Interessante Gespräche

Heute Nacht wurde in Israel die Uhr auf die Sommerzeit umgestellt. 

In Palästina, sozusagen „um die Ecke“ wird die Uhr erst in der Nacht vom Samstag zum Sonntag um eine Stunde vorgestellt. Wenn man, wie ich heute, sich mit Menschen verabredet, die im 20 km entfernten Ramallah leben, musste man ein wenig, bei der Zeitabsprache, aufpassen. Aber wenn das das größte Problem hier in der Region wäre…..

Für die Tausende von Läufer:innen die am heutigen Jerusalem-Marathon teilgenommen haben, bedeutete die Zeitumstellung aber, dass sie „gefühlt“ um 7 Uhr eine Stunde früher an den Start mussten. Leider war das Wetter auch heute eher schlecht: kalt und regnerisch, vom Veranstalter angedachten Lauf in den Frühling konnte also keine Rede sein.

Heute Vormittag hatte ich mich zunächst mit Michal verabredet, dir schweizerisch-israelische Reiseführerin meiner Gruppenreisen. Wir haben uns in einem (warmen!!) Restaurant in der „German Colonie“ getroffen und uns über die vergangene Zeit, seit unserer letzten Gruppenfahrt im Frühjahr 2019 gesprochen. Natürlich spielte das Coronageschehen hier und bei uns und seine Auswirkungen eine wichtige Rolle, aber eben auch die politische Entwicklung in Israel. Aktuell gibt es Diskussionen zu den Geflüchteten aus der Ukraine. Bestimmte Kreise wollen nur die jüdischen Menschen aus der Ukraine aufnehmen, andere fordern das auch nicht-jüdische Menschen aufgenommen werden sollen.

der Frühling kommt auch in die „German-Colonie“

Seit einiger Zeit engagiert Michal sich in einer Gruppe, die sich um „Aussteiger:innen“ aus dem ultra-orthodoxen Judentum kümmert. Die meist zwischen 20 und 30 Jahre alten junger Menschen (in der Mehrzahl Männer), verlieren mit einem solchen Schritt ihre gesamte Familie und sind von jetzt auf gleich ganz auf sich alleine gestellt.

Am Nachmittag habe ich dann Karin Gerster getroffen. Sie kenne ich seit Jahren aus der gemeinsamen Aktivität in der Nah-ost-Kommission von pax christi. Seit einem halben Jahr leitet sie das Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Ramallah.

Wir haben uns im Österreichischen Hospiz in der Jerusalemer Altstadt getroffen und uns zunächst an einem leckeren Apfelstrudel „gelabt“.  Karin ist nicht zum ersten Mal in dieser Region tätig und es war so etwas „wie nach Hause kommen“ für sie.

Wir haben uns zu verschiedenen aktuellen (politischen) Themen unterhalten, so zur mirgen anstehenden Kommunalwahl in den A und B Gebieten. Ich hatte dazu gestern auch schon mit Daoud gesprochen, der kritisierte, dass es eigentlich keine „richtige“ Wahl sei. Der/die Wähler:in hat „nur“ die Möglichkeit eine ganze Gruppe zu wählen, auch wenn es nur einen/eine aus der Gruppe gibt, dne man wählen möchte. Die Gruppe, die die meisten Stimmen bekommt gehört dann komplett dem Gemeinderat an und wählt auch den/die Bürgermeister:in. Es gibt dann also in den regionalen Parlamenten keine Opposition. Es wird daher befürchtet, dass die Wahlbeteiligung, da keine (wirkliche) Wahl möglich ist, sehr gering sein wird.

Corona-Schutz-Häuschen im Restaurant am alten Bahnhof

Viel mehr als die „Besonderheiten“ der Wahl beschäftigt Karin in ihrer täglichen Arbeit aber ein Vorgang der israelischen Regierung vom Oktober 2021. Am 22. Oktober hat der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz sechs international angesehene palästinensische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in den besetzten palästinensischen Gebieten zu „Terror-Organisationen“ erklärt.
Es handelt sich dabei um die Menschenrechtsorganisationen Addameer und Al-Haq, die Kinderschutzorganisation Defence for Children International-Palestine (DCI Palästina), die Landarbeiterunion UAWC, der Frauenverband UPWC und das entwicklungspolitische Forschungszentrum Bisan. Al-Haq ist führend bei der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, egal ob von israelischer oder von palästinensischer Seite. Al-Haq, Addameer und Defence for Children International -Palestine arbeiten eng mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen und haben Beweise für Kriegsverbrechen eingereicht. Obwohl bis heute von der israelischen Regierung keine Beweise für diese Behauptung vorgelegt wurden, bedeutet diese Einstufung, dass alle, die diese Gruppen (zum Beispiel auch finanziell) unterstützen, sich der Unterstützung einer „Terror-Organisation“ strafbar machen und befürchten müssen, dafür ins Gefängnis zu kommen. Da eben genau es zu den Aufgaben der RLS gehört, diese NGO`s zu unterstützen, ist es derzeit sehr schwierig hier tätig zu sein. Mehr zu diesem Thema könnt ihr auf der Homepage der Koordinationsgruppe Palästina Israel (KoPI) entnehmen, in deren Sprech:innenkreis ich für pax christi delegiert bin.

Immer wieder faszinierend: der Blick auf die West-(„Klage-)Mauer und den Tempeldom
Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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