Hier kann man oft nicht mal einfach…

 Als ich heute Morgen zu Faten sagte ,dass ich heute gerne mal durch das Cremisan-Tal wandern wolle, und zwar nicht, wie ich es schon oft gemacht habe, auf halber Höhe da wo die beiden Klöster stehen, sondern im Tal. Oft habe ich bei der Busfahrt nach Jerusalem von der Brücke ins schön anzuschauende Tal gesehen und gedacht, dort müsstest Du mal wandern. Noch letzte Woche, als ich mit Stephan auf unserer Wanderung von Battir nach Beit Jala noch einen Abstecher in das parallel verlaufende Cremisan-Tal machen wollte, haben wir den Weg in die „Talsohle“ nicht gefunden. Heute weiß ich warum.

Brücke über das Cremisan-Tal
Brücke über das Cremisan-Tal

An anderer Stelle habe ich in meinem Blog berichtet über den jahrelangen Rechtsstreit um den Bau einer Mauer, die quer durch das Cremisan-Tal führen soll. Hier ist erst vor einigen Tagen durch das oberste israelische Gericht – wie schon im Falle Battir-  ein für die betroffenen Menschen sehr positives Urteil gefällt worden. Hierzu Radio Vatikan: http://de.radiovaticana.va/news/2015/04/03/israelisches_höchstgericht_verbietet_mauer_im_cremisantal/1134232
Faten, die selbst auch noch nicht durch das Tal gewandert ist, fiel ein, dass eine gute Freundin, Margo, dort im Tal ein Haus besitze. Kurz entschlossen sind wir zu ihr gefahren, sie hat in Beit Jala ein weiteres Haus, in dem sie auch ein Geschäft mit schönen selbstgefertigten Handarbeiten (u.a. schöne Stickereien) betreibt.

Margo ließ uns gleich wissen, dass man so einfach nicht in das Tal hinein kommen würde.

Margo schließt "ihr" Tal auf
Margo schließt „ihr“ Tal auf

Am westlichen Ortsrand von Beit Jala, ungefähr da wo die mächtige Straßenbrücke das Tal überspannt, habe die israelische Militärverwaltung vor einigen Jahren eine Sperre errichtet. Damit keine Missverständnisse aufkommen: es handelt sich um palästinensisches Gebiet. Neben Margo`s Familie wohnt noch eine weitere Familie in dem nun abgesperrten Arial. Beide Familien besitzen einen Schlüssel für das Tor. Hinter dem Tor stand ein altes Auto welches mit israelischen Kennzeichen versehen war. Margo darf auf diesem Talweg nicht mit ihrem palästinensischen Fahrzeug fahren. Wir sind ungefähr 2-3 km den breiten

Das Cremisan-Kloster auf der gegenüberliegenden Talseite
Das Cremisan-Kloster auf der gegenüberliegenden Talseite

Talweg gefahren, rechts auf der Höhe die Siedlung Gilo (auf Land der Gemeinde Beit Jala errichtet), links sind die beiden Klöster auf halber Höhe zu sehen, über diesen Gebäuden auf der höchsten Erhebung im gesamten Gebiet, eine weitere Siedlung Har Gilo. Hier steht das Ende des 19. Jahrhundert gebaute Haus von Margo. Sie kommt jeden Tag mehrmals hier hin, weil sie befürchtet sonst die Aufenthaltsgenehmigung entzogen zu bekommen. Sie hat dort einen schönen großen Garten, mindestens 20 Hühner und auch einige Hunde und Katzen. Auch das  alte Wohnhaus ist schön eingerichtet. Nebenbei erfuhr ich, dass sie für den vorgenommenen Anbau, in dem sie die Küche und ein Bad eingebaut hat, an Israel 47.000 Schekel Strafe zahlen musste, da sie den Anbau ohne Baugenehmigung (die sie nie erhalten hätte) erstellt hatte.

Nebenan wohnt ihr Sohn mit seiner jungen Frau und einem Kleinkind.

Gilo
jüdische Siedlung Gilo oberhalb des Hauses

Dieses Haus ist mit mehreren Kameras „abgesichert“. Dort stand nur ein ganz schmales Haus. „Illegal“ hat die Familie das Haus „in den Fels erweitert“, so das jetzt genügend Platz für die ganze Familie ist. Strom bezieht die Familie im Übrigen vom ca 500m entfernten Cremisan-Kloster von der anderen Talseite. Gilo oberhalb gelegen ist vielleicht hundert Meter entfernt.
Nachdem ich erfahren hatte, dass man den Weg weiter gehen kann und dann an den Stadtrand von Jerusalem gelangen würde, habe ich mich von Faten und Margo verabschiedet. Nach etwa 2 km sah ich links einen Checkpoint und dahinter die Bahntrasse auf der der Zug von Tel Aviv nach Jerusalem fährt. Bald schon war ich an der Straße angekommen. Kein Hinweis dort, dass der Weg am Zaun bei Beit Jala endet. Nach ca. weiteren 15 Minuten hatte ich den Stadtrand von Jerusalem erreicht.

wunderschöne Landschaft ....aber abgesperrt für die Bürger von Beit Jala
wunderschöne Landschaft
….aber abgesperrt für die Bürger von Beit Jala

Mein Fazit dieser besonderen Wanderung: In Palästina kann man nicht mal einfach so planen, in einer wunderschönen Landschaft eine Wanderung zu machen. Die Militärverwaltung „schreckt“ vor keiner „Gemeinheit“ zurück. Unter der Überschrift „Sicherheit“, wird auch hier die nach Menschenrechten illegal in besetztem Gebiet gebaute Siedlung Gilo durch Absperrungsmaßnahmen „geschützt“, auch wenn dadurch den Bürgern von Beit Jala ein wunderschönes Naherholungsgebiet vorenthalten , und den Anwohnern ihr Grund und Boden „abgeschlossen“ wird.

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

2 Kommentare

  1. Tolle Aufnahmen, lieber Marius! Ich habe seinerzeit (2010/2011) Leute getroffen, die sich mit Wehmut an die Picknicks dort erinnerten. Die Bahnlinie übrigens führt exakt auf der „grünen Linie“ entlang und verdeutlicht, wie weit in palästinensisches Land die Israelis sich ausdehnen an dieser Stelle. An der Schranke zu Margos Haus habe ich auch schon gestanden.
    Grüße!
    Edelgard

  2. Lieber Marius, wenn ich das lese, was in der Tat,eine Realität ist, lehne es psychologisch ab, an einem Staat Palästina zu glauben. Mir erscheint das Leben in einem Staat realer und friedlicher. Mann kann so ein kleines Land, abgesehen von der uralten Geschichte, nicht teilen. Wir sollten uns von Illusionen verabschieden.

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