Heute machten wir uns auf den Weg (etwa 100 km) um vom See im Norden in das Zentrum von Palästina zu fahren: nach Jerusalem und Bethlehem. In Bethlehem werden wir bis zum Abflug am 3.11. in dem Gästehaus St. Vincent übernachten.
Auf dem Weg in den Süden durch die von Israel besetzte Westbank, machten wir Stopps bei der Fairtrade Organisation Canaan, dem Freedomtheatre in Jenin , bei den Samaritern auf dem Berg Gerizim. In Nablus haben wir zur Mittagspause auch die wundervolle Knafeh
gegessen. Mit dieser Fahrt haben wir das „Paradies“ am See verlassen und stellen uns jetzt mehr der Realität. Dazu gehört die erste Erkenntnis, dass die Ruhe, die uns in den ersten drei Tagen meist umgab, einer lauten, hektischen Stimmung gewichen ist. Die im ganzen palästinensischen Raum zu findende Verschmutzung durch Plastikabfall gerät dem Besucher schmerzhaft in den Blick und ins „Gemüt“. Große Werbetafeln verschandeln die Städte und Landschaften und Kinder sieht man „wie Sand am Meer“, den die Palästinenser der Westbank, obwohl er nicht weit entfernt an der israelischen Mittelmeerküste zu finden ist, nie zu Gesicht oder „an die Füsse“ bekommen.
Jetzt ist es ja so, dass ich an den beschriebenen Orten schon mehrmals mit den unterschiedlichen Gruppen war, so dass ich zum einen auf meine Berichte in diesem Blog verweisen möchte: Fairtrade Canaan, Freedomtheater und auch die Samarither. Dennoch möchte ich auf einige Details eingehen die mir heute besonders auffielen.
In Jenin hatten wir heute die Möglichkeit mit dem Mitbegründer des (neuen) „Freedom-Theatre“ Jonathan Stabnczak zu sprechen. Er entstammt einer jüdischen Familie (seine Eltern leben in Israel)
Das Freedom Theatre TFT wurde 2005 im palästinensischen Flüchtlingslager bei Jenin wieder aufgebaut, nachdem das erste Theater 2002 von der israelischen Armee zerstört worden war. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen wird ein Raum geschaffen, in dem sich Phantasien entwickeln und andere Realitäten vorgestellt werden können. Neben dem Theater als Veranstaltungszentrum gibt es verschiedene Theater-, Zirkus-, Musik und Tanzgruppen. 2008 wurde die Schauspielschule des Theaters eröffnet, die seither jungen Menschen aus der Region eine Zukunftsperspektive im Schauspiel eröffnet. Auch die besondere Form des „Playback-Theaters“ wird bei den Tourneen in Palästina genutzt. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Auseinandersetzung mit der Besatzungsmacht. Hier werden die Themen von den Besuchern vorgeschlagen (oder tatsächliche Erlebnisse/Geschichten erzählt) und von den Schauspieler/innen improvisiert „in Handlungen „übersetzt“ gespielt werden. Dies ist eine kulturelle Alternative, kann aber auch die oft notwendige psychotherapeutische Behandlung ergänzen.
Es hat, so Jonathan nie ein Hauptziel für die kulturelle Arbeit des Theaters gegeben: „auch die Umwelt, in der wir leben, ändert sich ja ständig und so haben die Menschen, die im TFT arbeiten, das Verständnis, dass es weniger das Ziel sondern vielmehr die „Reise“ dahin interessant ist.“ TFT versteht sich als kultureller Widerstand, der „der breite Einsatz von Kunst, Literatur und traditionellen Praktiken zur Herausforderung oder Bekämpfung von ungerechten oder bedrückenden Systemen und / oder Machtinhabern im Rahmen von gewaltfreien Aktionen, Kampagnen und Bewegungen“
Das TFT erreicht in Palästina und auf der ganzen Welt ein großes Publikum. Seit seinem Start hat TFT über 100.000 Zuschauer und Teilnehmer an seinen Aktivitäten in Jenin und mindestens genauso viele auf seinen Tourneen in Palästina und auf der ganzen Welt beteiligt. Einige behaupten, dass die Teilnahme an den künstlerischen Aktivitäten einen tief positiven Effekt auf Gesundheit und Gesellschaft hat. Etwas so Jonathan was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass wir eine bedeutende Rolle bei der Förderung des internationalen Bewusstseins über die palästinensische und palästinensische Kultur gespielt haben.
Ansonsten brachte der Tag für diese Region den ersten – hier lange schon ersehnten (leichten) Regen seit 5 Monaten.
Lieber Marius.
Es ist wunderbar was Jonathan unternimmt.Die Tatsache ist und bleibt so, die Besatzung seit 50 Jahren ist eine Fortsetzung der Vertreibung und eine langsame aber wirksame Vernichtung unserer Kultur und Identität.
Wer schweigt und leugnet ist mitschuldig. Fast 2 Generationen haben nichts anders gelebt als Unterdrückung.