Heute Morgen habe ich mich mit Ilan Baruch, einem ehemaligen israelischen Botschafter, in einem kleinen Cafe, nahe des berühmten King-David-Hotel im Zentrum von West-Jerusalem getroffen.
Ilan Baruch war im diplomatischen Dienst und zuletzt als Botschafter für Israel in Südafrika tätig. Er hat sich 2011 aus dem diplomatischen Dienst mit der Begründung verabschiedet, dass er die israelische Regierung, vor allem wegen ihrer Politik gegenüber den Palästinensern, nicht länger vertreten könne.
Mit anderen israelischen Ex-Diplomaten, Akademikern und anderen Personen, die sich auf freiwilliger Basis für eine Umwandlung der Beziehungen zwischen Israel und Palästina von der Besatzung in eine Koexistenz auf der Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung einsetzen, hat er die Policy Working Group (PWG) gegründet.
Die PWG fordert die Entstehung eines unabhängigen, souveränen Staates Palästina neben dem Staat Israel, wobei Jerusalem die Hauptstadt beider Staaten sein soll. Die PWG setzt sich auch für den Schutz des zivilen Raums in Israel vor Aufwiegelung und Gesetzgebung durch die israelische Regierung und Diffamierung durch angeschlossene Organisationen in Israel und im Ausland ein, die die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit untergraben und jeden kritischen Diskurs über die israelische Regierung und ihre Politik in den besetzten palästinensischen Gebieten unterdrücken.
In seiner Eigenschaft als Sprecher dieser Gruppe habe ich ihn im Zusammenhang mit meinem Engagement mit der Nahost-Kommission von pax christi (NOK) kennen lernen dürfen.
Wir haben mit Mitgliedern der NOK, gemeinsam mit ihm und einem Vertreter aus Palästina, in den letzten Jahren in Deutschland „Lobby-Gespräche“ mit Bundes-Politiker:innen der verschiedenen Parteien und Mitarbeiter:innen in verschiedenen Bundesministerien (u.a. Auswärtiges, Wirtschaft) und dem Bundeskanzleramt geführt.
Heute nun durfte ich ihn einmal in seiner Heimatstadt Jerusalem treffen. Wir haben uns natürlich über den aktuellen Krieg in der Ukraine unterhalten und waren uns darin einig, dass dieser Konflikt die Weltpolitik noch lange beschäftigen wird. Auch war uns klar, dass es uns, bei den für Ende Mai mit ihm in Berlin geplanten Lobbygesprächen gelingen muss, wenn wir von der Politik, vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges derzeit gehört werden wollen, Parallelen zwischen dem Krieg in der Ukraine und dem israelisch-palästinensischen Konflikt aufzuzeigen.
Unter Palästinensern sorgen die klaren westlichen Sanktionen gegen den Aggressor Russland schon jetzt für Verbitterung. Sie sprechen von Doppelmoral angesichts der Untätigkeit der Welt gegenüber bald 55 Jahren israelischer Besatzung der palästinensischen Gebiete. „Unser Widerstand wurde kriminalisiert“, formulierte es die palästinensisch-amerikanische Journalistin Mariam Barghouti im Al-Jazeera-Netzwerk „AJ+“.
Mit ihren Vergleichen zwischen dem Ukraine-Krieg und dem Nahost-Konflikt stehen die Palästinenser nicht allein da. Die Art und Weise, wie Wladimir Putin die russische Staatsgewalt darstelle, ähnele sehr der Rhetorik und den Wortspielen, die Israel in seinen Kriegen gegen die Palästinenser und die arabischen Staaten seit Jahrzehnten verwende, urteilte der israelische Journalist Meron Rapoport in einem Artikel für das Magazin „+972“. Als Beispiele nennt er die Opferrolle, die Russland sich zuschreibe, die Rechtfertigung seiner Invasion durch die Leugnung der Existenz eines echten Staates Ukraine und ein sprachliches Herabstufen des Kriegs zu einer „Operation“.
Ähnlich sieht es der israelische Politiker und Publizist Avraham Burg in seinem Blog für die Tageszeitung „Haaretz“: „Es gibt eine Menge Unterschiede zwischen der Ukraine und Palästina“, schrieb er. Aber letztlich gehe es um das Gleiche: Ein Volk leugne das Recht auf Souveränität eines anderen Volkes.
Es gilt für uns bei den geplanten Lobby-Gesprächen meiner Meinung nach darum, aufzuzeigen, dass es hier wie da um die Einhaltung von Menschen- und Völkerrechten und vor allem um den Schutz des menschlichen Lebens geht. Bin gespannt ob es uns bei unseren Gesprächen gelingen wird.
Zum Nachmittag habe ich mich dann wieder aufgemacht und bin mit dem Bus nach Bethlehem gefahren. Nach einem kleinen Gang durch die Altstadt habe ich auch einmal in die Geburtskirche geschaut: sie war menschenleer, so hatte ich sie noch nie erlebt. Normal wartet man, um einen Blick in die Geburtsgrotte werfen zu können, schonmal bis zu 2 Stunden. Wenn ich in Jerusalem in der Altstadt schon mal den Eindruck hatte, es sind wieder mehr Touristen im Lande, so verflüchtigte sich diese Meinung beim Anblick der leeren Kirche. Genauso eine Leere herrschte in der Tiefgarage, wo sich normalerweise, gegen viele Schekel, Dutzende Reisebusse der Gruppen aufhalten.
Da ich nicht wusste, ob ich Fatima in den nächsten Tagen noch einmal treffen werde, bin ich dann noch nach Za`tara gefahren. Da ich sie telefonisch nicht erreicht habe, um sie zu fragen ob sie mich abholt, wollte ich, wie früher oft, einen der Taxibusse nehmen. Dort steigt man an der Bus-Station ein und wartet bis der Kleinbus voll ist. Da man mir der Fahrer glaubhaft gemacht hatte, dass um diese (Mittags)zeit es sehr lange dauern würde, bis der Bus mit 7-8 Personen besetzt sei, wolle er mich alleine fahren. Erst war die Forderung 100 Schekel (etwa 25,-€), auf meinen Protest hat er dann den Preis auf 70 Schekel reduziert.
Vor Fatima erfuhr ich später, dass auch dieser Preis viel zu viel gewesen sei. „Normal“ zahlt man für die Strecke von 15 km von Bethlehem nach Za´tara, 5 Schekel. Wenn also 7 Personen mitfahren, hat der Fahrer 35 Schekel verdient. Selbst mit einem Taxi wäre der normale Preis nicht mehr als 40 Schekel gewesen.
Also wieder mal etwas gelernt und einem sicherlich nicht reichen Fahrer einen guten Tagesverdienst verschafft.
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