Zu Gast im Flüchtlingscamp Deheishe

Jeder hat ja so seine Pläne und Gewohnheiten für das lange Pfingstwochenende. Man fährt ans Meer, geht paddeln oder wie ich in diesem Jahr nach Beit Jala, um dort eine Reihe von Kontakten zu knüpfen oder aufzufrischen. So hatte ich am Samstag Gelegenheit Saedra, die seit Jahren bei Faten hilft in ihrem Zuhause in einem Flüchtlingscamp zu besuchen. Am Samstag traf ich auch zu einem Gespräch in Bethlehem Daoud Nassar. Am Pfingstsonntagmorgen, ich habe ja schon berichtet, war ich zu Gast bei Schwester Maria Rosa. Am Nachmittag schließlich habe ich Fatima besucht, eine Beduinenfrau. Ich werde in nächster Zeit von den Begegnungen mit Daoud und Fatimah berichten, heute will ich von dem nachhaltigen Erlebnis bei Sadaia berichten.

Sadaia und Faten vor einem eindrucksvollen Gemälde im Flüchtlingscamp Dedeishe

Auf einem Quadratkilometer zwischen Bethlehem und Artas lieget Deheishe, eines der ältesten und größten palästinensischen Flüchtlingslager.

es wird von Generation zu Generation hin die Höhe gebaut

Mittlerweile wohnen in vierter Generation etwa 15.000 Menschen dort, da die Grundfläche von Anfang an begrenzt war haben die Menschen von Generation zu Generation nach oben gebaut. Sadaia lebt mit Eheman und 5 Kindern auf geschätzten 40 m². Schon beim Eingang macht sie mich auf ein Bild an der Mauer über der Tür aufmerksam, ihr 20 jähriger Sohn Nidal. Schon ein wenig eingeweiht in die „Sitten u Gebräuche“ hier ahne ich schon nichts Gutes. Kaum sind wir in der Wohnung und haben es uns in einem schön eingerichteten Wohnzimmer bequem gemacht erfahre ich die Geschichte von Nidal. Im Oktober 2012 kamen um 5 Uhr morgen etwa 10 Soldaten, sind teilweise durch das Fenster eingestiegen, alle Familenmitglieder mussten sich auf den Boden setzten, Nidal wurde die Augen verbunden und die Hände gefesselt und dann abgeführt. Der „Überfall“ dauerte etwa 10 Minuten. Was wirft man Nidal vor: er habe bei einer Demonstration Steine geworfen. Es sitzt nun seit mehr als einem halben Jahr im Gefängnis, seine Mutter kann ihn nicht besuchen, eine Anklage in unserem Sinne hat es bisher nicht gegeben. Ein Gerichtstermin gestern in Offer (bei Ramallah) wurde wie schon so einige zuvor verschoben.

Jazan und Freund mit dem großen Bruder

Wie sagte Faten zu mir: so machen sie die Menschen hier mürbe…. Aber nicht nur dass, die Menschen bauen so den Hass auf der sie Steine oder noch gefährlichere Gegenstände werfen lässt.
Nidal wird von seiner Familie schon mit einer besonderen Ecke im Wohnzimmer geehrt….Sein jüngster Bruder Jazan, 7 Jahre alt, ließ sich ganz stolz mit dem Bild des Bruders fotografieren.

Die älteste Tochter Haneen, 21 Jahre alt hat eine Ausbildung in Graphik und Design gemacht. Derzeit malt sie zu Hause tolle Entwürfe für Kleider. Wer ihr die Zeichnungen hier abnimmt weiß ich nicht, aber sie hat, wie ich finde, großes Talent.

schöne Zeichnungen von Haneen

Selbstverständlich wurde ich reichlich bewirtet mit Obst, Tee, Kaffee und Keksen. Ich glaube dass mein Besuch, meine Anteilnahme an ihrem Leben allen gut getan hat.
Vielleicht kann der geneigte Leser/die Leserin verstehen wenn ich der Auffassung bin, dass die Israelis besser daran täten mit dazu beizutragen, dass sich die Lebensverhältnisse der Menschen in den Flüchtlingscamps nachhaltig verbessern, als lediglich junge Menschen, wegen eines möglichen Steinwurfes, auf unbestimmte Zeit hinter Gitter zu stecken.

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*