Flüchtlingslager in Ostjerusalem

Heute habe ich mich mit Christine von einer kleinen Reiseagentur in Jerusalem getroffen um meine Gruppenfahrt im Herbst 2014 weiter vorzubereiten. Nach diesem Termin bin ich am frühen Nachmittag in den Stadtteil Shufat gefahren. Dieser Stadtteil, der sich in Ostjerusalem befindet,  ist aus einem Flüchtlingslager entstanden. Zum Thema Flüchtlinge habe ich in der Kopfzeile unter Historie unter dem Titel Nakba schon einige Hintergrundinfos  hier in diesem Blog veröffentlicht.

Jerusalem geteilt durch Mauern
Jerusalem geteilt durch Mauern

Wie einige andere Stadtteile in Ostjerusalem liegt auch das „Camp Shu`fat“ hinter der der riesigen Mauer. Für die über 20.000 Bewohner/innen von Schufat, wie auch alle anderen Bürger/innen die hinter der Mauer leben müssen, bedeutet dies, dass sie, obwohl sie Jerusalemer Bürger sind, sich in ihrer Stadt nicht frei  bewegen können. Sie müssen sich immer durch einen der Checkpoints, die i Ihrer ganzen anlage „menschenverachtende Bedingen vorweisen. Eine unglaubliche Situation.

Ich habe in meinem Blog vom 2012 (22.Mai)  ausführlich über die Situation in Ost- Jerusalem berichtet. Ich habe in diesem Bericht u.a. einen Jerusalemer Stadtrat zitiert der von den „Zehn Plagen“ spricht die über diearabischen Mitbürger in den letzten zehn Jahren verhängt wurden. Ich habe es heute mit eigenen Augen gesehen, dass sich die Situation in diesem Stadtteil so gänzlich anders darstellt als in einem Stadtteil in Ostjerusalem mit jüdischer Bevölkerung. Dazu passt auch die Meldung in der Süddeutschen Zeitung von vor einigen Wochen das mehrere arabische Stadtteile in Ostjerusalem wochenlang ohne Trinkwasser waren.
Ich erlaube mir nachfolgend Auszüge eines aktuellen Bericht der Gesellschaft für Österreichich-arabischer Beziehung zu veröffentlichen (www.saar.at)  der die These unterstützt das es den Verantwortlichen am Liebsten wäre wenn alle Palästinenser aus Ostjerusalem verwinden damit man dem Ziel Jerusalem als (jüdische) hauptstadt von israel näher kommt.

die Checkpoints lassen einen an "Viehverladestationen" denken
die Checkpoints lassen einen an „Viehverladestationen“ denken

In den abgelaufenen 9 Monaten ist im Rahmen der jüngsten US-amerikanischen Nahostinitiative sehr viel über Sicherheitsgarantien, landswap, UNO-Mitgliedschaft Palästina und Siedlungspolitik gesprochen worden. Dabei ist weitgehend eines der ganz zentralen Probleme jeglicher Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes außer Acht gelassen worden, obwohl dieses im engen Zusammenhang mit der Frage der Siedlungspolitik insgesamt steht: Das weitere Schicksal Jerusalems. Bekanntlich besteht eine der zentralen Forderungen der Palästinenser darin, die Hauptstadt eines unabhängigen palästinensischen Staates in Ostjerusalem zu errichten. Und die palästinensische Forderung bezieht sich natürlich nicht auf jene Vororte Jerusalems, welche von Israel „großzügiger Weise“ dafür vorgesehen sind, sondern das 1967 von der israelischen Armee besetzte arabische Ostjerusalem. Dort betreibt Israel allen UNO-Beschlüssen zum Trotz seit nahezu 45 Jahren eine hemmungslose Politik der Vertreibung der angestammten Bevölkerung sowie einer massiven Ansiedlung israelischer BürgerInnen. Israel beruft sich darauf, dass es – im eklatanten Gegensatz zu allen völkerrechtlichen Bestimmungen – Jerusalem vereint und zur Hauptstadt Israels erklärt hat. Wenn man die Erklärungen israelischer Politiker aller Couleurs genau interpretiert, so hat Israel absolut keine Absicht, am illegal geschaffenen Zustand Jerusalems etwas zu ändern.Sraßenscene in Shufat

Leider ist es auch typisch für den Zustand des „Friedensprozesses“, dass zwar die gesamte Welt die Situation in und um Jerusalem genau kennt, diese aber mehr oder minder zur Kenntnis nimmt, wenn man von fallweise abgegebenen Erklärungen absieht. Auch die EU ist über die völlig inakzeptable Situation in Jerusalem/Al-Quds bestens informiert, hat bislang aber keinerlei wirkliche Maßnahmen ergriffen. Die in Jerusalem tätigen europäischen Vertreter erstatten regelmäßig jährliche Berichte, welche die für die palästinensische Bevölkerung immer unerträglicher werdende Situation beschreiben. Diese für Brüssel eher unangenehmen Berichte wurden in den letzten Jahren kaum zur Kenntnis genommen, sie wurden teilweise sogar nicht einmal veröffentlicht. Vor wenigen Tagen ist nun der jüngste Bericht verfasst und nach Brüssel geschickt worden. Es bleibt abzuwarten, wie die EU diesmal darauf reagiert.

Israel vertreibt konsequent Palästinenser aus Jerusalem

Die im aktuellen Bericht enthaltenen Fakten sprechen für sich. Ohne allzu sehr übertreiben zu wollen, so betreibt Israel im völkerrechtlich nach wie vor besetzten Ostjerusalem eine sanfte Variante von ethnischer Säuberung. Dazu einige Details:

bedrohliche Enge
bedrohliche Enge

 

1.       In eklatanter Verletzung der 4. Genfer Konvention, wonach jegliche Besiedlung von besetzten Territorien völkerrechtlich untersagt ist, wurden seit 1967 rund 200.000 (!) jüdische Israelis angesiedelt. Nach dem Völkerrecht sind dies schlicht und einfach Siedler.

2.       Von 1967 – 2012 hat Israel 14.203 aus Jerusalem stammenden PalästinenserInnen die Aufenthaltsbewilligung entzogen.

3.       Ein Mittel der israelischen Vertreibungs- und Besatzungspolitik in Ostjerusalem besteht in der äußerst restriktiven Erteilung von Baubewilligungen für Palästinenser und der Zerstörung von Gebäuden, welche ohne Baubewilligung (viele davon lange vor 1967) gebaut worden sind. Derzeit bestehen zumindest 33 % aller palästinensischer Wohngebäude in Ostjerusalem ohne israelische Baubewilligungen, was bedeutet, dass mehr als 93.000 Palästinenser von der Zerstörung ihrer Häuser und der Ausweisung bedroht sind. Alleine im Jahr 2013 gab es 98 Hauszerstörungen, wodurch 298 PalästinenserInnen, davon 153 Kinder, ihr Wohnrecht in Jerusalem verloren haben. Signifikant ist in diesem Zusammenhang, dass trotz des neuerlichen US-amerikanischen Vermittlungsversuches die Zahl der Hauszerstörungen 2013 ziemlich genau jener der Jahre 2011 (42) und 2012 (64) entsprochen hat. Von einem Friedensprozess kann also auch in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein.

heile, schöne Welt in Westjerusalem
heile, schöne Welt in Westjerusalem

4.   Derzeit beträgt der Anteil der Palästinenser an der Gesamtbevölkerung in Jerusalem rund 39 %. Der Anteil von Investitionen in den palästinensischen Gebieten Jerusalems im Budget der Stadtverwaltung von Jerusalem beträgt rund 10 %.

Über Marius S. 405 Artikel
Seit dem Frühjahr 2012 habe ich die Möglichkeit, mir durch längere Aufenthalte im Westjordanland/Palästina, ein eigenes Bild von der aktuellen Situation im israelisch/palästinensischen Konflikt zu machen. Ich habe in dieser Zeit unter anderem aktiv im international bekannten Friedensprojekt "Tent of Nations" in der Nähe von Bethlehem (2012) und in einem Heim für alte und behinderte Frauen in der Nähe von Ramallah (2013) gearbeitet. Darüber hinaus habe ich seit dem verschiedene Gruppen bei Begegnungsreisen in Israel, Palästina und im Herbst 2015 auch in Jordanien begleitet. In vielen Kontakten mit palästinensischen und israelischen Menschen hatte ich die Möglichkeit, deren Gefühle und Einschätzungen zum Leben und zum Konflikt zu erfahren. Durch diese Erlebnisse und Erfahrungen vor Ort bin ich motiviert worden, mich auch hier in Deutschland für eine Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinenser einzusetzen. Vor diesem Hintergrund habe ich Kontakt mit der Nahost-Kommission von pax christi aufgenommen und bin seit 2013 dort Mitglied.

1 Trackback / Pingback

  1. Mit Marius unterwegs » Am Rande der Wüste

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*