Berg der Hoffnung

Für mich fing alles im April 2012 auf dem Weinberg an. Seit dem hat mich das Thema Israel&Palästina, aber vor allem die Menschen hier nicht mehr losgelassen. Dieser Blog gibt Zeugnis von meinem Engagement.

So ist es nur natürlich, dass ich bisher bei all meinen Besuchen immer auch den Menschen auf dem Weinberg einen Besuch abgestattet habe.

So war es denn auch heute wieder soweit. Ich hate mich mit Daoud Nassar an einer bestimmten Stelle, in der Nähe einer Unterführung am Straßencheckpoint Beit Jala für 9:00 Uhr verabredet. 

Um 9:10 kam der über 30 Jahre alter rote Mercedes 200 D von Daher Nassar den Berg „heraufgekrochen“. Er wusste zwar das ich kommen würde, war aber ganz überrascht mich an dieser Stelle stehen zu sehen, hatte ihm doch Daoud nichts von der Verabredung gesagt. So bin ich dann eben, nach einer ganz herzlichen Begrüßung, mit ihm die etwa 10 km zum Weinberg gefahren.

ein Schul- und Kräutergarten

Dort oben (auf über 900 m) pfiff , zwar bei Sonnenschein, ein starker und nicht gerade warmer Wind. Ich erinnerte mich direkt an meinem ersten Aufenthalt, damals 2012 für 5 Wochen: auch da gab es Tage da musste man seine Kappe, und die trug ich auch schon damals, immer gut „festzurren“

Auf dem Gelände des Weinberge kamen uns zahlreiche Hunde und eine junge Französin entgegen. Sie ist derzeit die einzige Volontärin hier und dass auch nur für wenige Tage. Auf meine Frage, ob sie sich denn nicht auch ein wenig gefürchtet hat, alleine in der Nacht hier auf dem großen Gelände (über 44 ha). Doch es wäre schon ein wenig komisch gewesen. Nachher erzählte mir Daoud, dass er und Daher in den Monaten (Dezember und Januar) wo in der Regel es keine Freiwilligen gibt (es sei aber auch in dieser Zeit bei oft kaltem und feuchtem Wetter nicht viel zu tun) auf dem Weinberg schlafen würden.

ein neues Gewächshaus ist „in Betrieb“

Ansonsten war es hier oben wie immer, herrliche Aussichten in alle Richtungen, eine „himmlische“ Ruhe, viel Grün überall. Daoud meinte zu mir, dass mittlerweile mehr als 80% des Weinberges bewirtschaftet seien.

Wie als wollte er seine Aussage unterstreichen pflanzte er gleich 3 kleine Olivenbäume um. Eine Gruppe, die , wie viele anderen Gruppen die den Weinberg besuchen, auch, hatte diese Bäumchen gepflanzt, allerdings, so der erfahrene Farmer Daoud an einer nicht so günstigen Stellen. Er wusste, dass an bestimmten Stellen hinter den Felsblöcken, die Erde relativ locker und ohne Fels bzw. Stein ist. So war ich also live bei einer Pflanzaktion dabei.

Da der neu gepflanzte Baum direkt einen Wasserguss benötigt, erfuhr von Daoud auch, dass es mittlerweile 24 Zisternen hat, die, nach Lesart der Militärbehörde illegal sind und schon häufiger mit einem Abrissbescheid belegt wurden. Allerding ist es bis heute (Gott sei Dank) bei dem Bescheid, also der Androhung geblieben.

Überhaupt beißen sich die zuständigen Behörden an dem Verhalten der Besitzer des Weinberges „die Zähne“ aus. In dem schon fast 30 Jahre dauernden gerichtlichen Streit um  die Anerkennung des über 100 Jahre alten Kaufvertrages, gab es für die Familie Nassar zwar immer wieder neue Auflagen: so das Gelände neu zu vermessen, eine neue Karte zu erstellen, die Nachbarn seines Grundstück um Zustimmung zu bitten.

Wasser ist knapp auf dem Weinberg, daher gibt es „Kompost“-Toiletten

Auch hat es die Familie alles in allem mehr als 100 Tausend Dollar an Anwalts- und Gerichtskosten gekostet, eine Entscheidung steht bis heute aus. Aber der Weinberg ist immer noch im Besitz der Familie.

Und er findet Anerkennung in aller Welt. Nicht nur das immer mehr Menschen den Weinberg besuchen. In diesem Jahr waren es (die offizielle Zählung steht noch aus) mehr als 10.000 Menschen aus aller Herren Länder, die dem Weinberg und seinen Menschen einen Besuch abgestattet haben. Heute waren zwei junge Männer aus Toronto/Kanada vor Ort und machten ein halbstündiges Video-Interview mit Daoud. Vor einigen Wochen erschien in der Süddeutschen Zeitung ein großer Beitrag zur Olivenernte

Dazu kommt die Anerkennung durch die Politik und Kirche.

So wurde Im vergangenen Jahr Daoud Nassar der deutsch-französische Menschenrechtspreis verliehen. 2018 waren der Baden Württembergische Ministerpräsident Kretschmar und das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche zu Besuch auf dem Weinberg.

Im Juni diesen Jahres war ich dabei, als Daoud auf dem Katholikentag in Dortmund, vor über 500 beeindruckten Zuhörer/innen, von seinem Weinberg berichtet hatte.

„Berg der Hoffnung“ in der noch warmen Novembersonne

Immer wenn ich Daoud bei seinen Vorträgen höre, hier auf dem Weinberg wenn ich mit Gruppen dort bin, oder aber auch in Deutschland in Schulen und Kirchengemeinden, spüre ich seinen  Worten seinen „Spirit“: „Ich gebe nicht auf, setze Fakten mache immer weiter“.

Damit reißt er alle mit und macht vielen hier große Hoffnung.

Ein kleiner Nachtrag:

Zum ersten Mal bin ich vom Weinberg mit einem israelischen (Siedler-) Bus direkt nach Jerusalem gefahren. Man kann ohne Probleme an einer normalen Haltestelle an der Straße 60, die das Westjordanland vom Norden nach Süden durchquert, in diese Busse steigen. Am Straßencheckpoint bei Beit Jala, wo die Palästinenser, wenn sie mit „ihrem“ Bus von Bethlehem kommend, nach Jerusalem fahren, müssen alle aussteigen und werden kontrolliert, ob sie ein entsprechenden Ausweis haben, der sie als Bürger von Jerusalem kennzeichnet, fährt der israelische Bus ohne Kontrolle durch.
An einer Haltestelle in Jerusalem stieg ein junger Mann aus, aus seiner Gesäßtasche lockte ein Revolver……

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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