Sabbatruhe

Heute denke ich: Wie schnell vergeht eine Woche, hier wie überall auf der Welt. Aber hier in Israel, gerade aber in der besonders jüdischen Stadt Jerusalem gibt es einmal in der Woche ein besonderes Phänomen, der Sabbat! Er beginnt mit dem Sonnenuntergang.In der Stadt kehrt wirklich Ruhe ein. Schon gestern Abend, gegen 17 Uhr, bei meiner Rückkehr aus Bethlehem habe ich es ein wenig verspürt. Der Verkehr auf den Straßen hatte merklich abgenommen, kein (israelischer) Bus des Jerusalemer Nahverkehrs fährt mehr, für mich entsteht ein Gefühl wie ich es nur vom Nachmittag des „heiligen Abends“ kenne. Aus der Hetze vor den Festtagen, dem Stress des letzten Tages, der letzten Stunden bevor das große Fest beginnt…. gerade bei uns ist es ja an diesem 24. Dezember besonders stressig, da für das Weihnachtsessen die frischen Sachen, die bestellt waren, abgeholt werden müssen und vielleicht noch die letzten Geschenke gekauft werden.

Sabbatruhe auf der berühmten Jaffastraße

Dann zum Nachmittag wenn die Ruhe einkehrt bei uns daheim… so ist es hier jeden Freitagnachmittag….und es hält an bis zum Sonnenuntergang am späten Samstagnachmittag, heute um 17:14. Ja die Zeiten, wann der Schabbat beginnt sind genau festgelegt. Hier kann man schauen wann die Zeiten in allen großen Städten dieser Welt sind. Zu Sabbatbeginn wird auch die Zeit angegeben an denen die Sabbat-Kerzen entzündet werden (40 Minuten bevor der eigentliche Sabbat beginnt (gestern um 15:55)

in der „German-Kolonie“

So habe ich mich dann heute morgen aufgemacht, noch ein wenig vorn der Sabbatruhe aufzunehmen. Ich bin zunächst in die „German-Kolonie“ gegangen, wo ich schon des Öfteren im deutschen Hospiz bei den Schwestern der Borromäerinnen Quartier gemacht habe. In diesem Viertel waren vor 100 und mehr Jahren die „Templer“, eine evangelische Gruppe aus Baden Württemberg, ansässig. Das Viertel ist geprägt von schönen Häusern mit vielen Blumen, von denen sogar jetzt, einen Tag vor dem 1. Advent, noch einige schön blühen.

ein altes Haus der „Templer“

Es ist ja nicht nur der fehlende Verkehr, der diese besondere Stimmung am Sabbat hier in Jerusalem ausmacht. Die Menschen, denen man auf der Straße begegnet wirken irgendwie „entschleunigt“. Man bummelt in kleinen Gruppen, hat meist schöne Feiertagskleidung an und ist dabei nicht laut. Viele scheinen auf dem Weg zu oder von der Synagoge zu sein. Die Männer tragen eine Tasche mit dem weißen Gebetsschal Andere sitzen entspannt auf ihrem Balkon oder auf der Terasse. Hier und da hört man, dass Lieder gesungen werden. Andere Beschallung durch Radio oder dergleichen, fehlt gänzlich. Ich muss sagen ich genieße diese Stimmung in „vollen Zügen“, habe alle meine Poren weit geöffnet. 

Frühstück am Sabbat

Kein Restaurant hat geöffnet…oder doch: ganz in der Nähe des jüdischen Marktes sind zwei Cafes geöffnet und alle Tische sind besetzt. Es scheinen in dieser so jüdischen Stadt also auch noch vereinzelte Menschen zu geben, die sich an die Sabbatruhe nicht so halten. 

in Mea Shearim


Die Stimmung ändert sich merklich als ich in das Ultra-Orthodoxe-Viertel Mea Shearim komme. Straßensperren und entsprechende Verbotsschilder sorgen dafür, dass hier  am Schabbat und auch an den anderen Feiertagen, auch bestimmt kein Auto fährt. Hier sind alle Menschen ziemlich schwarz gekleidet. In der Regel gehen hier die Männer zusammen und die Frauen mit den Kindern. Viele schieben Doppel-Kinderwagen. Ich empfinde hier, wie aber auch zu anderen Zeiten, dass es eine  eine gewisse Anspannung bei den Menschen gibt die einem begegnen. Wenig Fröhlichkeit, wenig lachen herrscht hier vor, selbst bei den kleinen Kindern. Diese gucken mich, den Fremden, lediglich angstvoll an. Alles hier wirkt hier arm und schmuddelig. Viel Müll und Abfall liegt auf den Straßen. 

Familienausflug am Sabbat

Von den Menschen wird man im Übrigen, dass muss ich insgesamt feststellen, nicht richtig war genommen. Das ist in dem Orthodoxen-Viertel nicht anders als  in der „German-Kolonie“. Nur ein einziger hat mir dort den Gruß Sabbat-Schalom entgegengebracht. 

Wandzeitung

…und auf einmal war es mit der Sabbat-Ruhe vorbei. Ich näherte mich der großen Straße, die die Grenze bildet zwischen der Altstadt und dem Westteil von Jerusalem. Motorengebrumm, harte Bässe aus den Autos, sicher der verkehr war geringer als an einem Werktag, aber hier geht man jetzt besser auf einem Bürgersteig.

Boy-Group

Um 14 Uhr wollte ich Fatima am Damaskustor treffen, der Schabbat ist für mich vorbei, für die israelischen Juden dauert er noch knapp 4 Stunden.

Leider hat es nicht geklappt mit den Treffen am Damaskustor. Fatima ließ mich telefonisch wissen, dass ihr der Durchgang am Checkpoint verwehrt wurde. So bin ich also wieder mal „auf die andere Seite“, wo Fatima auf mich wartete. Normalerweise können Personen über 60 ohne Visum nach Jerusalem (Israel) einreisen. Warum es heute nicht geklappt hat, keiner weiß es. Auch warum die Busse, die die Palästinenser zum Checkpoint brachten, 200m vor dem Übergang von der Polizei angehalten wurden und alle Insassen im Bus ihre Ausweise vorzeigen mussten..? 

den ersten Weihnachtsengel in Bethlehem gesehen

Keiner weiß es, es wird von den Palästinenser/innen als Schikane abgetan, scheinbar stoisch hingenommen ohne sich größer darüber aufzuregen.
Wie sagte Fatima zu diesem Verhalten der Palästinenser/innen ganz sinnig: „Nicht blind sein, aber ruhig manchmal die Augen zumachen dass hilft einem den aufkommenden Ärger besser zu ertragen“

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

1 Kommentar

  1. Lieber Marius,
    Fatimas Spruch werde ich mir zu Herzen nehmen,denn er hilft bestimmt auch in vielen anderen Lebenssituationen. Eine weise und kluge Frau.

    Lg von Anja

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