Der Streit um den Tempelberg geht in die nächste Runde

Heute Morgen stand der Besuch des Tempelberges und ein Treffen mit Reuven Moskovitz auf unserem Programm. Am Nachmittag wollte ein Teil der Gruppe die Holocaust-Gedächtnisstätte Yad Vaschem besuchen, ein anderer Teil die Chagall-Bilder im Hadassah-Krankenhaus besichtigen.

Ich habe schon mehrfach über den Streit um den Tempelberg in diesem Blog berichtet. So war es klar, dass unser heutiger Besuch auf dem für Muslime, aber eben auch für die Juden heiligen Berg vor dem Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung nach der Entscheidung der UNESCO unter einem besonderen „Licht“ stand

Die Kirchliche Nachrichten Agentur (KNA) meldete dieser Tage:

„Mitte Oktober hat die Unesco mit 24 Ja- zu 6 Nein-Stimmen bei 26 Enthaltungen eine Entschließung über den Status des Tempelbergs angenommen. Darin wird Israel als „Besatzungsmacht“ unter anderem vorgeworfen, den Zugang der Muslime zu „ihrer heiligen Stätte Al-Aksa-Moschee/Haram al-Scharif“ sowie deren Kultfreiheit illegal einzuschränken. Kritiker warfen der Unesco Geschichtsfälschung und die Leugnung eines jüdischen Bezugs zu Jerusalem vor. Auch Unesco-Generaldirektorin Irina Bokova distanzierte sich daraufhin von der Resolution.

Israels Polizei hat unterdessen laut Bericht der Tageszeitung „Haaretz“ (Onlineausgabe Mittwochnachmittag) Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nahegelegt, das seit einem Jahr für Parlamentsabgeordnete geltende Besuchsverbot für den Tempelberg wieder aufzuheben. Hintergrund ist demnach die derzeitige ruhige Sicherheitslage. Netanjahu kündigte an, demnächst mit Sicherheitsvertretern zusammenzutreffen und die Angelegenheit zu diskutieren.“

Sicherlich hat der Berg auch eine jüdische Geschichte die beachtenswert ist, aber er hat eben auch eine besondere Bedeutung für die gesamte muslimische Welt. Beide Seiten haben meines Erachtens bis in die jüngste Vergangenheit diese Besonderheit oft fahrlässig missachtet. Es wird Zeit das die verantwortlichen in Kirche und Staat auf beiden Seiten anfangen die besondere Geschichte der anderen Seite zu tolerieren.

der Felsendom: ein wundervolles Kunstwerk
der Felsendom:
ein wundervolles Kunstwerk

Wir haben heute von diesen Spannungen nichts gespürt. Lediglich der Umstand, das einige Touristen die schon auf dem Tempelberg waren, ihre Bibel abholen wollten, die sie am Sicherheitscheck liegen lassen mussten, erinnerte ein wenig an die Auseinadersetzung zwischen den beiden Religionen. Recht schnell gelangten wir über die Holzbrücke an der Westmauer auf den großen Platz, in dessen Mitte der mit Mosaiken wunderbare verzierte Felsendom mit seiner herrlichen goldenen Kuppel, mich immer wieder „magisch“ anzieht.

Ich hatte mich schon sehr auf das Wiedersehen mit Reuven Moskovitz gefreut. Oft habe ich schon von ihm in diesem Blog berichtet. Wir hatten uns mit ihm an der Anna-Kirche in der Altstadt verabredet. Als ich ihn erblickte, wie er mit langsamen Gang mit seiner markanten Mütze auf dem Kopf daher kam, wurde mir bewusst, was es für einen Glückfall bedeutet, diesen unermüdlichen Kämpfer für Frieden, Aussöhnung und Gerechtigkeit kennen gelernt zu haben. Reuven ist am 27. Oktober 88 Jahre alt geworden. Wir hatten uns mit ihm an der Anna-Kirche verabredet, weil diese eine ganz besondere Akustik hat. Natürlich packte er seine Mundharmonika aus und spielte und vielen anderen Kirchbesuchern, die mir schon so bekannten Weisen des Psalms 82: Wie lange wollt Ihr noch das Recht verdrehen und für die Schuldigen Partei ergreifen?

beeindrucken: Reuven mit seiner Mundharmonika
beeindrucken:
Reuven mit seiner Mundharmonika

Anschließend sind wir mit Reuven durch die Altstadt geschlendert, hier und da hielt er an, machte Bemerkungen zu dem was er sah, oft mit Bezug zum aktuellen Leben und damit zur politischen Situation. Man möchte das Mikrophon hin halten, alles Gesagte aufzeichnen, denn dieser alte Mann erscheint so vital, ja getrieben von dem Willen, das Ruder der Politik in Israel herum zu reißen.

 

Ich würde gerne an dieser Stelle auf das Ende letzten Jahres erschiene 2. Buch von Reuven hinweisen:

Reuven Moskovitz – Ein Leben für Gerechtigkeit, Liebe und Versöhnung“

Hier heißt es im Vorwort (Auszug):

Reuven Moskovitz, mit einer prophetischen Gabe bedacht, der frühzeitig die Katastrophe erkennt, der mahnt, vor falschen Hoffnungen warnt und Visionen für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina entwickelt: Viele Beispiele in diesem Buch belegen diese seine Fähigkeiten. Früher als viele andere Beobachter hat er darauf hingewiesen, dass es die israelischen Regierungen waren, die „keine Gelegenheit verpassten, um den Frieden zu verpassen.“ …….

Er ist ein Weiser und ein politischer Mensch, der zur Staatsgründung eine konträre Position zu der des in Deutschland so populären und verklärten David Ben Gurion einnahm.

Bereits in seinen frühesten Berichten appelliert er an seine Regierungen, er klagt an und beschwört sie, den Weg der Konfrontation mit den Palästinensern zu verlassen. ….

Seit Mitte der 70er Jahre bereist Reuven Moskovitz Jahr für Jahr Deutschland. Es gibt für ihn „ein Deutschland, das ich liebe,“ wie er einen Brief  im Jahr 1974 überschrieb. Als Jude, der seine Heimat Rumänien verlassen musste, wird er nicht müde, auf die Verantwortung Deutschlands für eine israelische Friedenspolitik, die ihren Namen verdient, hinzuweisen. Er beklagt die Nibelungentreue, mit der die meisten Deutschen, zumal die Spitzen in Staat, Gesellschaft und Kirche, die verbrecherische Politik Israels gegenüber den Palästinensern wenn nicht verteidigen, so doch zumeist verharmlosen und relativieren.

(Aus dem Vorwort von Ekki Drost zum Buch: “)

Der Preis für ein Buch beträgt 15 €, Porto. Das Buch kann bei Gesine Janssen – Klunderburglohne 1, 26736  Uttum/Krummhörn, Tel.: 04923-200, bestellt werden.

Chagalls-Fensterbilder in der
die 12 Stämme Israels: Chagalls-Fensterbilder in der Abel-Synagoge

 

Wie schon zu Beginn erwähnt, ist ein Teil unserer Gruppe am Nachmittag nach Yad Vaschem in die Holocaust-Gedenkstätte gegangen. Da ich sie schon einige Male besucht hatte entschied ich mich für die Besichtigung der weltbekannten Fensterbilder von Chaggall. Sie sind in einer Synagoge des Hadassah-Krankenhauses angebracht. Das Krankenhaus ist eines der führenden und größten Krankenhäuser im Nahen Osten. Es beherbergt eine viereckige hauseigene Synagoge, die Abel-Synagoge. Für diese Synagoge hat Marc Chagall 12 Fensterbilder erstellt.

 

chagall1Die Fenster stellen Szenen aus dem Leben der 12 Stämme Israels dar. Einige Fenster wurden während des 6-Tage-Krieges 1967 beschädigt und später von Chagall selbst repariert. In einem der Fenster (einem grünen) beließ er in der unteren Hälfte ein Einschussloch – als symbolische Mahnung an den Krieg.
Wir waren ganz alleine in der Synagoge und hatten genug Zeit die großartigen Bilder auf uns wirken zu lassen. Schon toll, dass solche Kunstwerke -ohne Eintrittsbeschränkung/Eintrittsgeld- zur Besichtigung für Interessierte offen stehen.

 

 

Zum Abschluss des Abends waren wir zu Gast bei Familie Mukarker. Bei leckerem Essen erzählte uns Faten in ihrer unnachahmlichen Erzählweise von dem Leben in der arabischen-christlichen Familie.

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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