Die „Schutz“-Mauer

Auszug aus Kairos Palästina (Kapitel 1.11):
Die Trennmauer, die auf palästinensischem Gebiet errichtet worden ist, das zu einem großen Teil zu diesem Zweck konfisziert wurde, hat unsere Städte und Dörfer in Gefängnisse verwandelt und voneinander getrennt und sie zu verstreuten und zerteilten Bezirken gemacht.

Als ich letzte Woche am Montag bei meiner Anreise zum Tent of Nations mit dem Bus von Jerusalem nach Bethlehem fuhr, sah ich sie wieder, die Mauer die Israelis sagen „Schutz-Mauer“. Schon vor zwei Jahren bei meinem ersten Besuch in Israel und Palästina war ich erschrocken über die Dimensionen. Ich kannte die Berliner Mauer gut, aber das Mauer-Monstrum stellt alles was ich aus Berlin kannte völlig in den Schatten.
Nachfolgend will ich etwas über die Entstehung und den Verlauf dieser Sperranlage schreiben:
Durch zahlreiche Selbstmordattentate palästinensischer Terroristen werden in den 90 Jahren und auch noch Anfang diese Jahrtausende sind viele Israelis getötet und verwundet. Es war daher nachvollziehbar, dass sich die politisch Verantwortlichen in Israel überlegten wie dieser Terror zu stoppen ist und wie man die zivile Bevölkerung in Israel nachhaltig schützen kann. Im Jahre 2003 begann man deshalb mit dem Bau von Sperranlagen entlang der Grenze zur Westbank. Mauer und Checkpoint`s erinnerten gerade uns Deutsche sehr stark an die Berliner Mauer: Allerdings ist die Mauer hier viermal so lang und dreimal so hoch wie die DDR-Mauer damals in Berlin.


Bild von der Mauer bei Bethlehem

Hinzu kommt aber auch das die Mauer und Grenzzäune nicht nur an der „grünen“ Linie, die den Staat Israel von den seit 1967 besetzten Westjordanland abgrenzt, befestigt bzw. errichtet wurde, sondern kreuz und quer im Westjordanland verläuft zum Schutz der dort ja nach Völkerrecht illegal lebenden israelischen Siedler und deren Straßen.


Bild: Mauer an einer Siedlerstraße bei Bethlehem

Das hat wiederum für die Palästinenser zur Folge, das Häuser eingerissen und Land konfisziert wurde. Dabei wurden mehr als 100.000 Olivenbäume ausgerissen, die oft mehrere Hundert Jahre alt waren. Vielfach können die Menschen nun nicht mehr von ihrem Wohnort zu ihrem Feld oder müssen große Umwege machen. Das ganze palästinensische Gebiet ist mit Hunderten von Checkpoints durchsetzt, je nach Stimmungslage, werden Übergänge geschlossen und wieder geöffnet, die Palästinenser müssen oft stundenlang an diesen Übergängen warten
Wenn man hier mit Palästinensern spricht wird immer gesagt, das man verstehen kann das sich die Israelis vor Terroranschlägen schützen müssen. Allerdings überhaupt kein Verständnis ist dafür da das sich sämtliche Sperranlagen auf palästinensischen Gebiet befinden, sie großen Landverlust hinnehmen müssen und ihr Land dermaßen zergliedert ist das es unvorstellbar erscheint das aus diesem zerrissenen Gebilde einmal ein funktionierender Staat entstehen kann.
Und noch eine kleine Besonderheit am Rande auf die mich Faten Mukarker aufmerksam gemacht hat: jede Mauer hat natürlich zwei Seiten…. Die Mauerseite, auf die die israelischen Siedler schauen, sieht so aus:


Bild: „Israel“-Sicht


Bild „Palästinenser“-Sicht

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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