Beim Frühstück lernte ich zwei interessante Menschen kennen: eine Journalistin, die gerade eine Reise in den Irak zu den verschiedenen Christengruppen gemacht hat, und nun bis Ostern über die Christen im Heiligen Land recherchiert
und einen Österreicher, der für den Erzbischof von Salzburg als „Zeremonienmeister“ für den genauen Ablauf besonderer Gottesdienste verantwortlich ist. Laut Wikipädia ist ein Zeremoniar oder Zeremoniär, auch Zeremonienmeister einer , der in der Liturgie des römischen Ritus für die Koordination und den reibungslosen Ablauf eines Gottesdienstes zuständig. Er unterstützt damit den Zelebranten oder Liturgen, der als Vorsteher des Gottesdienstes für die liturgische Leitung verantwortlich ist.
Ansonsten habe ich versucht, auch mit dem Schreiben des Textes für den heutigen Tag, zunächst einmal diese schöne, aber für mich, wegen der Leitungsverantwortung, auch anstrengende Begegnungsreise zu „verdauen“. Rückblickend auf die letzten 10 Tage, mit den vielen Gesprächen, den tagtäglichen sehr unterschiedlichen Eindrücken, wird mir sehr bewusst, wie eine solche Reise, für die meist zum ersten Mal mit dieser Region in Berührung kommende Gruppe, ihre Spuren hinterlassen hat. „Kommt und seht und berichtet darüber“ ist auch für mich die Motivation Menschen hierin zu bringen. Ich hoffe nun sehr, dass meine Reisgruppe, die nun hoffentlich gut zu Hause angekommen ist, über das Erlebte im Verwandtschafts- und Freundeskreis berichtet. Von zwei Teilnehmern weiß ich, dass sie in ihrer VHS einen Vortrag über die Reise planen. Auch haben viele der Verwandten meiner Gruppe diesen Blog gelesen, was auch zum Verständnis, über die Situation hier, beitragen kann. Alle wollen in den nächsten Tagen mir kurz schreiben, was für sie diese Reise bedeutet. Ich bin ganz gespannt auf ihre Rückmeldungen und werde sie hier in meinem Blog veröffentlichen.
Ich hatte ja in diesem Blog in den vergangenen Tagen, schon von den derzeit stattfindenden großen Demonstrationen in vielen Städten in Israel und auch hier in Jerusalem stattfinden, berichtet. Heute nun habe ich mich an zwei Orte in Jerusalem begeben, wo traditionell am Freitagnachmittag seit Jahren kleine Demonstrationen stattfinden. Während es bei den aktuellen, großen Demonstrationen um die geplante undemokratische Gesetzgebung geht, geht es bei diesen kleinen Demos um die Palästinenser: Es geht um die Besatzung und um die Vertreibung.
An dem einen Ort, zentral in Jerusalem gelegen, unmittelbar an der Residenz des Ministerpräsidenten Nethanjahu, treffen sich (seit 1987) vor allem Frauen, um gegen die Besatzung des Westjordanlandes zu protestieren. Sie sind meist schwarz gekleidet, tragen Schilder mit der Aufschrift Stoppt die Besatzung in arabischer, hebräischer und englischer Sprache. Heute standen etwa 8 ältere Frauen (und ein Mann) von 13-14 Uhr schweigend an der belebten Kreuzung. Sie „ertrugen“ sowohl die meist ablehnenden wie auch wenige zustimmende Reaktionen der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Auch vorbeikommende Fußgänger äußerten sich meist kritisch zu dieser Protestaktion. Ein alter Mann nannte das bekannte Argument, dass Gott den Juden das Land in Judäa und Samaria versprochen hat. Hier könnt ihr mehr lesen zu den Bewegung „Frauen in Schwarz“
Ganz anders das Bild bei der zweiten Demonstration am Nachmittag, die um 15 Uhr im Ostjerusalemer Stadtteil Sheik-Jarrah stattfand. Hier findet ja seit Jahren eine Vertreibung der Palästinenser statt worüber ich schon mehrfach in diesem Blog berichtet habe. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Situation zugespitzt nachdem es eine Entscheidung des obersten israelischen Gerichtes gab, welche einer Vertreibung einzelner Familien zustimmte. Hier in Sheik Jarrah trafen sich heute überwiegen junge jüdische und muslimische Israelis. Hier wurde getrommelt und Protestrufe angestimmt. Gegenüber stand „ein Häuflein“ jüdischer Israelis die eine israelische Fahne schwenkten.
Auf dem Weg zu diesem Protestort bin ich am Damaskus Tor vorbeigekommen. Aus dem Tor „quollen“ Tausende Muslime, die heute auf dem „Harem Al-Scharif“, dem „edlen Heiligtum“, wie die Muslime sagen, an der Al Aqsa Moschee und dem Felsendom ihr traditionelles Freitagsgebet abgehalten haben. Während der Ramadan, der ja gestern begonnen hat, ist diese Gebetszeit am Freitagmittag etwas ganz Besonderes für die Muslime.
Zum späten Nachmittag bin ich dann in die beginnende Schabbat-Ruhe im westlichen Jerusalem eingetaucht. Am Abend war ich bei Michal, unserer Guide zum traditionellen Schabatt-Essen eingeladen.
Es brennen die Schabbat-Kerzen die 12-15 Minuten vor Sonnenuntergang angezündet wurden. Das Essen, welches vor Schabbatbeginn zubereitet wurde, beginnt mit einem Lied und dem Segensspruch, woraus ich einen Ausschnitt hier schreibe:
Der sechste Tag. Da waren vollendet der Himmel, die Erde und all ihre Schar. Und Gott vollendete am siebten Tag Sein Werk, das Er gemacht, und ruhte am siebten Tag von all Seinem Werk, das Er gemacht. Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn, denn an ihm ruhte Er von all Seinem Werk, das Gott geschaffen, dass es weiterwirke.
Dann wird der Wein aus einem Becher geteilt und ein spezielles Schabbat-Brot in Salz gedrückt und ebenfalls verteilt. Zum Schluss des Essens wird wieder ein Lied gesungen. Zum Essen trägt der Mann die Kipa, die jüdische Kopfbedeckung
Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“
Indem wir uns mit dem identifizieren, der die Befehle gibt, erleben wir das Gefühl der Überlegenheit, dass bei der Machtausübung entsteht. (Hannah Arendt)
Hi Marius, du hast ja wirklich jeden Tag spannende und interessante Begegnungen. Wünsch dir noch gute Tage in Jerusalem. Liebe Grüße aus der Heimat! Gerhard