Heute an unserem ersten Tag in Palästina hatten wir gemäß unserem Programm folgenden Plan:
Gang zur Schutzmauer in Bethlehem. Besuch des Lajee-Centers im Aida-Flüchtlingscamp in Bethlehem. Besuch des „Banksy Walled-off-Hotel“.
Fahrt nach Hebron und Besuch der Patriarchen Gräber. Gang durch die Altstadt, wenn möglich Gespräche mit Freiwilligen von EAPPI, eine Menschenrechts-Beobachtungs-Organisation des Weltkirchenrates. Anschließend werfen wir einen Blick in eine Glasbläser- und Keramikwerkstatt. Auf der Rückfahrt besuchen wir auf dem Weinberg der Familie Nassar das Friedensprojekt Tent of Nations.
Ich möchte dem interessierten Leser/Leserin auch mal kurz Anteil nehmen lassen, wie sich ein solch umfangreiches Tagesprogrammes für den verantwortlichen Leiter denn auch tatsächlich realisieren lässt.
Ich erfuhr gestern Abend, das wir erst gegen 10 das kleine Museum im “Banksy-Walled-Hotel“ besichtigen können. Das bedeutet, wir können später nach Hebron fahren. Ebenfalls erfuhr ich durch unsere Guide Faten Mukarker, das das Gespräch mit Mitarbeitern des Lajee-Centers im Flpchtlings-Camp Aida, nicht stattfinden kann. Bedingt durch den Wechsel auf die Winterzeit (auch hier in Israel&Palästina) geht gegen 17 Uhr die Sonne unter,, was bedeutet, das wir auch nicht zu spät auf den Weinberg kommen dürfen, weil wir sonst nichts mehr sehen. Da wir bedingt durch das riesige Verkehrschaos in Hebron was hohen Verkehrsaufkommen, viel Zeit bei der An- und Abreise brauchten, haben wir kurzer Hand auf den Besuch der Glasbläser- und Keramikwerkstatt verzichtet. Kurz gesagt, für mich als verantwortlicher Begleiter, bedeutet so ein tag auch einen immensen (zeitlichen) Druck. Aber wie es auch sei, diese Anspannung muss ich aushalten.
Für die meisten in meiner Gruppe, haben die Erlebnisse heute, an der Mauer in Bethlehem und in Hebron besondere Wirkung entfaltet. Für Jedem der die Dimensionen der Mauer zum Ersten mal sah, konnte man die Überraschung und das Erschrecken förmlich ansehen. Noch stärker war die Reaktion in Hebron zu spüren. Dort, wo im Herzen der größten Stadt Palästina, bedingt durch 700 jüdische Siedler, eine Geisterstadt entstanden ist, wo schwerbewaffnete Soldaten durch die schmalen Gassen der Altstadt patrouillieren, war eine große Betroffenheit bei allen Gruppenmitgliedern zu spüren.
Früh am Morgen haben wir nach dem Gang an die Mauer, in unmittelbarer Nähe des Flüchtlingslagers Aida, das im März im Hotel des großen, weltbekannten aber nach wie vor unbekannten britischen Street-Art-Künstler Banksy eröffnete Museum besichtigt. Ich habe über das neue Hotel schon im April berichtet. Für die Realität bietet das Hotel ein eigenes Museum. Die Ausstellung informiert unter anderem mit einer Projektion auf einer Reliefkarte über die Rolle der Briten als Mandatsmacht in der Region, die Gründung des Staates Israel und die Geschichte des Sperrwalls, der Palästinenser heute hindert nach Jerusalem zu kommen.
Von der Stadt Hebron habe ich hier im Block schon oft berichtet, verweise da gerne auf mein Archiv. (siehe auch Link zum Beginn meines heutigen Blog-Beitrages)
Hier noch einige Zeit-Fakten zu Hebron:
1968 mieten sich eine Gruppe israelischer Juden in einem Hotelzimmer ein, angeblich um dort am Grab Abrahams das Pascha-Fest zu feiern. Vor Ort erklären sie das Hotel nicht mehr verlassen zu wollen.
1978 bewilligt die Knesset den Bau der in der Nähe von Hebron gelegenen Siedlung Kyryat Arba.
1980 übernehmen Bürger dieser Siedlung Häuser in der Altstadt von Hebron die bis 1930 jüdischen Bewohnern von Hebron gehört hatten
1984 wird in der Altstadt die erste Siedlung gebaut.
1994 erschießt der jüdische Siedler Baruch Goldstein muslimische 29 Gottesdienstbesucher.Über 100 werden verletzt. Die israelische Armee schließt daraufhin mit der Shuhada Straße die wichtigste Marktstraße Herbons. Den Palästinensern wird verboten ihre Läden zu öffnen
Sowohl in Bethlehem, als auch in Hebron war heute eine gewisse Anspannung zu verspüren. Größere Trupps von Soldaten, schwerbewaffnet zogen durch die Straßen. Den genauen Grund konnten wir nicht erkennen, aber vielleicht gab es ja auch gar keinen.
Zum späten Nachmittag waren wir dann noch auf dem Weinberg. Auch hier verweise ich auf mein umfangreiches Archiv, welche mit dem Stichwort Weinberg leicht in meinem Blog gefunden werden kann. Heute konnte man den fortschritt am Bau der Thora-Schule „bewundern“. Es gibt nun eine breite Zufahrtstrasse die auch der Besucher zum Weinberg nutzen kann. Nach Aussagen von Daoud Nassar hat der Unterricht begonnen. Bleibt nun abzuwarten, ob und wenn ja welche Auswirkungen dieser Schulbetrieb auf den Weinberg haben wird.
In gewohnter Weise hat uns Daoud die Mut machende Strategie für die Arbeit hier auf dem Weinberg vermittelt:
Wie er die negative Frustration in positive Energie umwandelt. Er ist sich sicher: „Die Gerechtigkeit wird siegen“
Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“
Wir Juden sahen uns als einmalig in der Geschichte an, da wir unsere Existenz im Exil über 2000 Jahre aufrecht erhalten hatten, bevor die Rückkehr in die Heimat unserer Ahnen durch die Umstände, internationaler Übereinkommen und Schuldgefühle möglich wurde. Aber das ändert nichts daran, dass wir dennoch Kolonialisten wurden. Ideologische Vorstellungenund Verbindungen mit imperialistischen Staaten führten dazu, dass die Juden begierig waren, sich selbst als die Bastion der westlichen Zivilisation im „primitiven Nahen Osten“ zu sehen.
Von Rabbiner Jeremy Milgrom (Mitbegründer der „Rabbis for Human-Rights“)
Der lange Weg zur Gerechtigkeit ist bedroht. Wir haben ein System wie in Südafrika vor 1992. Der einzigste Unterschied ist, GOTT ist angeblich auf deren Seite. Mann sollte wirklich keine grosse Hoffnungen machen.
Irgendwann wird vor dem Weinberg ein Container gebaut.! Ich hoffe es nicht.
Der einzige Weg zur Gerechtigkeit ist das Verlangen unsere zivile Rechte in einem Staat. Was leider nicht mehr realistisch ist. Israel spielt auf Zeit. Die beste Vertreibung, leise und ohne Krieg, ist die Besatzung.
Die EU und die Araber verwalten das Problem. Manchmal frage ich mich wie würde der Nahe Osten aussehen, wenn dort Frieden wie in Westeuropa herrschen könnte.
Ich wünsche eine wunderbare Reise.