Mehr als vier Jahrzehnte nachdem die Stadt „vereinigt“ wurde durch die israelische Armee 1967 ist die Stadt geteilt wie eh und je. Israelis und Palästinenser leben auf demselben Fleckchen Erde, und doch scheinen es zwei unterschiedliche Planeten zu sein.
Vorige Woche hatten wir mit meiner Gruppe die Gelegenheit mit Yanif Mazor von der Gruppe Ir-Amim uns die Situation in Ostjerusalem etwas genauer anzusehen. Siehe auch Bericht vom 18.10.2014
Er führte uns an einige Stellen der Stadt von wo aus wir sowohl die seit 1967 gebauten 12 Siedlungen (man könnte auch von Stadtteilen sprechen) wie auch die alten palästinensischen Stadtteile sehen konnten. Grundsätzlich ist die Infrastruktur sehr unterschiedlich: bei den Israelis ist alles besser: Straßen, die Müllabfuhr, die medizinische Versorgung (Krankenhäuser), die Wasserversorgung, Schulen. Die Palästinenser, haben keine israelische Staatsangehörigkeit, viele haben noch aus der Zeit zwischen 1949 -67die jordanischer Staatsangehörigkeit , sind nicht nur deshalb in Israel Bürger 3. Klasse. Sie haben nur eine ID-Karte die sie als Bürger Ostjerusalems ausweist, können demnach auch nicht an der Parlamentswahl in Israel teilnehmen. An der Wahl des Stadtrates könnten sie teilnehmen, sie boykottieren diese Wahl und sind deshalb auch im städtischen Parlament nicht vertreten, können dort also auch in der Stadtpolitik nicht mitbestimmen.
Wenn die Palästinenser längere Zeit abwesend sind, verlieren sie das Recht in Ostjerusalem wohnen zu dürfen. Es besteht eine „Residenzpflicht“. Die Anwesenheit wird oft „kleinlichst“ überprüft. (z.B. Nachbarn befragt oder auch der Inhalt des Kühlschrank überprüft)
Trotz der restriktiven „Vertreibungspolitik“ der israelischen Stadtverwaltung konnte das große „Ziel“ der Stadtpolitik –den Anteil der Palästinenser zu verringern- bisher nicht erreicht werden, im Gegenteil. War der Anteil der Palästinenser in ganz Jerusalem 1967 noch 21 % so ist er heute bei 40 % (350 000 Einwohnern) und das trotz der ebenfalls „geburtenstarken“ orthodoxen Juden. Deshalb ist es nun der Plan der israelischen Politik ein „Großjerusalem“ zu schaffen in dem die drei große benachbarten „Siedlungsblocks“ im Süden (Gush Etzion), Osten (Male Adumim) und Nordwesten (Giva`t Zeèv) zum Stadtgebiet hinzugefügt werden sollen.
Wie auch in den C-Gebieten im Westjordanland bekommen die Palästinenser in Ostjerusalem in der Regel keine Baugenehmigung (90 % Ablehnung), insgesamt wurden deshalb 2000 Häuser illegal gebaut, wofür eine Strafe (2000 Schekel) fällig wurde. Darüber ninaus muss das Haus Selbstzerstört werden oder die Zerstörungskosten sind zu zahlen.
Da wo Palästinenser Land haben und bauen könnten werden durch die Stadtverwaltung „Nationalparks“ eingerichtet und das Land der Palästinenser zum „Landeseigentum“ erklärt.
Am Problematischsten findet Yanif Mazor die „kleinen Siedlungen“ mit 100-150 Familien. Immer weder schaffen es die Siedler sich mitten in die palästinensischen Wohngebiete zu platzieren, erst als „Außenposten“ dann regulär. Oft sind diese Bewohner auch die radikalen Vertreter der Siedler.
Vielfach werden Grundstücke durch Siedler auch „legal“ erworben: es gibt unterschiedliche Methoden des „Erwerb`s“: 1. Grundstücke bei denen ein Familienmitglied in Kriminalfälle verwickelt ist du bereit ist mit finanziellem Gewinn zu verkaufen.
2.Grundstücke bei denen der Abrissbefehl kurz vor der Durchführung steht
- Familien die hoch verschuldet sind und es werden auch Grundstücke gewaltsam erworben in dem der Druck auf die Bewohner so unerträglich wurde das sie auszogen.
In seinem Büchlein „Kontrolle“ (Kleine Texte 47 erschienen im AphorismA-Verlag) schreibt Meir Margalit, ehemaliges Mitglied der Stadtregierung von Jerusalem: „Es war nie die israelische Absicht , den palästinensischen Teil in die Stadt zu integrieren. Israel wollte das Land, nicht die Menschen. Die Geschichte Jerusalems in diesen mehr als 47 Jahren lässt sich treffend als Jahre der Diskriminierung beschreiben. Darum ist Jerusalem heute ein Pulverfass, bereit in jeder Minute zu explodieren“
Hallo Marius, nun sind wir schon einige Tage wieder daheim. Ganz langsam setzen sich die Eindrucke, die mein Bild von der Situation in Israel/Palästina ein wenig entschleiert und gleichzeitig wieder verdunkelt haben. Deine Blogs und der Brief von Reuven sowie meine Fotos lassen noch viel Raum für Überlegungen, Ansichten und Einsichten. Dein Blog „Ostjerusalem“ ist in seiner Klarheit und Detailliertheit ein weiterer Grund für mich, die politische Situation eher als unentwirrbar denn als für alle Beteiligten lösbar einzustufen. Ich will daran glauben, dass Ruevens unermüdlicher Einsatz Früchte tragen wird und deine Blogs auch von Funktionsträgern in Deutschland gelesen und verarbeitet werden.
Ich grüße dich herzlich und wünsche dir, dass du gesund bleibst und viele weitere Wahrheiten aus deinen Begegnungen per Blog mitteilen kannst. Pit