun eine Diskussion. Ausgehend von der Frage wie es uns hier gefällt kam man schnell auf die aktuelle, aber damit auch auf die grundsätzliche Situation des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern. Hier fühlt man sich von sich von Deutschland und Europa verlassen. Eine der grundlegenden Fragen war in diesem Zusammenhang für mich: Wie würde die Welt reagieren, wenn das, was Israel dem palästinensischen Volk seit nunmehr 48 Jahren antut, mit Israel geschehen würde. (Zu dieser Frage habe ich einen Gastbeitrag eingestellt.) Nach etwa einer halben Stunde verließen wir die Trauergesellschaft und setzten unseren Rundgang durch das Dorf fort.
An so einem warmen Tag (es waren wieder so um die 30 °C) bekommt der Mitteleuropäer schon mal die Lust auf ein Eis. Erstaunt vernahmen wir die Kunde in einigen Läden: Der Sommer ist zu Ende, das Eis eben auch…
Auf der Straße sahen wir nicht nur die Familien mit Traktoren und anderen Gefährten von den Olivenernte heim kommen, auch sahen wir einigen Jungen die wohl auch in kleinen Beuteln Oliven gesammelt hatten um sie dann für einige Schekel (Taschengeld) zu „verkaufen“.
Nach einem leckeren Frühstück auf der Dachterrasse, es gab warmes Fladenbrot auf dem Oel und Zater verteilt war und was im Ofen erwärmt wurde, dazu Tee und Kaffee. Das Taxi brachte uns dann zum verabredeten Treffpunkt mit unserem neuen Guide. Es war nun doch Rabii. Seine Familie hat trotz des Todesfalles zugestimmt, das er uns begleitet kann. Am Treffpunkt haben wir noch frisches Brot geordert, dass gerade dort im Backofen gebacken wurde. Auch hatten wir uns entschieden unsere Rücksäcke mit dem Taxi mitzugeben das den Guide an unserem Zielort Sebastia abholen sollte.
So machten wir uns mit leichtem Gepäck, vor allem 2 l Wasser pro
Person waren angesagt auf die etwa 18 km lange Etappe. Wie immer könnt ihr Streckenprofil und Wegbeschreibung hier verfolgen.
Direkt am Rande des Dorfes begann der Anstieg zum Mont Hureish. Der Weg war erst breit wurde dann zum Schluss etwas schmaler und schon ganz schön steil. Aber wirklich gut zu bewältigen. Nach einer ¾ stunde hatten wir den ersten Gipfel unseres heutigen Wandertages auf etwa 750 m erreicht. Es war wirklich eine sehr schöne Aussicht dort oben. Wir konnten u.a. bis Nablus sehen dem Zielort unserer morgigen Etappe.
Auch das Wetter war heute wieder sehr schön, ein kühler Wind tat uns beim Aufstieg gut. Nach kurzer Pause machten wir uns auf den Abstieg. Etwa nach drei Stunden hatten wir den Rand des Dorfes Jaba (auf ca. 550 m Höhe gelegen) erreicht und begannen mit dem zweiten Aufstieg. Den Gipfel des Mont Bayzeed (ebenfalls etwa 750 m hoch) erreichten wir wieder in ca. einer ¾ Stunde. Auch hier war der Ausblick sehr schön. Dann begann der etwas mühsame Abstieg der vor allem wegen fehlender Wege (es ging sicherlich eine Stunde dorniges Gestrüpp „Maccia“ eben) nicht sonderlich begeisterte. Als wir im Tal waren ging es besser, es gab wieder Wege und auch die Vegetation wurde etwas üppiger. Durch wahre Alleen von Olivenbäumen zu gehen hat schon was. Hier und da begegneten uns natürlich wieder Familien bei der Ernte aber mit dem Kaffee hat es heute nicht geklappt.
Nach etwas mehr als 5 Stunden reiner Wanderzeit erreichten wir unseren Zielort Sebastia. Wie bei allen anderen Etappenzielen zuvor war der letzte Kilometer ein kräftezehrender Aufstieg. Irgendwie fielen mir die Jugendherbergen in meiner Kinder/Jugendzeit ein die auch alle auf dem Berg lagen
Sebastia hat einen schönen alten Dorfkern. Dort befand sich auch
unser heutiges Gasthaus, eine Art Pension, sehr schön und mal ohne Familienanschluss…auch mal schön. Aber gerade beginnt der Muezzin seinen Gebetsruf, der Lautsprecher des Minaretts ist keine 10 m von unseren Zimmern entfernt. Wecker brauchen wir garantiert keinen morgen früh.
Noch etwas zur aktuellen Auseinandersetzung. Als unser Guide im Dorf Jaba mit einer Frau sprach war diese sehr reserviert uns gegenüber. Wir fragten den Guide was das Problem sei, Sie meint wir wären Juden aus den Siedlungen die wohl hier öfters vorbei kommen. Ob sie denn keine Angst hätten hier zu wandern? Die hätten immer Revolver oder Gewehre dabei….
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