Während ich gestern schrieb, dass ich im Verlauf des Tages nicht viel von der Besatzung gespürt/gesehen und gehört habe war es heute gänzlich anders.
Am Vormittag bin ich mit Frank, einem evangelischen Pastor, den ich am Montag beim Hinflug kennen gelernt habe, zum palästinensischen Flüchtlings-Camp Shu`fat gefahren.
Das palästinensische Flüchtlingslager Shu’fat liegt im Stadtgebiet von Jerusalem. Und doch ausserhalb. Das Lager ist von der israelischen Trennmauer umgeben und dadurch von Jerusalem abgeschnitten. Obwohl die Menschen im Lager von Shu’fat als Bewohner und Bewohnerinnen Jerusalems gelten und eine entsprechende Identitätskarte besitzen, müssen sie sich, wenn sie aus dem Lager Richtung Ost-Jerusalem gehen, am Checkpoint an der Mauer ausweisen.Ich habe das Camp schon mehrfach besucht und trotzdem ist es für mich immer wieder ein besonders bedrückendes Erlebnis hier zu sein. Während mir ja sonst in Dörfern und Städten in der Westbank ein „Welcome to Palestine“ entgegenschallt ist es hier anders. Die Kinder zeigen schnell das bekannte „Peace-Zeichen“ mit den ausgestreckten zwei Fingern. Die Erwachsenen gucken einen eher betrübt an, sind sich scheinbar ihrer mehr als misslichen Situation voll bewusst.
Am Nachmittag habe ich Roni Hammermann in ihrer Wohnung in der Nähe des bekannten Jerusalem-Museums getroffen. Bereits 2013 und 2015 habe ich sie zu Hause besucht. Natürlich wollte ich von ihr wissen was sie zu dem 50. Jahrestag der Besatzung denkt. Roni ist 1969 nach Israel gekommen, hat also den „6-Tage-Krieg“ 1967 nicht hier direkt erlebt. Damals sei sie schon auch stolz gewesen, dass die israelische Armee in diesem „Blitz-Krieg“ die Ägypter, Jordanier und Syrer „überrannt“ hatte, die ja angekündigt hatten „die Juden ins Meer zu schicken“. Als sie aber hier vor Ort in Israel war hat sie gleich erkannt, dass die Israelis in den besetzen Gebieten schnell „Fakten“ schufen. Wie ich schon gestern geschrieben habe wurde beispielsweise alle Häuser an der Westernmauer abgerissen um den Platz vor der Mauer zu vergrößern. Schnell konnte man sehen, wenn man denn wollte, was es heißt eine Besatzungsmacht zu sein. Für Roni ist israelische Besatzung heute die systematische Behinderung und oft auch Unterdrückung des palästinensischen Lebens in vielen Bereichen mit dramatischen Konsequenzen zum Beispiel für Wirtschaft, Gesundheit, Erziehung und und und. Sie nannte beim Thema Wirtschaft das Beispiel der Behinderung des LKW- Verkehres. Während die israelischen Fahrzeuge ungehindert ihre Waren in die Westbank bringen können werden die palästinensischen Fahrzeuge oft aus reiner Schikane angehalten, die Waren werden oft langwierig kontrolliert, ein totaler Wettbewerbsnachteil entsteht. Eine weitere Auswirkung der Besatzung mit Mauer, Checkpoints und Straßenkontrollen ist die damit einhergehende völlige Missachtung der Bewegungsfreiheit der Palästinenser.
In diesen Zusammenhängen erzählte mir Roni den Auslöser, der damals 2001 sie und andere Frauen dazu gebracht hatte Machsom Watch zu gründen. Sie hatten davon erfahren, dass an einem Checkpoint eine Palästinenserin ihr Kind gebären musste, welches dann später gestorben ist. Seit 2001 habe es insgesamt 36 solcher, wirklich unglaublichen, Vorfälle an den Checkpoints gegeben.
Aus Anlass des 50. Jahrestages der Besetzung Palästina plant ihre Gruppe an zwei Tagen im Juni (8. und 10. ) an zwei Stellen in Israel, einen Marsch auf der „grünen Linie“. Sie wollen damit in der israelischen Bevölkerung wieder ein Bewusstsein für diese ,nach dem Waffenstillstand in 1949 festgelegte, Grenze schaffen. Für die Palästinenser ist diese Grenze Grundlage für eine mögliche Grenzziehung zwischen den Staaten Israel und Palästina.
Gerne würde die Gruppe um Roni Hammermann auch mit der im letzten Herbst sehr erfolgreichen Frauengruppe zusammenarbeiten die den Friedensmarsch der Frauen organisiert hatten. Leider haben diese Organisatoren es abgelehnt, das Machsom Watch ihre Forderung nach dem Ende der Besatzung vortragen können. Der Friedensmarschgruppe geht es ausschließlich um Frieden. Wie sie ihn allerdings erreichen wollen bleibt unklar…und trotzdem, so Roni „etwas muss die vielen, auch muslimischen Frauen angesprochen haben, denn es waren unglaublich viele Teilnehmerinnen dabei“
Zur Zukunft Israels meinte Roni zum Schluss unseres zwei-stündigen Gespräches: „Wir zerstören uns selbst“
Vor einigen Monaten hatte eine mir gut bekannte Journalistin Liva Hänsel Roni Hammermann interviewt. Das Gespräch habe ich unter Gastbeiträge eingestellt
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