Im Zentrum von Hass und massiven Auseinandersetzungen: die „Patriarchen“ Stadt Hebron

Heute am christlichen Sonntag haben wir zunächst dem in der Nähe von Bethlehem gelegenen katholischen Kloster zum „verschlossenen Garten“(Bezug zum Hohen Lied des Salomon) einen Besuch abgestattet. Hier wurden wir von Schwester Maria Rosa, einer sehr engagierten gebürtigen Argentinierin überaus freundlich empfangen. Das Kloster bietet für etwa 100 Kinder aus dem angrenzenden Palästinenser Ort Artas einen Kindergarten an. Schwester Maria Rosa führt darüber hinaus die örtliche erste Hilfe Station.

Das Kloster zu dem verschlossenen Garten

Anschließend statteten wir dem Berg Herodeion einen Besuch ab. Hier hat Herodes eine prächtige Festung errichtet.
Anschließend sind wir in die etwa 20 km entfernte Stadt Hebron gefahren. Nachfolgend zunächst etwas zur Geschichte und politischen Entwicklung dieser größten palästinensischen Stadt, die seit Jahren im Zentrum gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und einheimischen Palästinensern steht
Hebron/AlKhalil (sowohl arabisch wie hebräisch Freund – von „Freund Gottes“, einem Beinamen des gemeinsamen Stammvaters Abraham) liegt ca. 26 km südlich von Jerusalem entfernt und ist eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte der Welt. 1917, im Verlauf des 1.Weltkrieges wurde Hebron britisch besetzt und anschließend Teil des „Mandatsgebietes“ Palästina. Bei landesweiten Unruhen 1929, wurden 57 jüdische Bewohner der Stadt von ihren arabischen Nachbarn umgebracht. Im Zuge des Pogroms wurde die gesamte jüdische Bevölkerung vertrieben. Festzustellen ist aber auch, dass die arabische Bevölkerung von Hebron damals viele ihrer jüdischen Mitbürger vor dem Tod gerettet hat. 1948 annektierte Jordanien das Westjordanland, bis Israel im Sechstagekrieg 1967 das Westjordanland eroberte und Besatzungsmacht wurde.
Nach der Eroberung der Westbank achtete die israelische Regierung streng darauf, dass sich Juden nicht wieder in Hebron ansiedelten und neue Unruhen provozierten. Sie konnte/wollte aber nicht verhindern dass 1968 der Rabbi Mosche Levinger mit 32 Glaubensgenossen in das Parkhotel im Zentrum der Stadt zog, zunächst –wie er angab -für das Passah-Fest, dann erklärte er aber bis zur „Ankunft des Messias“ bleiben zu wollen. Die Regierung gab schließlich nach und erlaubte den Bau einer stadtnahen Siedlung deren Aufbau 1970 unter dem Namen Kiryat Arba auf zuvor konfisziertem Land begann. Heute leben dort mehr als 7.000 jüdische Siedler.
Im Jahr 1979 besetzte dann die Frau des Rabbis mit 40 Frauen und Kindern die leerstehende ehemalige jüdische Klinik. Seither lebt eine jüdische Gemeinde im Herzen der mehr als 170.000 Einw. großen palästinensischen Stadt jüdische Siedler mittlerweile mehr als 400 Siedler in der umfassenden Altstadtsiedlung, die von der israelischen Armee gesichert wird.

Mitten im Zentrum: eine „Geisterstadt“

Mehr als 1000 Soldaten sind zur Sicherung des Haram(Gräber von Abraham, Jakob, Isaak, Rebekka, Sarah und Lea) und der jüdischen Siedler derzeit eingesetzt. 2005 wurden permanente Überwachungstürme errichtet sowie Mauern, Zäune und mehr als 100 Straßensperren in Hebron eingerichtet. Nach einem Bericht der israelischen Menschenrechtsorganisationen ACRI (Association for Civil Rights in Israel) mussten Palästinenser aufgrund der Präsenz von israelischen Zivilisten, Soldaten und Polizisten 1014 Wohnungen räumen und mindestens 1829 Geschäfte und Betriebe im Stadtzentrum aufgeben; mindestens 440 davon wurden auf Befehl der Armee geschlossen.
1994 erschoss der jüdische Arzt Dr. Baruch Goldstein, der in der Siedlerstadt Kiryat Arba lebte, in der Ibrahim Moschee auf betende Muslime und tötete 29 Menschen und verletzte 150 zum Teil schwer, bevor er selbst am Tatort gelyncht wurde. Die Siedler haben dem Massenmörder in seiner Stadt ein Gedenkstein errichtet und verehren ihn als „Märtyrer“
Welche unglaubliche Provokation!!!

Alle in der Gruppe fanden die Situation in Hebron als mehr als beklemmend. Hier das pralle arabische Leben und an der nächsten Ecke menschenleere Straßen, eine „Geisterstadt“
Die Prophetengräber sind zum einen in einer Moschee zum anderen in einer Synagoge untergebracht. Lediglich der Stammvater Abraham ist sowohl von der jüdischen wie auch von der islamischen seite zu betrachten. Welch ein zerrissener Zustand finde ich.

Abraham-Grab: Sicht aus der jüdischen Synagoge und der islamischen Moschee

Auf der Rückfahrt nach Bethlehem, habe ich für mich gedacht, warum kann nicht Abraham, der gemeinsame Stammvater aller drei Religionen, der mögliche Schlüssel zu Frieden und Versöhnung sein. Ach wenn doch alles so einfach wäre…..
In den letzten Wochen fand im Willi-Brand-Haus in Berlin eine Fotoausstellung der israelischen Gruppe „Brake the silence statt. In dieser Gruppe haben sich ehemaligen und aktive israelische Soldaten zusammen geschlossen und „das Schweigen gebrochen“über ihre Erlebnisse beim Einsatz vor allem in Hebron. Hier der Link zu einer virtuellen Führung durch die Ausstellung:
www.medico.de/themen/menschenrechte/nahost/dokumente/virtuelle-fuehrung-durch-die-ausstellung-von-breaking-the-silence/4316/
Nachdem unsere Reisegruppe von Beginn unserer Reise von Hassan Al-Ahmed, einem Palästinenser aus Jenin fachkundig geführt wurde hatten wir ab heute eine weibliche Begleitung: Faten Mukarker, eine palästinensiche Christin aus Beit Jala die ich vor Jahren bei einer ihrer Vortragsreisen in Deutschland kennengelernt hatte.

Faten Mukarker mit der Gruppe vor einem Goldgeschäft in Hebron und ihre Geschichte zur Bedeutung des Goldes für die arabische Frau

Ich habe Sie und ihre Familie sowohl 2010, bei meinem ersten Aufenthalt in Israel und Palästina, wie auch im Frühjahr 2012 besucht (siehe hierzu im Blogarchiv) und bin seit dem mit der Familie Mukarker freundschaftlich verbunden. Ich hatte deshalb die Reiseagentur um einen sonst nicht so üblichen Wechsel der Reiseleitung gebeten. Die Art und Weise wie Faten ihre Gruppe führt ist schon eine Besonderheit. Sie verbindet trockene Informationen mit Geschichten aus dem/ihrem Leben, eine „arabische Geschichtenerzählerin“ erster Güte die durch ihre Erzählweise unsere Gruppe fazinierte. Durch Sie konnten wir auch die Kontakte zu den Einrichtungen in Bethlehem (Blog vom 16.10. und zu Reuven Moskovitz (Blog vom 18.10.)herstellen. Faten hat also im Besten Sinne unsere Reise bereichert

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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