Wie gestern angekündigt fanden heute im ganzen Land Veranstaltungen zum Tag der Nakba statt.

Ich hatte die Möglichkeit an der sicherlich größten Veranstaltung in Ramallah teilzunehmen. Auf der knapp halbstündigen Fahrt mit dem Bus hatte ich schon den Eindruck das etwas Feierliches in der Luft lag, überall Fahnen, viele Menschen hatten sich die Kufiye (das rot oder schwarz-weiß-karierte Palästinensertuch) umgebunden, viele Autos hatten zum Zeichen der Trauer neben der Fahne von Palästina eine schwarze Fahne mit der Aufschrift „zurück!“ in Englisch und Arabisch.
In Ramallah, wo schon an einem normalen Tag ein großes Verkehrschaos herrscht, schien der Verkehr zum Erliegen zu kommen.

Einige Straßen waren wegen des geplanten Demonstrationszuges und der anschließenden Kundgebung für den Autoverkehr gesperrt. Viele Menschen waren im Zentrum der Stadt, am AlManara-Platz und am Jassir Arafat Square(hier sollte die Kundgebung stattfinden) schon versammelt. Beide zentralen Plätze liegen etwa 200m auseinander. Tausende, vor allem viele junge Palästinenser/innen waren gekommen, die Schulen und die Universität hatten beizeiten frei gegeben.

Zahlreiche TV-Sender hatten ihre Übertragungswagen aufgebaut, selbst in verschiedenen fenstern der umliegenden Häuser konnte ich Kameras ausmachen.
Kurz nach 12 Uhr mittags heulten in Ramallah, wie in ganz Palästina die Sirenen, 65 Sekunden lang, für jedes Jahr seit die Flucht begann, eine Sekunde. Die Menschen vor der Bühne erhoben sich von ihren Sitzen. Ergreifend! Anschließend traf der Demonstrationszug ein, angeführt von einer Musikkapelle. Der ganze Platz war nun voller Menschen. Bevor die erste Rede gehalten wurde intonierte die Kapelle die palästinensische National-Hymne. Mit erkennbarem Stolz hörten die Menschen Ihre Landeshymne zu der es wohl keinen Text gibt, ich habe zu mindestens keinen singen gehört/gesehen.

Die ersten Reden wurden gehalten, kraftvoll, laut mitreißend. Immer wieder erschollen Sprechchöre, wie man es aus dem Fernsehen kennt, einer/eine ruft vor und die Menge ruft nach. Mittlerweile war auch der Präsident Mahmud Abbas eingetroffen, sollte aber – für mich unbegreiflich- keine Rede halten. Im zweiten Teil der Veranstaltung traten einige Sänger und Musikgruppen auf, mittlerweile hatte sich die zunächst eher kämpferische Stimmung, gerade bei den vielen jungen Menschen, doch in eine lockere, ja fast „partyhafte-Stimmung“ verwandelt. Es wurde zu den musikalischen Darbietungen geklatscht und getanzt. Erst zum Schluss nach etwa 2 Stunden Programm wurde es wieder ernst. Es gab die

Darstellung einer Festnahme einer Gruppe junger Palästinenser durch israelische Soldaten, die im Outfit und Auftreten den „Echten“ täuschend ähnlich waren, eine weinende Mutter, ein ziemlich beklemmendes Schauspiel, genauso aber auch der Schluss, als eine Gruppe vermummter „Kämpfer“ die israelischen Soldaten augenscheinlich töteten. Wie gesagt, ein Schauspiel, aber dies vor dem realen alltäglichen Hintergrund hier in Palästina. Mich beruhigte etwas, dass es nicht bei dem Finale zu größeren jubelstürmen kam, es war eher ziemlich still auf dem Platz.

Ich habe naturgemäß nichts von den in Arabisch gehaltenen Reden verstanden: nur etwas klang immer wieder durch: die Namen der Orte im Kernland Israel, aus denen vor 65 Jahren 750.000 Palästinenser fliehen mussten, vertrieben wurden und zu denen die Flüchtlinge zurückkeheren möchten: Jaffa, Haifa………morgen, im nächsten Jahr….
Hinterlasse jetzt einen Kommentar