Als ich Anfang der Woche bei meiner Planung überlegt hatte, den gestrigen Freitag für meinen „Abschiedsbesuch“ auf dem Weinberg zu nutzen, ahnte ich nicht, dass dieser Besuch wieder mal einige Brisanz enthalten würde.
Am späten Donnerstagabend erfuhr ich in einer Mail aus Deutschland (!) das (wiedermal) ein offizieller Bescheid auf dem Weinberg aufgetaucht sei. Relativ schnell bestätigte mir Daoud Nassar, der zur Zeit auf einer Vortragsreise in den USA ist, mit folgender Nachricht den Vorgang: „Ich habe auch Gestern das neue Kultivierung Stop Befehl bekommen und ich habe den an unser Rechtsanwalt geschickt damit er einen Einspruch erheben kann. Ich will im Moment nichts anderes unternehmen bis der Einspruch zuerst angenommen wird.“
Natürlich machte ich mich etwas angespannter am gestrigen Morgen auf den Weg zum Weinberg. Ich wollte die Route benutzen, die ich in der letzten Woche auch immer mit Daher am Morgen gefahren war, also nicht über die Straße 60 bis zum Abzweig zur Siedlung Neve Daniel, sondern über die palästinensischen Dörfer Husan und Nahalin Ich bin dann zu Fuß von Talitha Kuma kommend, den Berg hinunter, ganz nahe an dem großen Autocheckpoint „Beit Jala“ vorbei, durch das kleine palästinensiche Dorf Al-Khader. Ich habe dann die große Straße 60, die von Jerusalem nach Hebron führt, unterquert, um an einen zentralen Haltepunkt zu gelangen, wo der Bus 21 von Jerusalem nach Bethlehem hält. Hier steigen die Menschen aus, um mit kleinen Taxibussen weiter nach Hebron oder auch in die Dörfer Husan oder Nahalin zu fahren. Hier wurde ich von einem Mann mit zivilem Fahrzeug gefragt ob ich ein Taxi bräuchte. Ich habe gesagt ich wolle nach Nahalim und was es denn kosten würde. Er meinte 40 Schekel (etwa 8 €). Mir war klar, dass es auch günstiger gehen könnte (mit dem Taxibus vielleicht 6 Schekel), aber ich willgte ein. Auf der Fahrt erfuhr ich, das der Fahrer in seinem Hauptberuf Krankenpfleger sei, er aber, um seine große Familie (vier Kinder unter 10 Jahre) ernähren zu können, diesen Zusatzverdienst dringend benötigen würde. Das zivile Taxi, das auch nur außerhalb der größeren Städte (wie Bethlehem) eingesetzt werden kann, bekommt er von einem Mann gestellt, der neben Bussen eben auch einige solcher „Taxis“ besitzt.
Nach etwa 1 km, kurz vor der Ortschaft Husan, stand ein Soldat auf der Straße der uns aufforderte anzuhalten und umzukehren. Man muss das mal gesehen haben: da steht da ein junger Mann in grüner Uniform mitten auf der Straße, ein großes MG baumelt an seiner Seite, er hält die rechte Hand hoch und macht solch kreisende Bewegung die unmissverständlich zum Umkehren auffordern. Da fragt sich unsereiner „ja warum das denn“ und steigt aus um zu klären ob es nicht doch eine Möglichkeit der Weiterfahrt gibt. Ich habe ihm auf englisch erklärt (zu erklären versucht) das ich einen Termin habe und nach Nahalin (dem Ort der etwa 3 km vom Weinberg entfernt liegt) fahren müsse. Ob er mich verstanden hat, ich weiß es nicht genau,, er sprach etwas in sein Telefon, schüttelte den Kopf und machte wieder die bekannte Handbewegung. Da ich ja wusste dass wir auch den „normalen“ Weg nehmen konnten habe ich nicht weiter nachgefragt, was zum Beispiel der Grund dieser, scheinbar spontanen, Straßensperre ist. Mir war nur klar, dass es den fast 10.000 Menschen die in den beiden Orten Husan und Nahalin wohnen, zu mindestens im Augenblick verwehrt ist, über die mir bekannte einzige Zufahrtstrasse in ihre Orte zu fahren.
Wir sind dann über die (für mich schnellere) Straße 60 gefahren. Ich habe dem Fahrer dann doch 50 Schekel gegeben weil ich dachte, davon kann er etwas mehr für seine Familie abzweigen.
Auf dem Weinberg angekommen herrschte wie gewohnt eine wunderbare Ruhe. Ich habe mich in der Nähe der Gebäude gesetzt wo, gegen 11 Uhr in der Regel die Frühstückspause gemacht wird. Es dauerte nicht lange dann kam auch schon Daher, mit seinem Traktor. Zur Zeit pflügt zur er das Gelände um, damit es bei dem erhofften Regen in den nächsten Wochen das kostbare Nass besser aufnehmen kann.
Von Daher erfuhr ich nun aus „erster“ Hand was passiert war. Vorgestern, am 12. November, hat ihm der Besitzer eines Nachbargrundstückes zwei Schreiben gegeben, die er auf seinem Grundstück gefunden hat. Das erste Schreiben ist ein Lageplan, in dem ein Teil des Weinberges dick umrandet ist. Auf dem zweiten Zettel, welcher mit Datum vom 29. Oktober datiert war, wird angeordnet, dass das Gebiet welches konkret bezeichnet ist, nicht mehr „kultiviert“ werden darf. Jetzt habe ich mich ja schon daran „gewöhnt“ das es für die israelische Militärbehörde scheinbar „normal“ ist solche offiziellen Bescheide, irgendwo „zu hinterlegen“. Mir kann aber keiner erzählen, das dies nicht mit der voller Absicht geschieht, dass diese Bescheide vielleicht nicht gefunden werden und somit die 45 tägige Einspruchsfrist verstreichen ungenutzt verstreichen kann.
Wie schon von Daoud angekündigt, wird die Familie Nasser nun gegen diesen Bescheid Einspruch einlegen, wie sie es bisher immer gemacht hat (wenn sie denn den Bescheid gefunden hat) …und dann wird es auch wie immer sein, von dem Bescheid, bzw. dem Einspruch wird die Familie Nassar nicht mehr hören. (siehe hierzu meinen Blog vom 5. November ) Der Kampf um den Weinberg geht weiter!!!
Nun aber zu etwas Erfreulichem:
Ich hatte schon geschrieben, dass wieder zwei „Langzeit-Volontäre“ auf dem Weinberg arbeiten. Es ist schon gute Tradition in meinen Blog-Berichten, dass ich diese jungen Menschen, die sich hier in Palästina eine „Lebensauszeit“ nehmen, nach ihren Motiven, ihren Eindrücken zum arabischen Leben und ihrer Einschätzung zum Konflikt Israel&Palästina befrage.
Hier steht was Simon und Johannes zu erzählen haben….
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