Wir weigern uns Feinde zu sein

Unser heutiges Programm sah zu nächst vor das wir dem Tempelberg in Jerusalem mit seinem weltbekannten Felsendom einen Besuch abstatten wollten. Obwohl wir schon um 7.30 das Hotel verlassen haben mussten wir unser Vorhaben für viele schweren Herzens absagen. Hintergrund war zunächst ein langer Stau, der uns erst gegen 9.00 Uhr vor Ort sein ließ, dann trafen wir auf eine so riesige Menschenschlange, dass wir keine realistische Möglichkeit sahen in dem engen Zeitfenster in dem Nicht-Muslime auf den Tempelberg können (8-10 Uhr) durch die strengen Sicherheitskontrollen zu kommen.

Der Tag beginnt in Bethlehem

Kurz entschlossen haben wir uns auf einen Wall-Walk begeben und sind vom Jaffa-Tor auf der alten Stadtmauer bis zum Löwentor gelaufen. Eine besondere und eindrucksvolle Sich auf und in die Altstadt.
Einige der Gruppe blieben in Jerusalem und haben sich zur zentralen israelischen Holocaust-Gedächtnisstätte Yad Vashem begeben.

Der Rest der Gruppe fuhr zurück nach Bethlehem um sich im Trauma-Zentrum „Wings of Hope“, einer im Jahre 2011 gegründeten gemeinnützigen nichtstaatlichen Organisation über deren Arbeit zu informieren. In dem Hilfezentrum finden Menschen traumatherapeutische Unterstützung. Die Therapie hilft den Klienten aus ihrer passiven Opferrolle herauszukommen und neue Zukunftsperspektiven aufzubauen und neue Hoffnung zu gewinnen. „Aus Opfern werden Überlebenskünstler“ so Ursula Mukarker, die Leiterin des Zentrums. Wie erfuhren auch wie schwierig es ist in einer arabisch geprägten Gesellschaft eine solche Einrichtung zu integrieren.
Weitere Infos unter: www.woh-for-trauma.com

Am Nachmittag haben wir dann dem weltbekannten Friedensprojekt „Tent of Nations“ einen Besuch abgestattet. Ich selbst war im April/Mai für drei Wochen dort und habe meine ganzen Erlebnisse in diesem Blog im Archiv gespeichert. Genaueres zum Tent of Nations und zum Problem der Landenteignung findet man unter der entsprechenden Bezeichnung in der Kopfzeile des Blogs.

Daher`s Weinberg mit dem Tent of Nation`s

Natürlich war die Freude bei Daher Nasser und mir groß über unser Wiedersehen. Ich konnte viel an Informationen zum Leben hier auf dem Weinberg beisteuern und erzählen was ich hier getan habe.

Daher der Landwirt (li) und Daoud der Inspirator des Tent of Nations

Mit Daoud Nasser dem jüngeren Bruder von Daher und sicherlich der „Inspirator“ dieses Projektes haben wir dann die Gelegenheit über seine aktuellen Aktivitäten und seinen Vorstellungen zu sprechen. Nachfolgend zitiere ich aus einem Rundbrief den er vor kurzem verschickt hat und der gut die derzeitige Situation wieder gibt:
Am Sonntag, 26. August kam erstmals seit 10 Jahren eine Gruppe von 12 jüdischen Siedlern auf unser Grundstück, die über den Zaun gesprungen waren. Wir versuchten, mit ihnen zu reden, aber sie ignorierten uns. Es könnten Wanderer gewesen sein, aber vielleicht hatten sie auch etwas anderes im Sinn.
Während der Sommermonate sind wir damit beschäftigt, die vielen im Winter gepflanzten Bäume zu bewässern. Das ist für uns eine große Herausforderung, da wir keinen Zugang zu fließend Wasser haben, aber wir bewässern die Bäume mit dem Regenwasser, das wir in den Wintermonaten in unseren Zisternen gesammelt haben. Dies ist noch immer nicht genug, aber wir versuchen, es irgendwie zu schaffen. Besonderer Dank gilt all denen, die Bäume gesponsert haben.
Vom 9.-22. Juli konnten wir unser 11. Sommerlager für Kinder durchführen. Das Motto war: “Mit Herz und Hand verändern wir das Land”. 50 Kinder aus der Region Bethlehem und aus drei Flüchtlingslagern nahmen daran teil. 20 internationale Volontäre waren auch dabei und betätigten sich in Kreativ-Workshops für Kinder, wie Malen auf großen und kleinen Steinen, Geschichten schreiben, Theater, Sport und Musik. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, diese Kinder zu ermutigen, ihre Talente und Fähigkeiten selbst zu entdecken und sie zu inspirieren, eine Rolle bei der Gestaltung ihrer Gesellschaft zu spielen. n und denjenigen, die beim Pflanzen geholfen haben. Wir danken ganz herzlich für diese Unterstützung und die Solidarität.
Von Januar bis August 2012 konnten wir 4952 Besucher aus verschiedenen Ländern bei Tent of Nations willkommen heißen: 1275 aus USA (inkl. Amerikanische Juden), 366 aus den Niederlanden, 781 aus Deutschland, 574 aus Palästina, 204 aus Schweden, 195 aus GB, 158 aus Österreich, 541 aus Italien, 74 aus Schottland, 328 aus Israel, 48 aus Norwegen 40 aus Belgien, 38 aus Kanada, 10 aus Japan, 30 aus Spanien, 124 aus der Schweiz, 4 aus Neu Seeland, 75 aus Frankreich, 62 aus Australien und 25 aus Luxemburg. In den nächsten vier Monaten erwarten wir weitere Gäste. Dies überstieg wirklich all unsere Erwartungen!

Scheinbare friedliche Abendstimmung über Dahers Weinberg

Wenn man Daoud zu hört ist man beeindruckt von seinem festen Standpunkt und seiner Haltung, sich zu weigern Feind zu sein, wie es auf einem Stein am Eingang steht und keinen Hass aufkommen zu lassen. So war die Reaktion auf den Besuch der 12 Siedler, die ja letztlich „ungebetene“ Gäste waren und wo es „im Bauch schon gerummelt habe“ die ungute Energie in gute zu wandeln: Es wurde mit dem Bau einer neuen Zisterne begonnen…
Mehr Infos über das Tent of Nation unter www.tentofnations.org

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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