„Widerstand ist nicht nur Steine schmeißen“

Heute nun sind wir vom See Genezareth in den Süden ins Westjordantal gefahren. Wegen der angespannten Situation hatten wir auch einige Sicherheitsmaßnahmen getroffen. So haben wir am Checkpoint den Bus mit israelischen Kennzeichen in einen Bus mit grünem palästinensischen Kennzeichen getauscht um gff.

Buswechsel
Buswechsel

Steinwürfen vorzubeugen. Auch haben wir die Übernachtung vorsorglich von Nablus nach Jericho verlegt, da es in Nablus in den letzten Tagen doch immer mal Unruhen gab.

Nun sind wir heute am Abend in Jericho angekommen und rückblickend lässt sich feststellen, es war ein ganz normaler Tag, wie ich ihn schon immer in den letzten Jahren im Westjordanland erlebt habe.

Als erste Station haben wir das Friedenstheater in Jenin besucht. Jenin (etwa 40.000 Ew) ist neben dem Friedenstheater vor allem durch den Film „Ein Herz von Jenin“ bekannt, in dem ein palästinensischer Vater jüdische Kinder mit ihren Familien besucht, denen er ein Organ seines durch die Israelis erschossenen Sohn gespendet hatte.

Freedom-Cafe
Freedom-Cafe

Jenin liegt im Norden des seit 1967 von Israel besetzten Westjordanlands. In Jenin ist heute eines der größten palästinensischen Flüchtlingslager mit mehr als 5.000 Kindern und Jugendlichen. Begonnen hat alles 1988 mit zwei Kinderhäusern, die die Pädagogin und Friedensaktivistin Arna Mer-Khamis, die Mutter des ehemaligen Regisseurs und Leiters, Juliano Mer-Khamis, während der 1. Intifada in den von Israel besetzten Gebieten aufgebaut hatte, um den Kindern von Jenin einen Zugang zu elementarer Bildung zu erhalten. Der alternative Nobelpreis, den Arna dafür 1993 in Stockholm erhielt, ermöglichte ihr, den Aufbau des ersten „Freedom Theatre“ zu finanzieren. Es wurde bei der 2. Intifada 2002 im Zuge einer Militärintervention von der israelischen Armee völlig zerstört. (Film-Tipp: Arna`s Kinder)

Das Freedom Theatre wurde 2005 im palästinensischen Flüchtlingslager bei Jenin wieder aufgebaut. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen wurde ein Raum geschaffen, in dem sich Phantasien entwickeln und andere Realitäten vorgestellt werden können. Neben dem Theater als Veranstaltungszentrum gibt es verschiedene Theater-, Zirkus-, Musik und Tanzgruppen. 2008 wurde die Schauspielschule des Theaters eröffnet, die seither jungen Menschen aus der Region eine Zukunftsperspektive im Schauspiel eröffnet.

Das Freiheitstheater Jenin will mit Mitteln der Kunst soziale und Theaterpolitische Veränderung erreichen. Den Kindern des Flüchtlingslagers werden unterschiedliche Möglichkeiten eröffnet, eigene Fähigkeiten zu entfalten und das Selbstvertrauen aufzubauen, das sie brauchen, um ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Ziele sind dabei u.a., die psychosoziale Entwicklung der Kinder zu fördern, damit sie ihre Kindheit inmitten der kriegerischen Auseinandersetzungen nicht gänzlich verlieren. Gemeinsam mit den Kindern soll ein Raum geschaffen werden, in dem sie Phantasien entwickeln und sich andere Realitäten vorstellen können. Man will Bedingungen herstellen, in denen sich Jungen und Mädchen in gleicher Weise und ohne Scheu einbringen, ausprobieren und Fähigkeiten entwickeln können, den kulturell, sozial und politisch gegebenen Barrieren selbstbewusst zu begegnen, um sie zu verändern.

junge Theaterleute
junge Theaterleute

Wir hatten die Möglichkeit mit vier Jugendlichen zu sprechen die hier in Jenin eine Schauspielausbildung erhalten. Von ihnen zu hören was sie motiviert ,den in Palästina üblichen Weg über das Abitur und Studium sich als Anwalt, Arzt oder für die Wirtschaft ausbilden zu lassen, war für uns sehr interessant. Von einem Mödchen (18 Jahre) stammt auch der Spruch aus der heutigen Überschrift: „Widerstand ist nicht nur Steine schmeißen“ Die jungem Leute wollen mit Mitteln des Theaters „der Welt zeigen was hier für ein Unrecht geschieht“. Sie sind der Auffassung, dass sie die Menschen mit den Möglichkeiten des Theaters besser erreichen können.

Gerade für palästinensische Mädchen ist eine „Kariere“ im Theaterbereich –so erfuhren wir- eine Herausforderung für die ganze Familie.

Am Nachmittag haben wir zunächst einem Besuch bei den Samaritern auf dem Berg Garizim gemacht. Dort und in der Nähe von Tel Aviv lebt die weltweit kleinste Glaubensgruppe mit etwa 780 Mitgliedern. Weiteres zu dem interessanten Leben dieser Menschen kann man bei Wikipädia nachlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Samaritaner

Und dann sind wir noch einen zu einem kurzen Bummel durch den Souk von Nablus gegangen…

Und natürlich haben wir dort die wundervolle Knäfeh gegessen

mmmh lecker
mmmh lecker
Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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