Daoud Nassar: „Mit Hass zerstört man sich nur selbst“

Am heutigen Tag haben wir, bei weiter doch recht schönem Wetter, am Vormittag einen Besuch in dem am Rande der Westbank so schön gelegenen Dorf Battir gemacht. Anschließend sind wir zu meinem „Geburtsort“ hier in Palästina gefahren, da wo alles anfing: dem „Friedensort Tent of Nations“. 

Unsere Gruppe hat heute einen kleinen „Zuwachs“ bekommen: meine ehemalige Kollegin Andrea, und ihre Tochter Anna, werden für einige Tage an unserem Programm teilnehmen. Durch Andrea habe ich im Übrigen Fatima (Im Magdolin) kennengelernt. 2013 hat mir Andrea diesen, für meine dann zukünftigen Aufenthalte in Palästina, so wichtigen Tipp gegeben. 

Kurzfristig haben wir am Morgen entschieden auch der deutschen Privatschule hier in Beit Jala, „Talitha Kumi“, einen kurzen Besuch abzustatten. Ich hatte im letzten Jahr den derzeitigen Schulleiter, Matthias Wolff, kenngelernt, der sich spontan bereitfand unserer Gruppe für ein kurzes Gespräch zu empfangen, um der Gruppe ein wenig zu dieser Schule zu erzählen. Das ich schon häufiger die Schule besucht habe, verweise ich, wie bekannt, auf das Stichwort Talitha Kumi am Schluss des Beitrages. Hier könnt ihr alle meinen bisherigen Beiträgen zu dieser Schule lesen.

mit dem Schulleiter Matthias Wolff auf dem Kirchendach von Talitha Kumi

Matthias Wolf hob noch einmal die verschiedenen Aufgaben der Schule hervor: Kindergarten, Schule, Berufsschule, Ökologisches Projekt und ein Gästehaus. Insgesamt gesehen haben die derzeitig, in vielen Regionen der Westbank aufbrechenden, gewalttätigen Zusammenstöße mit Siedlern oder dem Militär, die Region in der die Schule liegt noch nicht erreicht. Dennoch ist eine gewisse Anspannung bei der hiesigen Bevölkerung schon zu spüren: wie geht es weiter mit den Auswirkungen die vielfach der neuen israelischen Regierung geschuldet ist?

Im Anschluss an unseren kurzen Schulbesuch ging es ins nahe gelegenen wunderschöne Battir. Auch zu diesem Ort, den ich ebenfalls schon des Öfteren besucht habe, könnt ihr meine Beiträge mit dem Stichwort Battir abrufen. Heute hatten wir spontan einen örtlichen Guide engagieren können: Mariam, die uns auch schon mal in ihrer impulsiven Art etwas vorsang. Sie erzählte uns etwas zur Geschichte des Ortes, der ja im Jahre 2014 durch die UNESCO in die Liste der Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Unseren Aufenthalt beschlossen wir mit einem Besuch im örtlichen Cafe, wo uns, bei herrlicher Aussicht auf das wunderschöne Tal mit der Eisenbahnstrecke Tel Aviv-Jerusalem, gute arabischen Speisen zu äußerst kostengünstigen Bedingungen, serviert wurden. Beim Koordinationskreis Palästina Israel, ist eine Mitgliedsgruppe der Arbeitskreis Battir-Brühl. Auf dessen Homepage findet ihr weitere wichtigen und interessanten Infos zu Battir

toller Blick: Tal mit Bahnstrecke Tel Aviv-Jerusalem

Dann ging es zu dem aus meiner Sicht „Höhepunkt des Tages“: dem Weinberg der Familie Nassar, dem Tent of Nations, welcher nicht sehr weit (10 km) von Battir entfernt liegt. Auch hier weise ich schon zu Beginn auf die Stichworte „Tent of Nations“ und „Weinberg“ hin, wo ihr meine vielen bisherigen Beiträge einsehen könnt. Auch auf der erneuerten Homepage findet Ihr weitere Infos zum Tent of Nations.

Ich kenne den Weinberg nunmehr seit 11 Jahren und trotzdem ist es für mich immer wieder ein besonderer Augenblick, wenn ich über die Kuppe komme und den Weinberg in all seiner Pracht in dieser schönen Landschaft vor mir sehe. Erst der zweite und genauere Blick lässt mich dann die bekannten „Wermutstropfen“ wahrnehmen: den Roadblock der seit 2003 die Zufahrt versperrt, die immer größer werdenden Siedlungen die den Weinberg scheinbar „erdrücken“ und eben die Thora-Schule am Roadblock, wo mittlerweile der 2. Bauabschnitt weit fortgeschritten ist.

Wie Daoud im Gespräch betonte, wisse man derzeit nicht, ob nicht auch in Zukunft diesen jüdischen Schülern irgendwann einmal sich einen „Spaß“ daraus machen, auf dem Gelände des Weinberges Zerstörungen vorzunehmen.

Gespräch in einer der neun Höhlen auf dem Weinberggelände

Seit 1990 versucht die Familie Nassar zu erreichen, dass der Besitz des 44 ha großen Geländes, welches die Familie 1916 mit Papieren käuflich erworben hat, gerichtlich anerkannt wird. Ein Neujahrsbrief von Daoud, den er am 23. Januar 2023 geschrieben hat, beschreibt gut die derzeitige Situation. Ihr findet diesen Brief hier

Zum in seinem Brief genannten nächsten Gerichtstermin am 12 Februar ist der staatliche Abwesenheitsverwalter (Staatsanwalt) zu der Sitzung nicht erschienen. Der Anwalt der palästinensischen Familie aus Nahalin, des einzigen verbliebenen Einspruchsführers, war anwesend. Sie müssen dem Ausschuss und unserem Anwalt in den nächsten Tagen Unterlagen zur Untermauerung ihrer Ansprüche vorlegen, um die hoffentlich endgültige Anhörung am 2. März vorzubereiten.

Aber auch dieser Termin ist ohne Ergebnis verlaufen, ein nächster Termin ist am 15. Mai angesetzt

Auf eine Frage aus unserer Gruppe, wie Daoud, diese schwierige Situation scheinbar gelassen aushalte, meinte er: „Mit Hass zerstört man sich nur selbst“

Daoud ist dankbar, dass ihn und seine Familie so viele Menschen, in so vielen Ländern, unterstützen und so seine Familie auf dem Weg der Gerechtigkeit begleiten. Heute war eine Gruppe mit 25 internationalen Studenten, die derzeit in Jerusalem studieren auf dem Weinberg. Sie haben 150 Olivenbäume gepflanzt. 

Welch ein starkes Signal der Solidarität

Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Haben wir nicht alle einen Vater?

Hat uns nicht ein Gott geschaffen?

Warum verachten wir denn einer den anderen,

und entweihen den Bund unserer Väter?    (Mal. 2,10)

zum Abend ein kurzer Besuch beim Kloster „im geschlossenen Garten“im Artas-Tal gelegen
Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*