Immer wieder habe ich hier das Gefühl in völlig von einander getrennten Welten zu leben. Dabei meine ich eben nicht nur den massiven Unterschied zwischen der Welt „Palästina“ und der Welt „Israel“.
Vor drei Tagen berichtete ich von der Welt in der Hebronner Altstadt und der Welt 500m Meter entfernt in der Stadt Hebron selbst. Oder die zwei Welten zwischen einer christlich geprägten Stadt wie Beit Jala oder Beit Sahur oder der muslimischen Stadt Nablus. Aber die Grenzen sind eben auch fließend…
Heute Morgen war ich zum Frühstück bei Familie Mukarker eingeladen. Schon oft habe ich den wunderbaren Blick vom Balkon genossen. Faten erzählte mir, dass im Nachbarhaus ein Sohn geboren sei, der Erste nach 4 Mädchen, Grund ein großes Fest zu feiern. Also gibt es heute am eher ruhigen Karfreitag der Orthodoxen Christen, zu dem auch die Familie Mukarker gehört, in der Nachbarschaft ein (wahrscheinlich sehr lautes) Freudenfest mit 3-400 Gästen.
Mit bei der Frühstücksrunde war neben dem Ehepaar Mukarker, ihrer kleinen Enkeltochter, auch Saeed dabei, die ich vor Jahren in ihrer Wohnung im Dheisheh Camp besucht hatte. Damals war ihr ältester Sohn schon monatelang inhaftiert. Saeed hat 5 Kinder und mittlerweile auch schon zwei Enkelkinder. Faten erzählte, dass Saeed bereits bei der Geburt, ihrem ebenfalls zu selben Zeit geborenen Cousin als Ehefrau versprochen wurde. Saeed selbst hatte von dieser „Vereinbarung“ ihrer Eltern mit dem Bruder des Vaters erst erfahren, als ihr mit 14 Jahren „unvermittelt“ mitgeteilt wurde, dass sie nun verlobt sei.
Für Saeed sind es auch zwei Welten in der sie lebt. Zum einen das so sehr beengte, sehr einfache Leben im muslimisch geprägten Camp und das Leben bei der doch relativ gut situierten christlichen Familie Mukarker
Ich habe heute das arabische Frühstück genossen. Es gab Humus, Falafel, Rührei und Pita-Brot, aber auch Jogurt und leckere, von Faten`s Ehemann Nicola, selbstgemachte Aprikosen-Marmelade. Heute Abend bin ich zum jüdischen Sabbat bei Michal unserer Reiseführerin geladen. Heute geht das siebentägige Pessach-Fest zu Ende und gleich schließt sich der wöchentliche jüdische Ruhetag der Sabbat (auch Schabbar genannt) an. Jetzt dürfen wieder die gesäuerten Brote und andere Speisen zu sich genommen werden. Also wieder zwei völlig verschiedene Welten in die ich heute eintauchen konnte.
Dann habe ich mich wieder mit dem Bus 231 von Beit Jala nach Jerusalem begeben, somit wiederum die Seiten und die Welten geändert. Bis zu meiner Abreise am Dienstag werde ich nun wieder im Paulus-Haus übernachten.
Zum Nachmittag habe ich mich dann aufgemacht um zu Michal zu gelangen. Ich wusste ungefähr wo sie wohnt, weil wie vor 1 ½ Jahren bei meiner damaligen Gruppenreise schon mal bei ihr zum Sabbatessen waren. Ich genoss zunächst – wie schon damals – die Ruhe, die in den jüdischen Vierteln von Jerusalem am Nachmittag so langsam richtig „einsickert“. Es ist wirklich so wie bei uns am 24. Dezember, de, Heiligen Abend. An diesem Tag wird es auch zu Abend hin immer stiller und friedlich.
Festlich gekleidete Menschen gehen durch die Straße. Als ich in den Bezirk kam, wo die (kleine) Strasse Rabbi Chalafta sein sollte, wollte ich mich durch Nachfragen vergewissern. Das stellte sich aber dann doch schwieriger aus als gedacht. Viele, die ich ansprach konnten kein Englisch, andere kannten die Strasse nicht. Letztlich hatte aber ein junger Mann ein Handy dabei (trotz Sabbat!), er hat mir dann die genaue Stelle „gegoogelt“. So stand ich dann vor Dem Haus Nr. 12, aber wie weiß ich welche (Hebräischen) Klingelknopf ich drücken muss?? Also habe ich gerufen: Michal…und mir ward aufgetan. Gemeinsam mit Tochter und Schwiegersohn bin ich dann in die Syngoge, wo der fromme Jude den Sabbat mit einem Gottesdienst beginnt. Anschließend gab es dann das Essen, welches auch nach bestimmten Regeln gestartet wird. Es gab erst eine kalte Vorspeise, dann eine Suppe, anschließend Fleisch, Salat und Süßkartoffeln und schließlich Kuchen und Tee. Zum Abschluss wurde noch ein Gebet gesprochen. Das ganze Essen dauerte so etwa 2 Stunden.
Ich habe mich dann auf den Heimweg gemacht und wieder diese wunderbare ruhige Atmosphäre genossen. Es waren ganz wenig Menschen auf der Straße (wenn, meist mit Hunden!). Hier und da hörte man aus den Fenstern Gesänge, die wohl auch zu den Sabbat-Traditionen gehören. Als ich mich dann nach etwa einer ¾ Stunde Fußweg der Altstadt näherte kam ich wieder in eine andere (arabische) Welt. Hier war wieder Autoverkehr, manch frisiertes Motorrad knatterte laut, eben Großstadtverkehr an einem Freitagabend.
Zum Schluss des heutigen Tagesblogs möchte ich noch von einem Erlebnis berichten, dass mich heute morgen beim Frühstück sehr berührt hatte. In der Abrahams-Herberge war auch eine Gruppe aus Amerika zu Gast. Beim Frühstück setzte sich ein (farbiges) Mitglied der Gruppe, aus Seattle kommend, an meinen Tisch. Wir kamen ins Gespräch über unsere Erlebnisse hier in Palästina. Auf einmal fragte er mich, ob wir kurz beten wollten. Nach meiner Zustimmung, fasste er mich an den Händen und sprach mit eigenen Worten Hoffnungen und Bitten für die Menschen hier in Palästina an Gott aus. Ich war beeindruckt.
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