arabisches Familienleben= Hier die Männer, da die Frauen

Heute hatte ich mich mit Fatima verabredet. Ich verweise für die nicht so kundigen Leser/innen meines Blogs auf die zahlreichen Beiträge zu Fatima (Im Magdolin) an verschiedenen Stellen in meinem Blog. (Bitte Stichwort „Fatima“ an der rechten Seite anklicken)

Fatima holte mich mit ihrem neuen Auto in der Abrahams-Herberge ab. Sie erzählte mir das sich in diesem Gebäude 1959 die erste Klasse der Talitha-Schule befand, Fatima, die ja die Talitha-Kumi-Schule besucht hat, also zunächst hier in die mitten in Beit Jala in die Schule gegangen ist. „Ich habe sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit“, so Fatima heute.

Auf dem Weg in das Dorf Zatara, das Heimatdorf von Fatima, mussten wir Bethlehem durchfahren. Wie meist war hier oft kein Durchkommen, so das wir für die etwa 20 Kilometer fast eine Stunde brauchten. Je mehr wir aus den Wohngebieten kamen konnte ich sehen wie es immer grüner wurde. Derzeit hat auch die judäische Wüste, an deren Rand Zatara liegt ein „grünes“ Frühlingskleid angezogen.

die judäische wüste hat ein grünes Frühlingskleid angelegt

Bei Fatima zu Hause war es wie immer an den Wochenenden. Die ganze Fqmilie, Kinder nebst Ehegatten und Enkelkinder waren versammelt. Zu Zeit war auch der jüngste Sohn Abdullah, der ja in Dubai lebt und wie der geneigte Leser weiß, im vorigen Jahr geheiratet hat, mit seiner Frau zu Besuch. Das „ganze Programm“ der arabischen Gastfreundschaft konnte ich genießen: arabischen Kaffee, Obst und dann gegen 16 Uhr den Lunch mit Reis und Lammfleisch und frischem (kleingehacktem) Salat. Anschließend gab es wieder Kaffee und Süßigkeiten.

Man ist es ja von den vielen Besuchen hier gewöhnt, aber es fällt einem immer wieder neu auf: es gibt im arabischen Haus „getrennte Welten“, beim Essen aber auch sonst. Hier die Männer und auch die männlichen Enkel, dort die Frauen (die ich also so gut wie nicht zu Gesicht bekam).

Ich empfinde es wirklich als etwas besonderes, das jede Gruppe so für sich ist, naturgemäß dadurch auch wenig von der anderen Gruppe erfährt. Aber hier scheint es dem jeweils anderen Geschlecht nichts auszumachen.

Fatima: eine starke Frau

Ich hatte die Gelegenheit darüber mit Fatima zu sprechen, die ja in vielen Dingen anders denkt (und oft auch handelt) wie es hier üblich ist. Wie ich es ja schon mehrfach beschrieben habe, ist es für Fatima oft „ein Balance-Akt“ für sich einen Weg zu finden zwischen den kulturellen Traditionen und den modernen gesellschaftlichen Erfordernissen. „Eine starke Frau ist hier in unserer arabischen Welt nicht gut“, sie wird von der Männerwelt nicht gewünscht und von den Frauen (auch ihre eigenen Töchter) wird dies vorbehaltlos akzeptiert. Sie haben halt auch andere Männer, als wie es mein ist ist. Fatima hat oft das Gefühl das hier nur das gemacht wird, was die anderen (Nachbarn) denken/sagen. Ich glaube meine Kinder sind oft nicht glücklich wenn sie erleben wie ich agiere/reagiere. Das wiederum tut mir oft weh, aber ich kann nicht anders.

Konkretes Beispiel gefällig? Ein guter Bekannter ihres Sohnes Abdullah war (erstmals) zu Gast. Er steckte sich eine Zigarette an, keiner der (männlichen) Familienmitglieder sagte etwas dazu. Fatima hat es (heute) auch nicht thematisiert, auch weil sie ihren Sohn Abdullah nicht kränken wollte. Es ist ihr aber schon oft passiert, dass sie in solchen Situationen offen ihre Meinung gesagt hat, was in der männlich dominierten arabischen Welt „ein no Go“ ist.

seit 4 Jahren ist der nahegelegene Steinbruch für die Anwohner ein Ärgernis an Lärm- und Staubbelastung

Ein anderes „Alltagsproblem“ bekam ich auch heute mit. Im Tal dröhnten laute Steinrammen. Fatima sagte mir, das dort seit 4 Jahren ein palästinensisches Unternehmen „fast rund um die Uhr“ einen Steinbruch bearbeiten lässt. Die Folge für die benachbarten Dorfbewohner: massive Lärm und Staubbelastung. Vereinzelte Versuche gerichtlich Einfluss zu nehmen scheiterten zum einen an „Schmiergeldern“ vom reichen Unternehmer gezahlt, aber eben auch an der Schwierigkeit die Anwohner zu einer gemeinsamen Protestbewegung zu gewinnen: wir haben schon so viel Probleme im Alltag, das reicht uns ist die Meinung der meisten Anwohner

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

2 Kommentare

  1. Lieber Marius,

    Das ist in der Tat eine arabische; ja sogar eine biduinsche Sitte das Männer und Frauen sich in deren Geselschaften isolierten.Das führte dazu dass Frauen und Männer sich teilweise anders entwickeln. Viele Frauen arbeiten intensiver als ihre Männer. Vor allem in kleinen Dorfgemeinden. Anders als in Städten wie Jerusalem oder Nablus.
    Dort haben Frauen Zugang zur Bildung gehabt und sie mischten sich in geselschaftliche Fragen ein.
    Fatima ist eine mutige Frau. Allein wie sie gesellschaftlich aktiv ist. Ein arabischer Dichter schrieb folgendes: (Die Frau oder die Mutter ist eine Schule; wenn diese ihre Aufgaben erfüllen würde; würde man eine Nation mit Werten und Vorstellung bauen.)
    Gemeint ist, dass die Mutter ihre Kinder erzieht. Genau wie eine Löwen. Männer sind auf der Jagd.

    • Danke lieber Emad für deinen ergänzenden Kommentar.
      Du hast ja als Palästinenser den besseren Einblick in diese Kultur.
      Wie Du weist stammt die Familie von Fatima aus einem alten Beduinen-Stamm

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