Roni Hammermann: „Wir sind nicht stark genug die Ängste wegzunehmen“

Heute war der erste Tag den wir in Jerusalem verbracht haben. Hier wollten wir, vom Ölberg kommend, heute einen Blick in die Altstadt werfen und dabei auch einige der „Highlights“ von Jerusalem besichtigen. Es wurde schon in den letzten Tagen von verschiedener Seite angekündigt, dass Massen von Touristen in der Stadt seien. Diese Ankündigungen wurden voll bestätigt. Schon auf dem Ölberg drängten sich Menschen „aus aller Herren Länder) an den Ausguckpunkten, von denen man einen wunderschönen Blick auf die „Heilige Stadt“ hat.

ein „berauschender“ Blick auf Jerusalem vom Ölberg

Am Nachmittag haben wir uns mit Roni Hammermann getroffen. Ich habe in meinem Blog schon des öfteren über sie geschrieben.(siehe hierzu den Link am Beginn des Tagesblogs) Bisher habe ich sie immer alleine besucht, nun hatte (zum ersten Mal) meine Gruppe die Gelegenheit, diese mutige und starke Frau kennen zu lernen. Wir haben uns in einem Café am alten Jerusalemer Bahnhof getroffen. Roni berichtete von der Gründung der Gruppe Machsom Watch und ihren ihren Erfahrungen bei den Beobachtungen an den Checkpoints. Grundsätzlich hat sich nach ihrer Einschätzung in den 15 Jahren der aktiven Beobachtung nichts zum positiven verändert, eher das Gegenteil ist der Fall. Hatte man früher noch konkrete Interventionsmöglichkeiten („wir haben uns zwischen den Soldaten und den Palästinenser gestellt“) ist heute alles soweit „technisiert“, es gibt gar nicht mehr einen persönlichen, direkten Kontakt zwischen dem „Grenzgänger“ und dem Soldaten. Man geht durch käfigartige Gänge, durch eiserne Drehkreuze, durch die nur eine Person passt, wird über Lautsprecher von Soldaten angewiesen, die hinter dicken Panzerglasscheiben sitzen.

Drehkreuz

„Dann wenn wir – Dienst – machen, läuft die Behandlung der Palästinenser schon anders“ Die derzeit 250, meist ältere jüdische Frauen können allerdings nicht während der ganzen Öffnungszeit ihren Beobachtungsdienst warnehmen.
Zu Beginn ihrer Aktivität an den Checkpoints haben die Medien über sie berichtet. Das Interesse hat mittlerweile doch sehr nachgelassen. Es ist für Roni erschreckend zu erleben wie gleichgültig ihre Landsleute mit den Vorkommnissen an den Checkpoints umgehen.

„Wir leben in einer Politik der Angst, wir sind nicht stark genug, die Ängste den Menschen wegzunehmen.“

Roni Hammermann im Kreise unserer Gruppe

Ich hatte schon am Morgen nach dem Tageszitat (siehe unten) die Gruppe kurz über Roni Hammermann und ihre Aktivitäten für die Menschenrechtsgruppe „Machsom Watch“ in formiert. Ich habe dabei aus ihrer Dankesrede die sie bei der Verleihung des Aachener Friedenspreises (2009) gehalten hat, vorgelesen.
„Der Zeitraub an den Checkpoints und in den Büros der Zivilbehörde, die Unmöglichkeit sich für alle Lebensbereiche nötigen Genehmigungen zu verschaffen, die tagtägliche Entwürdigungen an den Straßenkontrollen, all das erzeugt Verzweiflung und Hass, führt zu einer Radikalisierung der Bevölkerung und ist letzten Endes kontraproduktiv für die genannte „Sicherheit“, die ja all diese Maßnahmen rechtfertigen soll
(…) Die Botschaft, die wir unseren Landsleuten aus unseren Erfahrungen an den Straßensperren vermitteln möchten ist die, dass die Angst uns nur lähmt und unseren Blick trübt und das jenseits der Mauer Menschen leben, die nachts anderes wollenals ein freies menschenwürdiges Leben zu führen, ohne Unterdrückung, ohne Landraub und ohne Erniedrigung. Nicht nur die Betonmauern müssen wir abbauen, sondern auch die Mauern der Feindbilder, die den „Anderen“ dehumanisieren“

Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Ich setzte mich auf die niedrige Mauer, die meine Terrasse umschloss, und schaute auf die Straße hinweg auf die Berge Moabs, von deren Höhen Moses und seine schwer erziehbaren Kinder Israels nach vierzig Jahren Marsch durch die Wüste das gelobte Land entdeckt hatten.

„Der Herr euer Gott, hat euch zur Ruhe gebracht und euch dieses Land gegeben….“ heißt es in der Bibel. Ein schwerer Irrtum – damals und heute.

Auf der Straße war es auf einmal ruhig geworden. Sie war bis auf ein paar qualmende Häuflein leer. Ich roch Tränengas…..

Von Angelika Schrobsdorff (Deutsche Schriftstellerin)

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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