Laptop statt Tafel

Heute, am letzten Tag unserer Reise haben wir die zwei Schulen besucht:

Zum einen die Talitha Kumi, in deren Gästehaus wir ja seit Mittwoch einquartiert sind und  die Dar Al-Kalima-Schule die in Bethlehem ist.

Zu beiden Schulen habe ich bei früheren Besuchen schon etwas geschrieben: in Talita Kumi war ich schon öfters zu Gast, da könnt ihr auch das Stichwort auf der rechten Seite anklicken, die Dar Al-Kalima Schule habe ich vor zwei Jahren kennen gelernt.

Heute waren wir am Morgen zunächst in Talita Kumi Gast an einem Gottesdienst teilgenommen, in dem auch die diesjährigen Abiturienten verabschiedet wurden. Sie haben heute ihren letzten Schultag. In einigen Wochen beginnen dann für sie die schriftlichen Prüfungen. Seit 2008 gehört Talitha Kumi zu den deutschen Auslandsschulen. Die Schule bietet damit auch den international anerkannten Bildungsabschluss „Deutsche Internationale Abiturprüfung“ (DIA) an. Diese Qualifikation eröffnet palästinensischen SchülerInnen den Zugang zu Universitäten weltweit. Daneben ist weiterhin das Ablegen des palästinensischen Abiturs Tawjihe möglich, eine landesweite Zentralprüfung, die vom palästinensischen Erziehungsministerium nach Beendigung der 12-jährigen Schulzeit durchgeführt wird.

Der Einstieg in die deutsche und die englische Sprache erfolgt bereits im Kindergarten und wird in der Grund- und Oberschule fortgesetzt. Ab der 7. Klasse können die Schülerinnen und Schüler zwischen dem nationalen Curriculum (Tawjihi) und dem internationalen Curriculum (DIA) wählen. Von 30 Abiturienten In diesem Jahr werden 13 Schüler:innen ein „deutsches Abitur“ machen. Da die Bedingungen für das deutsche Abitur wesentlich schwerer sind als für das „einheimische“ palästinensische Abitur, ist es für die Schulleitung immer sehr schwer genügend Schüler:innen zu finden. Oft kommt es auch vor, dass Schüler:innen wieder wechseln. Eine Schülerin erklärte uns das heute damit, dass sie Plant Medizin zu studieren und Sorge hat das die „schlechte“ Abitursnote bei einem „deutschen Abitur“ dann nicht ausreicht.

Abitursjahrgang 2025

Bei unserem Besuch lernten wir auch die Schüler:innen kennen, die an dem Besuchsprogramm teilnehmen, das Gregor mit seinem Verein JugendInterKult organisiert. Sie haben sich uns kurz vorgestellt. Dabei erzählte uns ein Schüler dass er bereits 15 Musikinstrumente spielen könne. Sein Vater würde gar 30 (!) Instrumente spielen.

An beiden Schulen wurde „beklagt“, dass immer weniger Christen im Land seien. Gab es nach dem 2. Weltkrieg noch mehr als 10 % Christen im Westjordanland, sind es nunmehr weniger als 1 %…und ein Ende des „Exodus“ ist, gerade vor den immer schwierigeren Bedingungen, nicht abzusehen. So fatal es lingen mag: Möglicherweise tragen gerade die guten Schulnoten, das gute Abitur, das erfolgreiche Studium letztlich dazu bei, im Ausland einen gutgezahlten Job zu suchen. Welche Tragik für die Familien, die sich natürlich um eine gute Bildung fp ihre Kinder bemühen und aber eben auch für das palästinensische Volk hier.

Schnell haben wir den kurzen Weg von Beit Jala nach Bethlehem zur Dar Al-Kalima Schule mit einem Taxi zurückgelegt. Das Schulgebäude ist relativ neu, es wurde vor 25 Jahren fertiggestellt. Weitere Infos zur Schule findet ihr hier

5.Klasse beim Geschichtsunterricht

Zunächst hatten wir die Möglichkeit bei einer Prüfung zuzusehen. Schüler:innen hatten die Möglichkeit nach einem Jahr Deutschunterricht die DSD1/B1 Prüfung zu absolvieren. Es gibt nach den Regeln des Deutschen Sprach Diploms (DSD) ein zweistufiges Examen: Erste Stufe (DSD I) oder Erste Stufe für berufliche Schulen (DSD I PRO) werden Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) nachgewiesen. Ein DSD I bzw. DSD I PRO gilt als Nachweis der notwendigen deutschen Sprachkenntnisse für den Zugang zu einem Studienkolleg in Deutschland. Prüfung zum Deutschen Sprachdiplom – Zweite Stufe (DSD II) prüft Deutschkenntnisse auf den Niveaustufen B2/C1 des GeR. Ein DSD II-Diplom gilt als Nachweis der für ein Studium an einer bundesdeutschen Hochschule erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse. 

Wir hatten danach die Möglichkeit mit einer jungen Lehrerin aus Deutschland zu sprechen, die an der kath. Schule in Beit Sahur-Beit seit einigen Jahren den Deutsch-Unterricht gibt. Sie fühlt sich in der Schule sehr wohl, vertrat sogar die Ansicht, dass das Arbeiten hier in Palästina wesentlich mehr Spass mache. Ein Grund sei, dass durch viel weniger Verwaltungsvorschriften, die Lehrkraft ihre Kraft und ihr Engagement viel mehr wirklich in den Unterricht investieren kann. Auch das ganze Know How sei an ihrer Schule wesentlich fortschrittlicher als an ihrer Schule in Hessen wo sie zuvor tätig war. Die Digitalisierung ist hier wesentlich weiter fortgeschritten, meinte Sie: „Statt Schiefertafel können wir hier den Laptop benutzen.“ Letztlich seien aber auch die Schüler:innen ganz anders motiviert als in Deutschland, möglicherweise weil ihnen wohl relativ früh klar ist, klar gemacht wird, dass nur durch bessere Bildung ihre Wünsche in Erfüllung gehen können

Eine andere Lehrerin erzählte uns von ihren tagtäglichen Schwierigkeiten zur Schule zu kommen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Hebron, etwa 30 km von Bethlehem entfernt. Tagtäglich ist der weg zur Schule ein „Abenteuer“. Nie weiß man was einem an einem der zahlreichen Checkpoints passiert. Ein ganz schlimm Vorfall hatte sich vor einigen Wochen ereignet. Der Soldat am Checkpoint drohte sie mit der Waffe: „ich glaubte er wollte mich erschießen“ Se glaubt, dass nur die Tatsache, das sie mit ihm in deutsch gesprochen habe, habe sie letztlich gerettet. Immer wieder würden Menschen an den Checkpoints geschlagen, ohne irgendeinen Grund .

Es sind solch Geschichten, die alltäglich hier passieren, die mich sehr bedrücken, aber eben mich immer wieder auch „staunen“ lassen, wie die Menschen, die solches hier erleben, damit (scheinbar) unbeeindruckt umgehen. Wenn man losfährt um von A nach B zu kommen, schaut man eine App die einem sagt welche Checkpoints offen sind. Ist er dann doch geschlossen, fährt man zu einem anderen, ist der geschlossen geht es zum Nächsten und so weiter und sofort…..

An beiden Schulen wurde „beklagt“, dass immer weniger Christen im Land seien. Gab es nach dem 2. Weltkrieg noch mehr als 10 % Christen, sind es nunmehr weniger als 1 %…und ein Ende „Exodus“ ist, gerade vor den immer schwierigeren Bedingungen nicht abzusehen. Möglicherweise tragen gerade die guten Schulnoten, das gute Abitur, das erfolgreiche Studium dazu letztlich bei, im Ausland einen gutgezahlten Job zu suchen. Welch Tragik für die Familien, aber eben auch für das palästinensische Volk hier.

Abschiedsessen mit der Großfamilie Nassar (Bericht morgen)

Tageszitat (22.März) aus „Recht ströme wie Wasser“

Bestimmte Dinge kann ich nicht tun, 
weil ich danach nicht mehr in der Lage sein würde, 
mit mir zusamm
enzuleben (Martin Buber)

Über Marius S. 414 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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