Nächtliche Kontrollen

Bericht von Breaking the Silence im Dezember 2020

Ich habe in diesem Blog schon einige Male über die israelische NGO „Breaking the Silence“ geschrieben. Im Juni 2013 hatte ich die Möglichkeit an einer Informationstour in die Hügel südlich von Hebron teilzunehmen.

„Kafka im Westjordanland“

Yehuda Shaul (re)

Im November 2014 hatte ich die Möglichkeit an einem Gesprächsabend mit Yehuda Shaul dem Gründer der Gruppe ehemaliger israelischer Soldaten „Breaking the Silence“ teil zu nehmen.

„Das Schweigen brechen“

in diesen Dezember-Tagen 2020 hat die Gruppe „Breaking the Sielende“ nun einen Report veröffentlicht der sich mit den regelmäßigen „Besuchen“ des isrtaelischen Millitärs im besetzten Westjordanland beschäftigt.
Da heisst es u.A: 2017-18 drangen IDF-Truppen nicht weniger als 6.402 Mal in palästinensische Familienhäuser in den besetzten Gebieten ein, ohne Durchsuchungsbefehl, ohne Gerichtsbeschluss oder auch nur einen vernünftigen Grund für einen Verdacht. Sie taten das, um den Palästinensern „das Gefühl zu geben, verfolgt zu werden“, um „ihre Anwesenheit zu demonstrieren“, um die Häuser und ihre Bewohner zu „kartografieren“. Die Implikationen sind schrecklich: Eltern, die für den Bericht befragt wurden, sprachen davon, dass ihre Kinder Langzeitsymptome von Angst, Überempfindlichkeit und Schlafentzug sowie aggressives Verhalten entwickeln. Die Eltern selbst entwickelten ähnliche Symptome. 
Ein Artikel des (Österreichischen) „Standard“ greift diesen Bericht der ehemaligen Soldaten auf.

Hier heißt es:
„Mehrmals pro Woche dringen israelische Soldaten in Wohnhäuser von Palästinensern ein, durchsuchen alle Zimmer, machen Fotos von Räumen und Menschen, ziehen wieder ab. Die Einsätze finden meist nachts statt. Für die Armeeführung sind das Routineeinsätze, um die stetige Terrorgefahr Israels unter Kontrolle zu halten. Aus Sicht der Palästinenser sind es traumatische Erlebnisse: Schwer bewaffnete Soldaten im Wohnzimmer, die im Intimsten herumwühlen, Kindern Angst machen.Führt die israelische Polizei in Israel Razzien durch, gelten dafür ähnliche Auflagen wie in anderen Demokratien: ein Richter muss den Durchsuchungsbefehl absegnen, es muss ein begründeter Verdacht vorliegen. Ist das israelische Militär jedoch im palästinensisch bewohnten, von Israel besetzten Westjordanland unterwegs, gilt das nicht. Soldaten brauchen keinen richterlichen Sanktus und müssen keinen konkreten Verdacht vorweisen, um nachts in Häuser einzudringen……“
weiter heißt es in dem Beitrag im Standard:
„…….Einige der im Bericht zitierten Soldaten erzählten, dass sie auf ihren Einsätzen zu Willkür gezwungen worden seien. „Ich war im Gazakrieg und habe dort viel gesehen, aber nichts hat mich so erschüttert wie diese Razzien“, sagt Ariel Bernstein, Ex-Kommandant einer Spezialeinheit dem STANDARD. Seine Ausbildungszeit habe ihn auf Kriegssituationen vorbereitet, aber nicht auf das Eindringen in Wohnzimmer und das Aufscheuchen von Kindern aus ihren Betten, ohne zu wissen, welchen Zweck man damit verfolge. Bernstein erzählt von der großangelegten Militäraktion im Westjordanland im Juni 2014, die der Suche dreier gekidnappter israelischer Teenager nahe Ramallah diente. Als Kommandant hatte er den Auftrag erhalten, mit seiner Truppe mehrere blind ausgewählte Wohnhäuser „auf den Kopf zu stellen“. Auf Basis welcher Kriterien er die Häuser durchsuchen sollte, habe man ihm nicht mitgeteilt. Als dann ein älterer Bewohner während einer Razzia einen epileptischen Anfall bekam, der offenbar durch den Stress ausgelöst war, stellte ihn das vor massive Gewissensprobleme, die ihn bis heute belasten, erzählt Bernstein.

Foto: Reuters/Mussa Qawasma

Eine Petition von Menschenrechtsorganisationen, die derzeit am israelischen Höchstgericht verhandelt wird, verlangt die Bindung der Durchsuchungen an richterliche Kontrolle und konkrete Verdachtsmomente. Die Razzien dienten teilweise lediglich Trainingszwecken, wobei massive Eingriffe in die Privatsphäre der Bewohner in Kauf genommen würden, so die Kritik. Ein Sprecher von Breaking the Silence äußert im STANDARD-Gespräch den Vorwurf, dass es der Armee bei den systematischen Razzien primär darum gehe, in den besetzten Gebieten Macht zu demonstrieren. Ein Sprecher der Armee bestreitet das. Im israelischen Militär begründet man die systematischen Razzien mit der Abwehr von Sicherheitsbedrohungen. Um Willkür vorzubeugen, gebe es eine strenge Befehlskette, heißt es. Der Armeesprecher dementiert, dass Razzien ohne Verdacht stattfinden…….“

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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