Heute war unser erster „Bethlehem-Tag“.auf dieser Reise. Wie haben die Mauer „besichtigt“, haben einen aktuellen Eindruck von einem der drei, auf Bethlehemer Grund befindlichen, Flüchtlingslagern gewonnen und schließlich dem seit einigen Jahren existierenden Hotel des berühmten Streetart-Künstlers Banksy einen Besuch abgestattet.
Zum Nachmittag sind wir dann in den Süden des Westjordanlandes gefahren, haben einen Blick in die, durch eine, mitten in der Altstadt befindliche, israelische Siedlung, schwer beeinträchtigte, größte palästinensische Stadt Hebron, genommen und sind zum Nachmittag in die Region Yatta gefahren, um mehr über die Arbeit eines deutschen Teilnehmers an dem ökumenischen Begleitprogramms des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zu erfahren.
Kurz zusammengefasst könnte man den heutigen Tag drei Themen geben:
Es geht um Flüchtlinge, die Mauer und die Siedler
Zunächst haben wir am Morgen das Flüchtlingscamp „Aida“ besucht, welches unmittelbar an der Mauer liegt. Damals 1948 waren etwa 1.200 Flüchtlinge dort in Zelten untergebracht. Mittlerweile leben dort mehr als 7.000 Menschen in sehr beengten Wohnverhältnissen. Ich habe schon mehrfach über dieses, aber auch über andere Lager berichtet. Ihr findet diese Berichte unter dem Stichwort Flüchtlingslager am Schluss des heutigen Beitrages.
Anschließend haben wir dem „Banksy-Hotel“ dem Walled Off Hotel, ebenfalls dierekt an der Mauer in Bethlehem gelegen einen Besuch abgestattet. Es ist das erste und einzige Hotel weltweit von dem berühmten Graffiti Künstler Banksy. Es ist ein einzigartiges Kunstwerk und soll den Besuchern in seiner ganzen Aufmachung und Gestaltung das Gefühl der Besatzung und der Bedrücktheit näherbringen.
An der Eingangspforte des Hotel empfangen ein Affe und der freundliche Pförtner die Gäste. Die Fassade wurde in einer Nacht und Nebel Aktion von Banksy selbst angemalt. Auch über dieses einzigartige Projekt von Banksy, dem nachwievor unbekannten Künstler aus England habe ich schon oft geschrieben (siehe Stichwort)
Immer wieder bin ich vor allem von dem im Hause befindlichen kleinen Museum tief beeindruckt. Hier wird der Konflikt zwischen den Israelis und den Palästinensern mit oft beeindruckenden visuellen Mitteln näher beschrieben und erklärt. Es müsste jeder touristische und politische Israelbesucher verpflichtet werden sich diese Ausstellung anzuschauen.
Habe eine interessante Webseite zu diesem so einzigartigen Projekt gefunden und bedingt ansehen
Anschließend sind wir nach Hebron gefahren. Auch von dieser besonderen Stadt habe ich schon häufig geschrieben (siehe Stichwort). Heute am Freitag, dem Sonntag der Muslime, bestand nicht die Möglichkeit die Ibrahim-Moschee zu besuchen. So sind wir in die ebenfalls diesem großen Gebäudekomplex angeschlossene Synagoge gegangen, von wo man ebenfalls einen Blick auf Abrahams Sarkophag nehmen kann. Wie bekannt ist die militärische Präsenz dieses ganzen Distriktes enorm. Grundsätzlich wurde ich an jedem Posten (alle paar Meter) zur Gruppe befragt: Wie groß ist die Gruppe, seid ihr Christen, ist jemand Moslem?
Man fragt sich schon, was gewesen wäre, wenn wir eine religiös gemischte Gruppe gewesen wären.
Gegen 14 Uhr haben wir dann in Zils, einem kleinen palästinensischen Ort, etwa 15 km von Hebron entfernt Rudolf Rogg getroffen, der mit mir in der Nahost-Kommission von pax christi mitarbeitet und derzeit für drei Monate als Freiwilliger im Rahmen des Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) mitarbeitet. Mehr über dieses Programm findet ihr hier.
Rudolf ist seit Mitte Januar in der Gegend südlich von Hebron eingesetzt. Ich selbst war dort schon einmal 2014 mit einer Tour von „Breaking the Silence“ in den Hügeln südlich von Hebron. Anschließend im Jahr 2020 habe ich einen weiteren Blogbericht geschrieben. Hier mein damaliger Bericht.
Mehr über die grundsätzlichen Aufgaben dieser Beobachter:innen, wie auch verschiedene Einsatzberichte, so auch von Rudolf liegt ein Bericht vor, findet ihr auf der Webseite des EAPPI Netzwerk Deutschland e.V., dem Zusammenschluss ehemaliger deutscher Teilnehmer:innen. Mit Rudolf und drei weiteren derzeitigen Mitarbeiter:innen aus Schweden, Norwegen und Kolumbien sind wir zu einem Beduinencamp Namens Umm Al Khair einem vor allem von Beduinen bewohnten Dorf das inzwischen von der benachbarten Siedlung Karmel stranguliert wird, und nach Süden das Weideland an die „Shooting Zone“ verliert. Im Dorf hat uns der englischsprachiger Beduine Tharek Hathaleen die Geschichte seiner Beduinengruppe und die derzeitige Lage geschildert. Diese Gruppe ist im Jahr 1948 aus dem Negev nach hier geflüchtet. Sein Großvater konnte hier 1960 Land für die 33 Familien käuflich, mit Papieren, erwerben. 1980 kamen dann die ersten Siedler und errichteten in den folgenden Jahren die Siedlung Karmel. Im Laufe der Zeit wurde das Leben für die beduinischen Familien immer schwerer. Ihnen wurden Zug um Zug Weidegebiete weggenommen und heute können sie ihre Ziegen oft nicht mehr aus dem Gatter lassen. Brunnen wurden zerstört. Heute lassen die Siedler ihre Ziegen auf dem von den Beduinen gepflanzten Getreide „grasen“. In den letzten Jahren wurden 16x die Unterkünfte zerstört. Tharek schilderte eindrucksvoll, wie eine solche Aktion abläuft. Am frühen Morgen kommt die Info, das die Behausung zerstört wird. Die ganze Familie muss dann sofort ihre Unterkunft verlassen. Dann werden durch Helfer das „Hab und Gut“ der Familie ausgeräumt. Dann kommt der Bulldozzer und zerstört die Räumlichkeiten in wenigen Minuten. Es gibt, Gott sei Dank, immer wieder Organisationen, die anschließend den Familien helfen wieder eine Unterkunft aufzubauen. Wie sagte Tharek zum Schluss seines mit bewegenden Worten gehaltenen Vortrages: wir wollen hier doch nur friedlich und in Ruhe auf unsrem Grund leben, warum will man uns hier vertreiben. Mehr Infos zur aktuellen Situation durch Rudolf findet ihr hier
Anschließend sind wir mit dem Bus ein paar Kilometer nach Südosten an den Rand der „Feuerzone“ gefahren, wo uns Tarek die Lage von Masafar Yatta geschildert hat. Hier hat nach über 20jährigem Rechtsstreit das Oberste Gerichtshof Israels am 4. Mai 2022 entschieden, dass die Räumungsanordnungen gegen 8 palästinensische Dörfer im südlichen Westjordanland mit über 1.000 Bewohner:innen – die Hälfte von ihnen Kinder – zugunsten der Durchsetzung eines israelischen militärischen Übungsgeländes (Firing Zone 918) rechtmäßig sind. Hier ist man sich einig, dass diese Feuerzonen, wo das israelische Militär „trainieren“ kann, lediglich dazu dient, Gebiete den Palästinensern wegzunehmen und sie irgendwann den Siedlern zur Verfügung zu stellen. Es gibt ein Positionspapier das eine Gruppe um Nabila Espanioly erstellt hat, das findet ihr in meinem Blog unter Gastbeitrag
EAPPI regt zu Masafer Yatta eine Briefaktion an. Mehr dazu hier
pax Christi hat in diesen Tagen zu der drohenden Vertreibung eine Pressemeldung veröffentlicht
Heute passt es nun auch, dass ich auch auf die aktuell laufende Aktion von KoPI zum 75. Gedenkjahr der NAKBA verweise, das an die Vertreibung von 700.000 Palästinenser:innen in den Jahren 1947/48 erinnert. Unter dem Motto 75 Jahre Israel = 75 Jahre Vertreibung der Palästinenser (NAKBA) haben wir Informationen zur NAKBA herausgegeben. In vielen Städten und Gemeinden bundesweit finden zu diesem Thema Veranstaltungen statt
Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“
Die überarbeitete Streckenführung der Mauer gliedert 365 744 Siedler, d.h. 83% der israelischen Siedlungsbewohner: innen, in den Staat Israel ein. Der Bericht „Siedlungen und die Mauer“ der Palestinian Academy for Israel the Study of International Affairs stellt hierzu fest: „Israel reduziert nicht nur die Nutzfläche, den territorialen Zusammenhang und die wirtschaftliche Lebensfähigkeit eines palästinensischen Staates, sondern sie blockiert den eines funktionsfähigen Staates und die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung“
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