Bevor wir uns heute auf die längere Fahrt (ca. 150 km) – vom See Genezareth in Galiläa im Norden von Israel ins „Herz“ des „Heiligen Landes“ in die Region rund um Jerusalem aufmachten, hatten wir noch ein Gespräch mit einem Mitglied unseres gastgebenden Kibbuzim. Wir erfuhren das dieser Kibbuz zu den 10 % gehört, die wirklich noch – wie ursprünglich alle Kibbuze in Israel- „sozialistisch“ geprägt ist. Hier arbeiten alle – ob im Kibbuz oder außerhalb – und geben ihren Verdienst (egal was sie tun und verdienen) an den Kibbuz. Jeder bekommt im Monat 4000 Schekel (etwa 1000 €) als „Taschengeld“, wenn man alleine lebt 6.000 Schekel. Jeder bekommt ein kostenlos Haus gestellt, Kinderbetreuung, Schule, die Wäsche alles kostenlos.
Frühstück und Mittagessen können die Bewohner (derzeit leben hier 300 Kibbuz-Mitglieder und weitere 400 Familienangehörige) zu sehr günstigen Preisen in der Kibbuz-Kantine erwerben. Wenn jemand „Faul“ ist, und damit auf „Kosten“ der Gemeinschaft lebt, versucht man ihm mit Gesprächen zu motivieren. Ausgeschlossen wird man aber nur (Nach Beschluss des Mitgliederplenums) bei besonderem kriminellen Vergehen.
Ein Mitglied unserer Gruppe verglich das das hier praktizierte Finanzierungs-Modell mit dem bei uns seit Jahren viel diskutierten „Bedingungslosen Grundeinkommen“. Hier seine Anmerkungen dazu:
Heute wurden wir zum Abschluss unseres Aufenthalts in SharHagolaan von einer 73-jährigen Kibbuzim über das Leben im Kibbuz informiert. Dieser Kibbuz ist ein positives Beispiel eines erfolgreich realisierten Sozialismus. Alle Mitglieder des Kibbuz arbeiten nach ihrer Leistungsfähigkeit sieben Stunden am Tag . Der Urlaubsanspruch beträgt 10 Tage im Jahr. Die Kibbuzim brauchen weder für das Essen noch die Wohnung oder Die Gesundheitsversorgung etwas bezahlen. Auch die Wäsche wird kostenlos in einer Gemeinschaftswäscherei gereinigt. Als sogenanntes „Taschengeld“ zur freien Verwendung erhalten Alleinlebende 6.000 Schekel (ca. 1.500 Euro), Familien für jedes Mitglied 4.000 Schekel. Der Kibbuz SharHagolaan ist ökonomisch sehr erfolgreich, er betreibt neben der landwirtschaftlichen Produktion auch eine kleine Börsen notierte Plastikröhren-Fabrik. Diese Produktion ist so erfolgreich, dass in diesem Jahr jedem Mitglied ein Bonus von 30.000 Schekel gezahlt wurden.
Das Kibbuz-System sorgt dafür, dass alle Kibbuzim ruhig schlafen können und sich über Krankenversicherungsbeiträge, Arbeitslosigkeit, Mieten, die Höhe der Rente (Altersarmut) etc. keine Sorgen machen müssen und deshalb sehr alt werden. Das älteste Mitglied in SharHagolaan ist zur Zeit 108 Jahre alt.
In dem Kibbuz ist eine Firma die Kunststoffrohre für Fußbodenheizungen erstellt. Das Geschäft läuft so toll, dass sich die Mitglieder des Kibbuzim vor Jahren entschlossen haben mit der Firma an die Börse zu gehen. Alle Mitglieder sind an den Aktien beteiligt und bekommen jährlich eine Dividende von bis zu 30.000 Schekel. (Für Ehepaare) Nurit, unsere Gesprächspartnerin, ist sehr glücklich mit der Situation, glaubt aber nicht, dass sich dieses sozialistische System (alles gehört allen) noch lange halten wird. „Es fehlt uns an Nachwuchs“, ihre vier Kinder leben alle außerhalb des Kibbuz.
Nach dem Gespräch machten wir uns auf den Weg um vom See im Norden Israels in das Zentrum von Israel/Palästina zu fahren: nach Jerusalem. In Beit Jala/bei Bethlehem werden wir bis Freitag im Gästehaus Talitha Kumi übernachten, dass der geneigte Leser/Leserin schon von mehreren Aufenthalten von mir kennt.
Auf dem Weg in den Süden durch die von Israel besetzte Westbank, machten wir , wie schon im letzten Jahr Stopp beim Freedomtheater in Jenin (http://www.thefreedomtheatre.org) , bei der Canaan Fairtrade Companie (www.canaanfairtrade.com) und bei den Samaritern auf dem Berg Garizim. In Nablus haben wir auch die wundervolle Knafeh gegessen.
Ich verweise gerne auf meine Berichte in meinem Blog. Hier der Bericht vom letzten Jahr,
Gegen 19 Uhr kamen wir in unserer Unterkunft für die nächsten 5 Nächte an, gespannt was uns die nächsten Tage bringen wird.
Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“
Zu sagen: Die Schrift ist erfüllt, bedeutet einen Anspruch für uns. Unsere enge und ausgrenzende Glaubenslehre wird in Frage gestellt. Wir sind herausgefordert, mehr mit-leidende und Christus-ebenbildliche Menschen zu werden.
Von Naim Stifan Ateek
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