Fatima: Unsere Kultur macht vieles schwieriger

Mauer am Rachels Gab, Bethlehem

Heute nun habe ich Fatima (Im Magdolin) bei meinem diesjährigen Aufenthalt einen ersten Besuch abgestattet. Die regelmäßigen Leser/innen meines Blogs kennen diese starke Frau von meinen zahlreichen Begegnungen über die ich regelmäßig auch in meinem Blog geschrieben habe. Unser heutiges Treffen schloss sich, was den besonderen Erlebniswert angeht „nahtlos“ an die bisherigen Zusammenkünfte an. Es ist wirklich unglaublich welch intensive, ganz in die Tiefe gehende Gespräche ich mit dieser für mich so großartigen Frau führen kann (darf). Genauso interessant fand ich aber auch, dass auf Grund der so privaten Gesprächsinhalte, die Politik, das Thema Besatzung, heute, wenn man einmal vom Übergang am Checkpoint absieht, überhaupt keine Rolle spielte.

Mauer zwischen Jerusalem und Bethlehem am Checkpoint 300

Um Fatima zu treffen musste ich heute also auch das erste Mal durch den Bethlehemer Checkpoint 300. Während ich ja, durch die zahlreichen „Übertritte“ der letzten Jahre die Situation dort gut kenne, war es für Frank, den evangelische Pastor, der mich schon vor einigen Tagen begleitet hatte, ein erstes Erlebnis, zu Fuß durch die Grenzanlage zwischen Israel und Palästina zu gehen. Obwohl man ja beim Verlassen von israelischem Gebiet naturgemäß nicht kontrolliert wird, machen die gesamte Anlage, die vielen eisernen Drehkreuze, die zahlreichen Wachtürme, wo man nicht weiß ob dort jemand sitzt und einen beobachtet, die schmalen Gittergänge, wo sich morgens in Richtung Israel tausende Palästinenser durchzwängen müssen, nachdem sie eine Stunde und länger gewartet haben, schon einen gewissen Eindruck. Frank der wohl öfters die Grenze zur ehemaligen DDR passiert hatte kamen direkt Erinnerungen auf.
Fatima holte uns mit ihrem alten Renault hinter dem Checkpoint ab und wir fuhren in ihr 10 km entferntes Heimatdorf Za`tara. Schon auf der Fahrt erzählte uns Fatima ihrer grundlegenden Lebensproblematik, dass sie einerseits in vielem was sie tut, die engen Grenzen die ihr von der Tradition und der Kultur gesetzt werden, überschreitet, sie damit aber auch von vielen offen oder eben auch nur gefühlt, kritisiert wird. Wenn ihr von meinen anderen Begegnungen mit Fatima in diesem Blog lest, werdet ihr immer wieder von diesem „Zwiespalt“ in dem sich Fatima „gefangen“ fühlt lesen. Für Fatima ist es auch deshalb besonders schwer, weil sie oft auch fühlt, dass sie es durch ihr „unangepasstes“ Verhalten vor allem auch ihren Kinder und ihrem Mann sehr schwer macht. Weil diese wiederum es auch in der Begegnung mit der großen Familie spüren.

Fatima erzählt auch von ihrem ausgesprochen gleichmütigen Ehemann, den nichts aus der Ruhe bringt. Wenn er einen Olivenbaum bei der Terasse gießt, übersieht er die Blumen daneben, „die zu nichts nützlich sind“. Fatima ist ganz anders, sie macht sich über alles Gedanken. Auch wegen der verstorbenen Mutter, – hat sie sich zu wenig um sie gekümmert? Die Mutter verlangte stets die volle Aufmerksamtkeit ihrer Töchter, es blieb wenig Raum für eigene Gedanken oder Aktivitäten. Fatima lehnte sich dagegen auf – und hat nun ein schlechtes Gewissen.

von links: Vater Hassan, Sohn Abdullah und Mutter FatimaUnd man trifft sich oft in einer Familie die Hunderte von Personen umfasst zu Hochzeiten (und Verlobungen) Trauerfeiern etc. Fatima die im Oktober/November wegen einer OP in Neuss war, sagt das noch heute nicht alle aus ihrer großen Verwandtschaft sie nach ihrer Rückkehr (und erfolgreichen OP) besucht hätten….

unser 2. Frühstück

Am Beispiel ihres jüngsten Sohnes Abdullah, der seit 8 Jahren in Dubai arbeitet und für den Fatima mit der Unterstützung ihrer Töchter seit Jahren versucht eine geeignete Frau zu finden, möchte ich im Folgenden versuchen deutlich zu machen, das es stimmt wenn Fatima sagt: „Kultur (ich würde sagen auch Tradition) macht in unsrem Leben vieles komplizierter.“ Abdullah, ein 33 jähriger junger Mann lebt in dubai alleine in einer Wohnung. Schon das ist hier ungewähnlich, weil die jungen Mnner so lange zu hause wohnen bis sie geheiratet haben. Er also wohnt, da er im Ausland arbeitet nicht mehr zu Hause. Er fühlt sich dort wohl. Wenn es nach ihm ginge, würde er jetzt gar nicht heiraten wollen. Hier aber kommt die Kultur(Tradition) zum Zuge. Es gibt keinen Grund für einen jungen Mann, das gesund ist, Arbeit hat nicht zu heiraten. Keiner aus der Familie würde das verstehen. Noch viel weniger würde man es verstehen (akzeptieren) wenn er sich zum Beispiel in eine schöne Frau in Dubai verlieben würde und mit ihr nach Palästina käme und sie seinen Eltern und seiner Familie als zukünftige Frau vorstellen würde. Es ist unvollstellbar, das würde hier keiner verstehen. Das spürt Abdullah, er akzeptiert deshalb dass es so sein muss. Er „ergibt“ sich also diesen kulturellen Zwängen. Gut, er könnte sich auch aktiver hier selbst eine Frau suchen, aber da er im Ausland arbeitet hat er die Mutter gebeten schon einmal „zu sondieren“. Erschwerend für die Suche kommt hinzu, dass die Braut außerhalb des eigenen Familien-Clans gesucht werden soll. Fatima hat auf Grund eigener schlechter Erfahrungen (ihr Mann ist ihr Cousin), ihr 5. Kind, Magdolin ist schwer behindert, ihren Kindern aufgetragen ihren Ehepartner außerhalb der Familie zu suchen.

vier von 17 Enkelkindern

Nun war Abdullah für zwei Wochen zum Urlaub im Lande und die Mutter hatte drei mögliche (Ehe-) Frauen für ihn gesucht. Da er sich, nach ersten Kontakten mit den vorgeschlagenen Frauen noch nicht entscheiden konnte, hat er den Urlaub um eine Woche verlängert. Nun endlich ist eine Frau in die engere Wahl gekommen. Heute nun soll ein abschließendes Gespräch zwischen den beiden Familien stattfinden. Jede Familie stellt eine gleich große Delegation. Fatima (die sicherlich wortgewaltigste in ihrer Familie), ist Teil der Delegation, darf sich aber nicht äußern. Das  Gespräch führen ausschließlich die Männer. So will es die Tradition:
Sollte es, wie erhofft zu keinen weiteren Schwierigkeiten kommen, wird bei diesem Treffen auch der „Goldpreis“ für die Frau vereinbart. Dann könnte, so Abdullah, „Inch Allah“ in einigen Monaten Hochzeit gefeiert werden. Ich werde berichten…..

viele Kinder bedeutet große Wäsche oder umgekehrt…

Tageszitat aus „Recht ströme wie Wasser“

Die Menschen in Nazareth mochten den Prediger Jesus nicht.
Sie wollten Worte hören, die ihren Fanatismus gegenüber Fremden befriedigten. Jesus war nicht willens, dieses Spiel mitzuspielen und ihnen dieses Vergnügen zu machen. Der Gott, über den Jesus sprach, war ein Befreier-Gott. Wenn Gott parteiisch jst, so zeigt er diese Einseitigkeit gegenüber den Armen und Unterdrückten. Jesus zerschmetterte ihr ausschließendes Gottesbild und kritisierte ihr Bibelverständnis.

Von Naim Stifan Ateek (Der Autor ist palästinensischer Pfarrer und Mitbegründer von Sabeel, dem Ökumenischen Zentrum für Palästinensische Befeiungstheologie. Er schreibt u.a., dass zwei Argumente benutzt werden, um die Gründung des israelischen Staates zu rechtfertigen: die Shoa und seit dem Krieg von 1967 die Bibel. Bestimmte Textstellen werden zur Rechtfertigung der Vertreibung des palästinensischen Volkes missbraucht, so dass die Bibel zu einem politischen Instrument geworden ist.

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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