Zu Bethlehem geboren

Über 50 % der mehr als 4 Mio Menschen in Palästina sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre. Überall auf Straßen und Plätzen sieht man junge Gesichter, sieht sie lachen, seltener spielen. Überhaupt es gibt nur wenige Spielplätze und die Straßen mit dem oft heftigen Verkehr, den schmalen oder oft gar nicht vorhandenen Spielplätzen, sie laden nicht wirklich ein zum spielen und toben.

Aida Flüchtlingscamp in Bethlehem
Aida Flüchtlingscamp in Bethlehem

Erst recht ist die Situation für die Kindern bedrückend und eng in den Flüchtlingscamp, die es auch im Westjordanland so zahlreich gibt. Was heißt hier in Palästina „Flüchtlingscamp?“
Die im Palästinakrieg 1948 geflohenen und vertriebenen Palästinenser (mehr als 750.000) wurden in 58 Flüchtlingslagern im Westjordanland und Gazastreifen, in Jordanien, Syrien und dem Libanon aufgenommen, wo sie und ihre Nachkommen teilweise bis heute leben und vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten versorgt werden. Die Integration der Flüchtlinge in die Bevölkerung wurde auch in den arabischen Staaten teilweise behördlich unterbunden. Die Zelte sind zwischenzeitlich durch feste Bebauung ersetzt worden, der Begriff „Lager“ (als kurzzeitiges Provisorium) ist damit sachlich nicht mehr korrekt. Der Gebrauch dieses Begriffs ist hier mehr politischer Natur, um den ungeklärten Status der Bewohner zu verdeutlichen. Fast jede größere palästinensische Stadt hat ein Lager als Vorort. (aus Wikipädia)

Hier in Bethlehem gibt es drei, wir haben heute dem Aida-Camp einen Besuch abgestattet. Näheres zum Thema Flüchtlinge könnt ihr hier lesen. Im Aida-Camp leben mehr als 5000 Menschen es gibt zwei Kindergärten und zwei Schulen. Wir haben in einem Begegnungszentrum „Lajee Center“ mit einem Mitarbeiter gesprochen der uns die Arbeit des Centers erläuterte. www.lajee.org Hier finden Kinder und Jugendliche verschiedene Angebote, aber auch für Erwachsene ist es ein zentraler Treffpunkt. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit dem israel. Militär, häufig mitten in der Nacht. So wurde erst gestern ein 16 jähriger Junge bei einem solchen Zwischenfall schwer verletzt.

P1000334Von meinen früheren Besuchen weiß ich, dass die Situation gerade für behinderte Menschen in Palästina sehr schwierig ist. Durch meine Kontakte mit Fatima -weiteres ist hier zu lesen- hatte ich von der Einrichtung „Life Gate“ (Tor zum Leben ) gehört. www.lifegate-reha.de

Wir wurden von Maria empfangen die uns durch das gerade neu bezogene Zentrum führte. Der Name ist Programm: die lern, hör und körperbehinderten Kinder und Jugendliche sollen „ins Tor hinein – aber auch gestärkt wieder ins Leben hinaus treten“. Das Angebot beginnt für Kinder ab 3-6 Jahre mit speziellen Fördergruppen, danach bis 14 Jahre kommen die Kinder in die Förderschule und haben nachher die Möglichkeit in verschieden Bereichen eine Ausbildung zu erhalten. Viele Jugendliche arbeiten in verschiedenen Bereichen einer beschützenden Werkstatt: im Rollstuhl-Reparaturservice, beim Bau von orthopädischen Hilfsmitteln, der Herstellung von Geschenkartikeln aus Olivenholz, der Keramikabteilung und der Strickabteilung. Die Einrichtung versteht sich auch als Teil der Friedensarbeit, so gibt es regelmäßig Ferienfreizeiten mit israel. Gruppen. Die Mitarbeiter besuchen regelmäßig Dörfer und Städte und arbeiten mit den Familien zusammen. Bei ihren Besuchsfahrten werden die Mitarbeiter auch immer wieder auf andere Kinder und Jugendliche mit Behinderung aufmerksam. Ein mehr als beeindruckende Einrichtung die für die Menschen mit Behinderung und ihren Familien eine wichtige Unterstützung und Hilfe bietet.

Zum Nachmittag waren wir bei Dr. Mitri Raheb zu Gast. Dr. Raheb evang. Pastor In Bethlehem und einer der Autoren des 2009 von palästinensischen Christinnen und Christen formulierten Aufrufs an die Weltgemeinschaft „Die Stunde der Wahrheit“. Das mitunter in Deutschland kontrovers diskutierte Dokument versteht sich als ein „Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe aus der Mitte des Leidens der Palästinenser und

Dr. Mitri Raheb
Dr. Mitri Raheb

Palästinenserinnen“. Das Papier wird „Kairos-Palästina-Dokument“ genannt. Weiter Infos zum Papier sind hier zu finden.

Damit das Leben der Einwohner von Hoffnung und Zuversicht erfüllt wird, ist 1995 ein Zentrum für Bildungsarbeit, internationale Begegnungen und Fürsorge für die älteren Menschen „Diyar“ gegründet worden. www.diyar.ps

Anschließend haben wir auch die älteste Kirche des Westjordanlandes besucht: die Geburtskirche mit der Geburtsgrotte von Jesus, vor zwei Jahren von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt, im Übrigen haben die Vertreter von Deutschland in diesem Gremium dagegen gestimmt…

Zum Abschluss des Tages haben noch einige der Gruppe das in unmittelbarer Nähe vom Hotel befindliche „Caritas-Baby-Hospital“ besucht. Das 1952 errichtete Krankenhaus hat sich zum Ziel gesetzt,den Kindern, die unter den Folgen des israelisch-palästinensischen Konflikt leiden eine medizinische Basisversorgung zu sichern. In dem modernen Krankenhaus werden pro Jahr mehr als 30.000 Kinder behandelt. www.kinderhilfe-bethlehem.de

 

P1000364Zum Abend waren wir noch bei Faten Mukarker zum arabischen Abendessen eingeladen. Faten hatte uns in den letzten drei Tagen in Bethlehem und Hebron als Reiseleiterin begleitet und dabei mit großer Sachkenntnis und Empathie die schwierige politische Situation im Westjordanland erläutert. Sie hat dabei vor allem mit ihrer wunderschönen arabischen Erzählweise begeistert. So hatten wir neben dem leckeren Essen heute Abend auch das Vergnügen etwas aus ihrem Leben als arabisches Mädchen und Frau zu erfahren

 

 

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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