Kampf um den Tempelberg

Am Mittwochabend wurde in Jerusalem ein Rabbi, der sich laut Pressemeldungen dafür einsetzt, das Juden auf dem Tempelberg beten dürfen, von einem Mann auf einem Motorrad angeschossen und schwer verletzt worden. In der gleichen Nacht wurde ein verdächtiger Palästinenser von der Polizei erschossen. Gestern kam es dann, wie schön des Öfteren in den letzten Wochen, an verschiedenen Stellen in Jerusalem zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen vor allem jungen Palästinensern und der Polizei.

Der Tempelberg in der Altstadt Jerusalems ist einer der umstrittensten Orte der Welt. Er ist Juden und Muslimen heilig. Juden ist es jedoch verboten, auf dem Tempelberg zu beten. Wie ich bereits berichtet habe hatte es in den Vorwochen bereits große Spannungen in Ostjerusalem gegeben.

Aus Sicherheitsgründen wurde der Zugang für Palästinenser auf den heiligen Berg, wo sich die al-Aksa-Moschee befindet, stark beschränkt. Gleichzeitig hat Netanjahu neuen provozierenden Besuchen von jüdischen Fundamentalisten auf dem Gelände zugestimmt. Während ihres Besuches wurden palästinensische Randalierer in der Moschee eingesperrt, um Zusammenstöße zu verhindern. 2000 hatte der Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Scharon die Zweite Intifada, massive Palästinenser-Proteste, ausgelöst.

Gestern nun – an einem (verregneten) Freitag- der für die Muslime Feiertag ist, und an dem sie sich normalerweise zu Tausenden zum „Freitagsgebet“ am Mittag auf dem Tempelplatz in der Altstadt versammeln, rechnete die Polizei wieder mit Ausschreitungen in und um die Altstadt. Ich hatte mich an diesem Tag mit den beiden Berliner Ehepaare verabredet, die ich in den vergangenen Tagen ein wenig durch Jerusalem geführt hatte. Sie hatten ihr Nachtquartier mitten in der Atstadt im Armenischen Hospitz.

"Zum Gebet" vor dem Checkpoint
„Zum Gebet“ vor dem Checkpoint

Schon am Busbahnhof am Damaskustor bot sich mir ein bizarres Bild. Der Platz vor dem Tor glich einem polizeilichen Heerlager, er war mit mehreren Polizeisperren bestückt, vor der ersten Sperre hatten sich bereits einige junge Palästinenser „zum Gebet“ auf den mitgebrachten Teppich gekniet. Verschiedene TV-Anstalten hatten ihre Kameras in Position gebracht.Medienberichten zufolge waren rund um die Al-Aksa-Moschee rund 3.000 Polizisten postiert – dreimal so viele wie normalerweise. Die Kontrolle passieren durften palästinensische Frauen, alle Männer über 50 Jahre und solche Personen die Augenscheinlich Pilgerer oder eben keine Palästinenser waren. Der Eingang zur Altstadt, dort wo sonst geschäftiges arabisches Treiben und drangvolle Enge vorherrscht, schien verweist., viele Geschäfte hatten ihr Eisentor herunter gelassen. Auf jedem Schritt spürte ich eine angespannte Stimmung. Alle paar Meter standen schwerbewaffnete Polizisten und immer wieder gab es Personenkontrollen.

Von dieser Belagerungssituation scheinbar unbeeindruckt zogen betend zahlreiche Pilgergruppen aus aller Welt den berühmten Kreuzweg auf der Via Dolores.

Polizeisperre am österreichischen Hospiz
Polizeisperre am österreichischen Hospiz

Mich hat dieses Erlebnis ziemlich berührt, spürte ich doch in den Augen und in der ganzen Körperhaltung vieler Palästinenser die – mit dem Gebetsteppich auf ihren Schultern- zum Tempelberg gingen, eine große Anspannung. Es muss für sie eine große Demütigung bedeuten sich nicht frei zu einem ihrer wichtigsten Gebetsorte bewegen zu dürfen.

Wir haben dann die Altstadt verlassen, etwa drei Kilometer entfernt herrschte auf dem Jerusalemer Markt großes Einkauftreiben. Viele jüdische Jerusalemer deckten sich mit dem ein was sie für den am Abend beginnenden Schabbat brauchen.

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

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